Strafverteidigung: Tücken des Strafbefehls

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Oft hört man als Beschuldigter monatelang nichts von "seinem" Strafverfahren. Dann flattert einem per Post ein sog. Strafbefehl ins Haus.

Was ist das, ein Strafbefehl? Ein Strafbefehl ist eine der nötigen Verschlankung der Justiz geschuldete Abweichung vom Prinzip der mündlichen Hauptverhandlung. Er ist der Auftakt zu einem schriftlichen Strafverfahren und beinhaltet bereits (i) den Schuldspruch und (ii) die Sanktion, die bei unverteidigten Beschuldigten "nur" eine Geldstrafe sein kann, für den Fall, dass der Beschuldigte innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung keinen Einspruch einlegt. 

Und das macht ihn so extrem tückisch: der Beschuldigte ist im Urlaub oder nimmt es mit dem Briefkasten nicht so genau. Dann wird die Einspruchsfrist knapp oder gar versäumt. Besonders perfide: der Beschuldigte ist ein deutschunkundiger Ausländer und wird von der Polizei sanft zu Bestellung eines inländischen Zustellbevollmächtigten bei der Justiz gedrängt, dem dann - der Beschuldigte weilt längst wieder in seinem Heimatland - ein Strafbefehl zugestellt wird.

Oder der Beschuldigte versteht genau, was im Strafbefehl drinsteht, hält diesen aber für eine Geldbuße, mit der alles erledigt ist. Oder, fast am schlimmsten, er scheut die nötige Hauptverhandlung, zahlt gleich und macht nichts. 

Was dem Empfänger eines Strafbefehls hundertprozentig klar sein muss ist Folgendes: der Strafbefehl ist ein schriftliches Strafverfahren und beinhaltet einen Schuldspruch. Es gibt Delikte, da möchte man/sollte man einen Schuldspruch, soweit möglich, unbedingt vermeiden. Und es gibt Berufsgruppen, die sollten einen Schuldspruch unbedingt vermeiden (Ärzte, Steuerberater, Apotheker, Anwälte,...), weil ein standesrechtliches Verfahren auf dem Fuße folgen kann und im schlimmsten Fall die Zulassung in Gefahr ist. Wenn man dies vermeiden möchte, muss Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt werden! (Nur) dann kommt es zu einer (allerdings dann natürlich auch öffentlichen) Hauptverhandlung. In manchen Fällen mag ein Verteidiger nach einem Einspruch auch noch eine schuldspruchvermeidende Einstellung gegen Geldauflage nach § 153 a StPO hinkriegen. 

Die Geldstrafe wird in einer Anzahl von Tagessätzen verhängt. Die Tagessatzhöhe (oft von der Staatsanwaltschaft geschätzt!) bemisst sich nach dem monatlichen Nettoeinkommen des Beschuldigten, wahnsinnig viele Abzugsposten gibt es nicht; wenn man in der Sache nichts machen kann, kann man ggf. wenigstens die Tagessatzhöhe angreifen. Wer nicht zahlt, geht die entsprechende Zahl von Tagen ins Gefängnis.

Ich hatte neulich einen ausländischen Ingenieur bei mir, der die Tragweite des Strafbefehls verkannt hatte. Er dachte, es handele sich um eine Geldbuße. Wenn einem eine Straftat zur Last liegt, macht es Sinn, sich (spätestens) bei Erhalt des Strafbefehls von einem Strafverteidiger beraten zu lassen. (Nur) der Anwalt kann  Akteneinsicht nehmen und Ihnen einen Aktenauszug zur Verfügung stellen. Und Sie beraten, was zu tun ist.

Übrigens: schauen Sie nach der Bezeichnung "Fachanwalt für Strafrecht" -- letztlich ist dieses das einzig objektive Qualitätskriterium. Strafverteidiger kann sich jeder Anwalt nennen, ja sogar ein (bestenfalls Ex-Anwalt, schlimmstenfalls praxisferner) Jura-Hochschullehrer kann als Strafverteidiger tätig werden.

 

Foto(s): LIEB

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