Street Art und Panoramafreiheit

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Ich habe vor kurzem an so einer Street Art Tour in Lissabon teilgenommen. Da führen einen Vertreter der lokalen Szene durch die Gassen der Alfama oder von Mouraria und sagen ein bisschen was zu den Werken, die man dort an den Hauswänden bewundern kann.


1. UK und US-Recht

Unser Tourguide (Vero) war dabei ausgestattet mit dem Büchlein „Protecting  Art in the Street“  von Enrico Bonadio, einem Professor der City University of London. Zu der für mich interessantesten Frage aus dem Komplex Street Art und Recht, nämlich der Panoramafreiheit, schreibt er folgendes:


„A specific exception to copyright in artworks which are placed in public space is the freedom of panorama exception, which can be invoked by photographers and videomakers. It is a rule introduced in many countries (for example, the UK and the US) that allows taking and publishing pictures and videos of sculptures, buildings, and works of architecture (among other works) which are permanently located in the public environment. In these circumstances there is no infringement of any copyright that may subsist in the works. …

This exception … does not extend to paintings and other graphic works: this means that creating and distributing photos (…), videos, or broadcasts that incorporate pieces such as murals, stickers and paste-ups placed in public places would violate copyright infringement if no authorisation is obtained from the copyright owner.“

Also zunächst einmal erkennt er natürlich die Panoramafreiheit (freedom of panorama) an. Dies sei eine Regel, die in vielen Staaten gelte, unter anderem in Großbritannien und in den USA. 

Die Panoramafreiheit, so Bonadio weiter, beschränke sich allerdings (vor allem) auf Skulpturen, Gebäude und Werke der Architektur, die sich dauerhaft an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden (which are permanently located in the public environment).


Die Panoramafreiheit gelte daher bzw allerdings nicht für Bilder und andere grafische Werke (paintings and other graphic works). Das Fotografieren solcher Bildwerke, also eben das Fotografieren von Street Art und Graffiti, stelle eine Urheberrechtsverletzung dar, falls man keine Erlaubnis des Urhebers des Werkes eingeholt habe.


2. Deutsches Recht

Nach meinem Verständnis ist das nach deutschem Recht nicht so. Ich hatte dazu auf anwalt.de selber schon mal einen kurzen Beitrag geschrieben, aber das soll hier nicht maßgeblich sein. Schauen wir uns lieber an, was andere deutsche Autoren dazu schreiben.
 
In einem Beitrag der Kollegen/innen Thum und Richert auf www.berufsfotografen.com heißt es:


Hiernach (nämlich nach der Panoramafreiheit) dürfen Fotografien von urheberrechtlich geschützten Werken, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, nicht nur angefertigt, sondern auch nahezu uneingeschränkt kommerziell verwertet werden… Die Verwertungsfreiheit nach § 59 UrhG gilt dabei für Bauwerke und Kunstwerke im öffentlichen Raum gleichermaßen.
 
Dann erfolgt der Hinweis, dass die Panoramafreiheit nur für Werke gilt, die sich bleibend  im öffentlichen Raum befinden, also zB nicht für den verhüllten Reichstag von Christo und Jeanne-Claude, der nur eine vorübergehende Präsentation war (BGH Az I ZR 102/99).
 
Aber: Wenn sich die zeitliche Beschränkung allein aus der natürlichen Lebensdauer eines zerfallenden Kunstwerkes ergibt, wie es zum Beispiel bei Straßenmalereien, Eis-, Sand- oder Schneeskulpturen der Fall ist, wird das Merkmal „bleibend“ als erfüllt und die Verwertung entsprechender Abbildungen als zulässig angesehen.


Als Beleg verweisen die Kollegen/innen, so wie ich damals in meinem Beitrag, unter anderem auf die Aida-Entscheidung des BGH vom 27.4.2017, Az I ZR 247/15.
 
Ich denke, man kann daher zumindest für das deutsche Recht festhalten, dass man Street Art im öffentlichen Raum frei fotografieren und die Fotografien dann auch entsprechend verwerten kann. Also zB als Poster oder Aufdruck auf T-Shirts.

(Und, dies nur nebenbei, man muss dem aufdringlichen Sandburgenbauer auf Malle auch keine 2 Euro dafür zahlen, wenn man sein „Werk“ als private Erinnerung ablichten will).


3. Recht und Gerechtigkeit

Ob das – zurück zur echten Street Art - vom Gerechtigkeitsgefühl her richtig ist, kann man natürlich bezweifeln.

Denn es handelt sich nun einmal (im Regelfall) um urheberrechtlich geschützte Werke, die ein anderer, nämlich der Street Artist, geschaffen hat. Er hat diese zwar aus freien Stücken in den öffentlichen Raum gestellt, aber doch eben nicht zu dem Zweck, dass andere seine Werke kommerzialisieren und damit Geld verdienen. Vielleicht sogar in einem Kontext, der seinen Überzeugungen widerspricht.

Von daher würde ich dem Kollegen Bonadio zumindest rechtspolitisch und vom „Anstandsgefühl“ her durchaus recht geben,  wenn er sagt, dass man vor einer kommerziellen Verwertung von Street Art die Einwilligung des Künstlers einholen oder sich zumindest ernsthaft darum bemühen muss/sollte.

Wenn dieser natürlich kein identifizierendes Merkmal hinterlassen hat, dann mag das im Einzelfall schwer sein. Und vielleicht kann man ja sogar aus dem Weglassen eines Copyright-Vermerks oder Namensschriftzugs (Tags) schließen, dass der Urheber sein Werk der Öffentlichkeit zur freien Auswertung zur Verfügung stellen wollte. Aber das wäre meines Erachtens dann eine Frage, die man sich im Einzelfall näher ansehen muss.
 
Die Lisbon Street ArtsTour ist übrigens sehr zu empfehlen, wenn Sie mal in der Gegend sein sollten.


 Dr. Wolfgang Gottwald
 Rechtsanwalt

Foto(s): wogo

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