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Sturz an Tankstelle – Anspruch auf Schadenersatz?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Laut dem Kraftfahrt-Bundesamt kamen am 01.01.2017 auf 1000 Einwohner in Deutschland 684 Kfz. Die müssen natürlich auch regelmäßig betankt werden. Fährt ein Kfz-Eigentümer deshalb eine Tankstelle an, warten dort oftmals jedoch ein paar Fettnäpfchen auf ihn. So kann z. B. ein losgelöster Zapfhahn oder ein anderer Fahrzeugführer das Auto beschädigen, Kraftstoff auslaufen und auf die Kleidung tropfen oder man kann auf dem Tankstellengelände ausrutschen. Hier stellt sich allerdings die Frage, ob der Betreiber der Tankstelle dann Schadenersatz leisten muss.

Auf Kraftstoff-Wasser-Mischung ausgerutscht?

Ein Autofahrer fuhr an einem regnerischen Tag zu einer Tankstelle, befüllte den Tank seines Wagens und war gerade auf dem Weg zur Kasse, als er ausrutschte. Aufgrund des Sturzes verletzte er sich schwer – er verlangte daher vom Tankstellenbetreiber Schadenersatz.

Der Kfz-Eigentümer erklärte, dass der Boden – wohl aufgrund Regenwassers sowie ausgelaufenen bzw. verschütteten Kraftstoffs oder Öls – sehr rutschig gewesen sei. Der Tankstellenbetreiber habe damit unter anderem gegen seine Pflicht verstoßen, den Boden in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und etwaige Feuchtigkeit zu beseitigen. Auch hätte er seine Kunden vor einer möglichen Glätte warnen müssen.

Der Tankstellenbetreiber lehnte eine Haftung jedoch ab. Seine Mitarbeiter müssten nämlich in regelmäßigen Abständen den Tankstellenbereich auf Feuchtigkeit überprüfen, betroffene Bereiche sofort anzeigen, die Gefahr beseitigen bzw. Kunden davor warnen. Am Unfalltag habe jedoch keiner seiner Angestellten ausgelaufenen Kraftstoff gemeldet. Der Streit der Parteien endete vor Gericht.

Ist auf Tankstellen mit Nässe und Glätte zu rechnen?

Das Landgericht (LG) Dessau-Roßlau wies sämtliche Ansprüche des Autofahrers zurück.

Keine Warnung vor offensichtlichen Gefahren

Der Tankstellenbetreiber müsste nur für den Unfall haften, wenn er eine Pflicht verletzt hätte. Der Betreiber einer Tankstelle muss dafür sorgen, dass seine Kunden keinen Schaden nehmen, wenn sie auf sein Gelände fahren. Ihn trifft grundsätzlich also eine sog. Verkehrssicherungspflicht. Allerdings kann von ihm nicht verlangt werden, sämtlichen Unfällen vorzubeugen bzw. alle möglichen Gefahrenquellen „auszumerzen“. Das ist schlichtweg nämlich nicht möglich.

Er muss daher nur Maßnahmen ergreifen, die zur Beseitigung oder Vermeidung etwaiger Schäden erforderlich bzw. zumutbar sind. Das ist der Fall, wenn selbst ein umsichtiger und verständiger Mensch die Gefahrenquelle nicht ohne Weiteres erkennen oder vermeiden kann. Vor offensichtlichen Gefahrenquellen, z. B. einem herumliegenden Reifen oder einem nassen Boden, muss dagegen nicht explizit gewarnt werden.

An Tankstellen ist mit Kraftstoff zu rechnen

Die Richter wiesen zunächst darauf hin, dass bei regnerischem Wetter nicht nur an Tankstellen mit Nässe zu rechnen ist. Jede Person, die bei Regen ihr Haus bzw. ihre Wohnung verlässt, muss aufpassen, um nicht z. B. in Pfützen oder auf nassem Laub zu laufen und eventuell auszurutschen. Des Weiteren müssen Tankstellenkunden mit ausgetretenem Kraftstoff auf dem Boden oder an den Zapfsäulen rechnen. Schließlich kann es immer wieder passieren, dass – z. B. aus Unachtsamkeit – etwas Kraftstoff beim Tanken „danebengeht“.

Ein Tankstellenbetreiber muss in diesem Fall keine besonderen Vorkehrungen treffen. Anderes könnte lediglich gelten, wenn er wüsste, dass tatsächlich eine Kraftstoff-Wasser-Mischung für eine rutschige Bodenoberfläche sorgt. Das war vorliegend aber fraglich. Die Angestellten mussten den Boden der Tankstelle nämlich regelmäßig überprüfen und hatten am Unfalltag keine Ausbreitung größerer Kraftstoffmengen feststellen können. Denn das wäre z. B. anhand eines Ölfilms auf dem Boden aufgefallen.

Niemand hat sich über rutschigen Boden beschwert

Im Übrigen ist der Unfall in der Nähe der Kasse passiert – nicht unmittelbar an einer Zapfsäule. Selbst wenn dort kleinere Mengen Kraftstoff ausgetreten sein sollten, hielt es das Gericht für unwahrscheinlich, dass sie trotz Regens bis zur Sturzstelle in der Nähe der Kasse geflossen sind. Doch selbst wenn dies möglich gewesen sein sollte, hätte es nahegelegen, dass sich zumindest ein paar andere Kunden über den rutschigen Boden beschweren. Derartiges hat der verletzte Autofahrer aber nicht geltend gemacht.

Für das Gericht blieb somit bis zuletzt unklar, ob der Autofahrer tatsächlich aufgrund eines rutschigen, öligen Bodens gestürzt ist. Mangels Pflichtverletzung des Tankstellenbetreibers lehnte es daher einen Schadenersatzanspruch des Autofahrers ab.

Fazit: Wer auf einem Tankstellengelände stürzt, kann vom Betreiber keinen Schadenersatz verlangen, wenn die Gefahrenquelle für eine verständige und aufmerksame Person klar erkennbar war und ein Unfall daher leicht hätte vermieden werden können.

(LG Dessau-Roßlau, Urteil v. 10.08.2016, Az.: 2 O 46/16)

(VOI)

Foto(s): Fotolia.com

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