Überblick: Vorstrafen, Führungszeugnis, Bundeszentralregister

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Wer einem Strafverfahren ausgesetzt ist, fragt sich zu Recht, was ihn erwartet, wenn es zu einer Verurteilung kommt. Neben der eigentlichen Strafe kann es für die Zukunft von großer Bedeutung sein, ob Dritte von der Verurteilung erfahren werden. Entscheidend hierfür ist regelmäßig, was (wie lange) im Führungszeugnis und/oder im Bundeszentralregister steht und wer diese Informationen abrufen kann.

Das Wissen hierüber ist von Bedeutung für die Verteidigungsstrategie: Wenn ein Freispruch nicht in Betracht kommt, kann es sich als richtig erweisen, den Tatvorwurf frühzeitig einzuräumen und die Verteidigung auf ein bestimmtes Strafmaß – also die Höhe einer Geldstrafe oder die Dauer einer Freiheitsstrafe –, oder auf die Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage auszurichten.

In diesem Beitrag gibt Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel einen Überblick, in welchem Verhältnis die Begriffe Vorstrafen, Führungszeugnis und Bundeszentralregister zueinander stehen und worauf Sie achten müssen, wenn Sie mit Ihrem Rechtsanwalt über eine mögliche Strafmaßverteidigung sprechen oder auch, wenn Sie sich fragen, ob Sie Einspruch gegen einen Strafbefehl einlegen sollten. Dr. Bunzel ist Fachanwalt für Strafrecht und als Strafverteidiger bundesweit tätig.

1. Bundeszentralregister

Das Bundeszentralregister wird vom Bundesamt für Justiz in Bonn geführt. Es besteht aus einem Zentralregister und einem Erziehungsregister. In das Zentralregister werden unter anderem alle rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen eingetragen. In das Erziehungsregister werden Entscheidungen eingetragen, die nach Jugendstrafrecht ergangen sind, aber keinen Strafcharakter haben.

Die Einträge im Bundeszentralregister unterliegen verschiedenen Tilgungsfristen. Die Frist beträgt 5 Jahre bei Verurteilungen

  • zu Geldstrafe von nicht mehr als neunzig Tagessätzen, wenn keine Freiheitsstrafe, kein Strafarrest und keine Jugendstrafe im Register eingetragen ist,
  • zu Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen ist,
  • zu Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr,
  • zu Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
  • zu Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren, wenn ein Strafrest nach Ablauf der Bewährungszeit gerichtlich oder im Gnadenweg erlassen worden ist,
  • zu Jugendstrafe, wenn der Strafmakel gerichtlich oder im Gnadenweg als beseitigt erklärt worden ist,
  • durch welche eine Maßnahme mit Ausnahme der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis für immer und des Berufsverbots für immer, eine Nebenstrafe oder eine Nebenfolge allein oder in Verbindung miteinander oder in Verbindung mit Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln angeordnet worden ist.

Zehn Jahre beträgt die Tilgungsfrist bei Verurteilungen zu

  • Geldstrafe und Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn die Voraussetzungen der Nummer 1 Buchstabe a und b nicht vorliegen,
  • Freiheitsstrafe oder Strafarrest von mehr als drei Monaten, aber nicht mehr als einem Jahr, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden und im Register nicht außerdem Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe eingetragen ist,
  • Jugendstrafe von mehr als einem Jahr, außer in den Fällen der Nummer 1 Buchstabe d bis f,
  • Jugendstrafe bei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 171, 180a, 181a, 183 bis 184g, 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder § 236 des Strafgesetzbuchs von mehr als einem Jahr in Fällen der Nummer 1 Buchstabe d bis f,
  • zwanzig Jahre bei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mehr als einem Jahr,

und fünfzehn Jahre in allen übrigen Fällen. Nach Ablauf der Tilgungsfrist darf Ihnen die Verurteilung nicht mehr vorgehalten werden. Ein Jahr nach Tilgungsreife wird die jeweilige Verurteilung gänzlich aus dem Register gelöscht.

Unbeschränkte Einsicht in das Bundeszentralregister erhalten nur Behörden, die ein besonderes Interesse vorweisen können. Ein solches besteht insbesondere für Gerichte, Staatsanwaltschaften, die Verfassungsschutzbehörden, oberste Bundes- und Landesbehörden, Gnadenbehörden und Behörden, die zuständig für Einbürgerungen sind.

Wenn Sie wissen wollen, was über Sie im Bundeszentralregister eingetragen ist, können Sie einen schriftlichen Antrag an das Bundesamt für Justiz, Referat IV 1, 53094 Bonn, stellen. In diesem Antrag müssen Sie Ihre vollständigen Personalien (Geburtsname, Familienname, sämtliche Vornamen, Geburtsdatum und Geburtsort) angeben und ein Amtsgericht benennen, bei dem Sie den Auszug einsehen wollen. Außerdem fügen Sie eine Ausweiskopie bei. Das Bundesamt für Justiz sendet die Auskunft dann an das benannte Amtsgericht. Das Amtsgericht informiert Sie, wenn die Auskunft vorliegt. Nachdem Sie die Auskunft dort eingesehen haben, wird sie vor Ihren Augen vernichtet - sie erhalten auch keine Kopie. Kosten fallen nicht an.

2. Führungszeugnis

In zahlreichen Berufen bestehen Arbeitgeber darauf, dass Sie nicht oder jedenfalls nicht einschlägig vorbestraft sind. In diesen Fällen wird meist die Vorlage eines Führungszeugnisses verlangt. Dessen Inhalt ist nicht zwangsläufig mit dem Inhalt des Bundeszentralregisters identisch. Die Einzelheiten regeln die §§ 32 ff. des Bundeszentralregistergesetzes. Kennen sollten Sie folgende wichtige Regelung:

  • Geldstrafen von nicht mehr als 90 Tagessätzen und Freiheitsstrafen von nicht mehr als 3 Monaten werden nicht in das Führungszeugnis eingetragen, wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen ist.

Darüber hinaus werden Eintragungen des Bundeszentralregisters nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr in das Führungszeugnis aufgenommen. Die Fristen hierfür sind deutlich geringer als die Tilgungsfristen des Bundeszentralregisters. Die Frist beträgt drei Jahre bei Verurteilungen zu

  • Geldstrafe und Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn nicht die Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes vorliegen,
  • Freiheitsstrafe oder Strafarrest von mehr als drei Monaten, aber nicht mehr als einem Jahr, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt, diese Entscheidung nicht widerrufen worden und im Register nicht außerdem Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe eingetragen ist,
  • Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr, wenn nicht die Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes vorliegen,
  • Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren, wenn ein Strafrest nach Ablauf der Bewährungszeit gerichtlich oder im Gnadenweg erlassen worden ist.

Zehn Jahre beträgt die Frist bei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mehr als einem Jahr, fünf Jahre in allen übrigen Fällen.

Enthält das Bundeszentralregister mehrere Eintragungen, so sind grundsätzlich alle Eintragungen in das Führungszeugnis aufzunehmen, solange auch nur eine von ihnen in das Führungszeugnis aufzunehmen ist. Dies gilt jedoch nicht für

  • Verurteilungen, die nur in ein behördliches Führungszeugnis aufzunehmen sind,
  • die Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59 des Strafgesetzbuchs,
  • den Schuldspruch nach § 27 des Jugendgerichtsgesetzes,
  • Verurteilungen, durch die auf Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt worden ist, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt oder nach § 35 des Betäubungsmittelgesetzes zurückgestellt und diese Entscheidung nicht widerrufen worden ist,
  • Verurteilungen, durch die auf Jugendstrafe erkannt worden ist, wenn der Strafmakel gerichtlich oder im Gnadenweg als beseitigt erklärt und die Beseitigung nicht widerrufen worden ist und für
  • Verurteilungen, durch die auf Geldstrafe von nicht mehr als neunzig Tagessätzen oder auf Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten erkannt worden ist.

Vorsicht: Die letztgenannte Regelung gilt nur für die Fristen, binnen derer eine Verurteilung (überhaupt noch) in das Führungszeugnis aufzunehmen ist! Sie besagt nicht, dass mehrere Verurteilungen bis zu 90 Tagessätzen Geldstrafe bzw. bis zu 3 Monaten Freiheitsstrafe generell nicht in das Führungszeugnis aufzunehmen wären! Dies ist leider auch einigen Rechtsanwälten nicht bekannt.

Ein Führungszeugnis können Sie beim Einwohnermeldeamt beantragen. Es kostet 13 Euro. Beziehen Sie Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) oder Sozialhilfe oder benötigen Sie das Führungszeugnis für eine ehrenamtliche Tätigkeit, entfällt diese Gebühr.

Auch ein sogenanntes behördliches Führungszeugnis enthält keinen vollständigen Auszug aus dem Bundeszentralregister, sondern dieselben Eintragungen wie das normale Führungszeugnis und zusätzlich bestimmte verwaltungsrechtliche Entscheidungen, zum Beispiel über den Widerruf eines Waffenscheins oder einer Gewerbeerlaubnis. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass das behördliche Führungszeugnis nicht an Sie, sondern direkt an die Behörde gesandt wird.

Ein sogenanntes erweitertes Führungszeugnis wird in bestimmten Berufen gefordert, bei denen Sie Umgang mit Kindern und Jugendlichen haben. Eingetragen werden neben den regulären Inhalten auch geringfügige Verurteilungen wegen Sexualdelikten, die in ein normales Führungszeugnis nicht aufzunehmen wären. Das erweiterte Führungszeugnis ist damit ebenfalls nicht vergleichbar mit einem vollständigen Auszug aus dem Bundeszentralregister.

3. Vorstrafen

Die beschriebene Rechtslage hat folgende Konsequenz: Einträge, die im Bundeszentralregister stehen, die aber nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen sind, müssen Sie nicht offenbaren. Sie dürfen sich deshalb als „nicht vorbestraft“ bezeichnen,

  • wenn im Bundeszentralregister eine Geldstrafe von bis zu 90 Tagessätzen oder eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Monaten eingetragen ist oder
  • wenn mehrere solcher Verurteilungen in das Bundeszentralregister eingetragen sind, hiervon aber nur für eine einzige die Frist zur Aufnahme in das Führungszeugnis noch nicht abgelaufen ist.

Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel, Cottbus

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Foto(s): Dr. Maik Bunzel

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