Widerruf und Rücktritt vom Hauskauf. Geht das?

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Sie haben als Käufer oder Verkäufer einen Immobilienkaufvertrag geschlossen, also ein Haus oder eine Wohnung ge- oder verkauft, und bereuen das jetzt. Aus diesem Grund möchten Sie sich so schnell wie möglich von dem Vertrag lösen. Geht das?


Schauen wir uns einmal die generellen Ansatzpunkte etwas genauer an. Jeder Fall liegt natürlich anders und muss daher individuell rechtlich beurteilt werden.


1. Vertragliches Rücktrittsrecht


Als erstes sollten Sie immer in den Vertrag hinein schauen. Steht dort etwas über ein Rücktrittsrecht drin?


Wenn ja, bingo! Jetzt müssen Sie nur noch prüfen, ob die im Vertrag genannten Voraussetzungen für den Rücktritt in Ihrem Fall gegeben sind oder nicht.


Steht im Vertrag dagegen nichts, dann wird es kompliziert. Jetzt ist Kreativität gefragt.


2. Ergänzende Vertragsauslegung


Manchmal kommt man im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu einem Rücktrittsrecht.


Aber dafür braucht man dann schon entsprechende Anknüpfungspunkte im Vertrag. Einfach so aus dem Nichts heraus lässt sich das nicht konstruieren.


3. (Gesetzliches) Widerrufsrecht


Sie haben mal irgendwo gehört, dass man doch jeden Vertrag innerhalb einer Frist von 14 Tagen widerrufen kann, oder? Bei Amazon zum Beispiel. …


Vorsicht, so allgemein ist das nicht richtig. § 312g in Verbindung mit § 355 BGB räumt zwar dem Verbraucher bei (bestimmten) Verträgen ein 14-tägiges Widerrufsrecht ein. Das gilt aber gemäß § 312g Absatz 13 BGB ausdrücklich nicht bei notariell beurkundeten Verträgen (eingeschränkt bei Verträgen über Finanzdienstleistungen).


Also: Es gibt kein generelles 14-tägiges Widerrufsrecht bei allen Verträgen. Wer das Gegenteil behauptet, der macht Ihnen etwas vor.


Das 14-tägige gesetzliche Widerrufsrecht steht einem Verbraucher jedoch auch bei einem Verbraucherdarlehensvertrag zu (§ 495 BGB). Hier ist genau zu prüfen, ob man dann gegebenenfalls über § 358 Absätze 2 und 3 BGB (verbundenes Geschäft, wirtschaftliche Einheit) zu einer Lösung vom Immobilienkaufvertrag kommt.


4. Anfechtung


Jeder Vertrag, auch ein notariell beurkundeter Vertrag, kann angefochten werden, wenn ein Anfechtungsgrund vorliegt.


a) Arglistige Täuschung


Anfechtungsgründe gemäß § 123 BGB sind Drohung und arglistige Täuschung. Dafür müssen Sie allerdings nachweisen, dass so ein Umstand vorliegt.


Die Anfechtung hat dann gemäß § 124 BGB „binnen Jahresfrist“ zu erfolgen.


b) Irrtum


Weitere Anfechtungsgründe sind gemäß § 119 BGB verschiedene Formen des Irrtums. Die Juristen sprechen von Inhaltsirrtum und Erklärungsirrtum. Unbeachtlich ist demgegenüber ein sogenannter Motivirrtum.


Dies jetzt im Detail zu erläutern, würde zu weit führen. Für eine individuelle Rechtsberatung sollten Sie sich an einen Anwalt Ihres Vertrauens wenden.


Die Anfechtung wegen Irrtums muss gemäß § 121 BGB „unverzüglich“ erfolgen.


5. Gesetzliches Rücktrittsrecht


Gemäß § 323 BGB kann man vom Vertrag zurücktreten, wenn der Vertragspartner seine Leistung nicht (vertragsgemäß) erbringt, also zB nicht zahlt. In der Regel ist davor allerdings eine Nachfristsetzung erforderlich.


Zum gesetzlichen Rücktrittsrecht kommt man über die §§ 437, 440 BGB auch, wenn die Kaufsache mangelhaft ist.


Aber auch hier ist Vorsicht geboten: Beim gesetzlichen Rücktrittsrecht ist § 323 Abs. 5 BGB zu beachten, wonach eine nur „geringfügige“ Pflichtverletzung für einen Rücktritt nicht ausreicht. Allein über diesen Aspekt kann man ggf jahrelang streiten, wie ich selber schon erlebt habe.


Außerdem kann das gesetzliche Rücktrittsrecht vertraglich eingeschränkt oder gar ausgeschlossen sein.


6. Störung der Geschäftsgrundlage


Denkbar ist auch, dass eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) vorliegt. Dies kann dann zu einer Anpassung des Vertrages oder sogar zum Rücktritt (§ 313 Absatz 3 BGB) führen.


Nach der Rechtsprechung gelten allerdings Umstände, die einseitig im Risikobereich einer Partei liegen, nicht als (gemeinsame) Geschäftsgrundlage. Dies dürfte bei Fragen der Finanzierung oder Verwendung der Immobilie durch den Käufer vorliegen.  


7. Aktuell: BGH vom 15.9.2023, Az V ZR 77/22


Aufmerksamkeit erregt hat kürzlich eine Entscheidung des BGH, die die (vorvertraglichen) Aufklärungspflichten eines Immobilienverkäufers verschärft hat. In dem betreffenden Fall ging es um anstehende Sanierungskosten.


Insoweit hat der BGH geurteilt, dass es nicht ausreicht, wenn der Verkäufer entsprechende Informationen und Unterlagen erst kurz vor dem Beurkundungstermin kommentarlos in einen sog. Datenraum einstellt.


Verletzt der Verkäufer seine Informationspflicht, kann er sich gegenüber dem Käufer schadensersatzpflichtig machen. Ein solcher Schadensersatzanspruch kann dann wiederum ein guter Hebel sein, um – mit etwas Verhandlungsgeschick - ggf eine Rückabwicklung des Kaufvertrages zu erreichen.



8. Fazit


Es ist schwer, sich im Nachhinein von einem notariell beurkundeten Immobilienkaufvertrag wieder zu lösen, aber nicht unmöglich.


Entscheidend sind immer die Umstände des Einzelfalls und die Kreativität und das Verhandlungsgeschick des Anwalts.



Dr. Wolfgang Gottwald

Rechtsanwalt

Foto(s): wogo


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