Tiere im Straßenverkehr- wer haftet, wenn es aufgrund eines Tieres zu einem (Auffahr-) Unfall kommt?

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Grundsätzlich ist jeder Verkehrsteilnehmer selbst dafür verantwortlich, ausreichend Abstand nach vorn zu halten. Daraus folgt die Pflicht für den Hintermann, genügend Abstand zu seinem Vordermann zu halten. Der minimale Sicherheitsabstand ist eingehalten, wenn die Distanz zum Vordermann dem Wert des halben Tachos in Metern entspricht.

Tiere als zwingender Grund für ein starkes Bremsen – eine Frage der Größe?

Starkes Bremsen ohne zwingenden Grund stellt andererseits nach § 4 Abs. 1 S. 2 StVO einen Verkehrsverstoß dar.

Wie muss sich jedoch ein vorausfahrender Fahrer verhalten, wenn ein Tier auf die Straße läuft?

Nach früherer Rechtsprechung sollte der Fahrer stets eine Interessenabwägung zwischen dem Leben bzw. der Gesundheit des Tieres und der Verhinderung eines Auffahrunfalles vornehmen.

Daraus folgte, dass Kleintiere aufgrund ihres geringeren materiellen Wertes überfahren werden sollten. Diese Interessenabwägung ist jedoch nicht mehr zeitgemäß, da mit Einführung des § 90a BGB gesetzlich verankert ist, dass Tiere keine Sachen sind. Auch bringt § 251 Abs. 2 S. 2 BGB zum Ausdruck, dass es bei aufzuwendenden Heilbehandlungskosten ebenfalls nicht auf den Wert des Tieres ankommt.

Zu differenzieren ist durchaus, ob es sich um ein Wirbeltier nach dem TierschG handelt oder um ein anderes Tier. Wirbeltiere können starke Schmerzen und Leid empfinden.

Das AG Dortmund  entschied mit Urteil vom 10.07.2018 zu dem AZ: 425 C 2383/ 18 über einen Auffahrunfall, bei dem der Vordermann aufgrund einer Taube bremste, dass der Auffahrende allein für den Schaden aufkommen müsse. Das Bremsen für eine Taube stellt keinen Verstoß gegen § 4 Abs.1 S. 2 StVO dar. Das Töten eines Wirbeltieres stellt vielmehr eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 4 Abs. 1, 18 Abs. 1 Nr. 5TierschG dar. Zudem müsse Art. 20a GG beachtet werden, wonach der Schutz der Tiere zum Verantwortungsbereich der staatlichen Gewalt gehört.

Das Amtsgericht München gab dem Führer des vorausfahrenden Fahrzeugs, der wegen eines Eichhörnchens gebremst hatte, mit Urteil vom 25.02.2014 zu dem Az. 331 C 16026/13 hingegen eine Mithaftung von 25 Prozent im Umfang sog. Betriebsgefahr auf, da nicht zwingend zu bremsen gewesen wäre.

Nach der Rechtsprechung ist ein zwingender Grund für ein starkes Bremsen jedenfalls aber dann gegeben, wenn der Bremsende oder andere Personen andernfalls gefährdet oder geschädigt werden könnten. Mit zunehmender Größe des Tieres ist die vorausgesetzte Gefahr größer und ein entsprechendes, starkes Bremsen gerechtfertigt, ohne dass der Vorhalt eines Verkehrsverstoßes nach § 4 Abs. 1 S. 2 StVO befürchtet werden müsste.

Einstehen der Vollkaskoversicherung 

Ohne Beteiligung eines Dritten deckt die Fahrzeug- bzw. Vollkaskoversicherung grundsätzlich den Schaden am eigenen Fahrzeug bei einem Ausweichmanöver.

Gemäß § 83 Abs. 1 S. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) hat der Versicherer Aufwendungen des Versicherungsnehmers zu erstatten, die dieser zur Abwendung und Minderung eines Schadens für geboten halten durfte. Der Begriff der Aufwendungen meint freiwillige Vermögensopfer. Ob das Bremsen aufgrund des Tieres eine Aufwendung gemäß § 83 Abs. 1 S. 1 VVG darstellt, differenzieren Rechtsprechung und Literatur anhand der Größe des Tieres. Bremst der Fahrer für ein großes Tier, handelt es sich um eine gebotene Aufwendung i.S.d. gesetzlichen Regelung. Dies folgt aus der Annahme, große Tiere würden zu einem größeren Schaden an dem versicherten Auto führen. Wohingegen ein Unfall mit einem kleinen Tier lediglich zu einem geringeren Schaden führen würde.

Wurde allerdings aufgrund der Motivation gebremst, das Leben des Tieres zu retten, entsteht keine Ersatzpflicht des Versicherers. Das Leben des Tieres ist nämlich nicht im Rahmen der Fahrzeugkaskoversicherung versichert. Ob die Versicherung für den entstandenen Schaden bezahlt, hängt demzufolge davon ab, ob der Versicherungsnehmer sein Bremsen für geboten halten durfte, um den Eintritt eines Versicherungsfalles in Form eines Schadens am versicherten Fahrzeug zu verhindern oder um einen etwaigen Schaden zu minimieren.

Einstehen der Teilkaskoversicherung bei Wildunfällen

Bei Wildunfällen übernimmt eine bestehende Teilkaskoversicherung in der Regel den entstandenen Schaden am eigenen Fahrzeug bei Wildunfällen, sofern es zu einer Kollision mit dem Wildtier kommt. Schäden infolge eines riskanten Ausweichmanövers werden hingegen nur von dort übernommen, wenn beleghaft ein folgenschwerer Aufprall verhindert werden sollte.

Tierhalterhaftung

Lässt sich der Halter eines Tieres ermitteln und gelingt der Nachweis, dass das Tier nicht ausreichend beaufsichtigt wurde, kommt die sogenannte Tierhalterhaftung nach § 833 BGB zum Tragen. Dabei bedarf es lediglich einer Mitursächlichkeit es Tieres, nicht jedoch einer direkten Kollision mit dem Tier.


Bei weiteren Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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