Umkleidezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit - trotz tariflichen Ausschlusses?

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Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg hat in einer Entscheidung vom 06.07.2015 festgehalten, dass der Arbeitgeber An- und Umkleidezeiten auch dann als Arbeitszeit vergüten muss, wenn dies tariflich ausgeschlossen war.

Diesbezügliche tarifliche Regelungen sind in § 3 des Manteltarifvertrags der Metall- und Elektroindustrie für das Tarifgebiet Hamburg und Umgebung, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern enthalten (Tarifvertragsparteien: Arbeitgeberverband Nordmetall und Gewerkschaft IG Metall).

Im vorliegenden Fall verlangt der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber, einem Betrieb der Metall- und Elektroindustrie, Vergütung für Zeiten des An- und Ablegens seiner Arbeitskleidung. Das Landesarbeitsgericht gibt ihm Recht.

Zum Hintergrund

Der Arbeitgeber schreibt Arbeitnehmern das Tragen von Arbeitskleidung, persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und zusätzlicher Schutzausrüstung je nach dem Gefahrengrad ihrer Tätigkeit vor. Der Kläger ist in der Abteilung Instandhaltung tätig. Dort ist das Tragen einer persönlichen Schutzausrüstung (PSA) vorgeschrieben.

Diese besteht aus einer speziellen Hose, Arbeitsjacke, Socken, Schuhen, Arbeitshandschuhen, einer Schutzbrille, einem Helm sowie einem Gehörschutz. Der Arbeitnehmer begibt sich zum Anlegen der PSA zur „Waschkaue“, entnimmt dort die bereit liegende saubere PSA und zieht sich dann an seinem Spint um. Nach der Arbeit legt er die gebrauchte PSA wieder in der Waschkaue ab.

In § 3 MTV Metall- und Elektro (Nord) ist unter anderem zur Arbeitszeit geregelt:

„... Zeiten für Umkleiden und Waschen sowie Pausen sind keine Arbeitszeit, soweit nicht innerbetriebliche abweichende Regelungen getroffen werden. ...“

An- und Ablegen von Schutzkleidung = vergütungspflichtig?

Bei der Zeit, die für das An- und Ablegen einer Schutzkleidung benötigt werde, so das Landesarbeitsgericht, handle es sich um Arbeitszeit im Sinne von § 2 des Arbeitszeitgesetzes. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitszeitgesetzes sei Arbeitszeit die Zeit von Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Arbeit sei jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehöre dazu auch das Umkleiden für die Arbeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibe und das Umkleiden im Betrieb erfolgen müsse.

§ 3 Nr. 6 MTV verstoße jedoch gegen § 3 Absatz 3 des Arbeitsschutzgesetzes.

§ 3 III ArbSchG schließt Kostenübernahme durch Arbeitnehmer aus

Gemäß § 3 Abs. 3 des Arbeitsschutzgesetzes darf der Arbeitgeber Kosten für Maßnahmen nach dem Arbeitsschutzgesetz nicht den Beschäftigten auferlegen.

§ 3 Nr. 6 MTV sei damit rechtsunwirksam, soweit Umkleide- und damit verbundene Wegezeiten aus der Vergütungspflicht ausgeklammert würden, die durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes veranlasst seien. Denn das Umkleiden sei eine organisatorische Schutzmaßnahme im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes und könne daher nicht von der Vergütungspflicht ausgenommen werden.

Landesarbeitsgericht Hamburg, Urt. v. 06.07.2015 – gerichtl. Aktenz.: 8 Sa 53/14 - ni. rkr.

Fazit:

Umkleidezeiten können nicht stets vergütungsfrei bleiben. Maßgeblich ist zunächst, was die Arbeitsvertragsparteien vereinbart haben. Des Weiteren ist – so wie hier zu sehen – von Bedeutung, ob es sich um Arbeitskleidung, also etwa eine Schutzkleidung handelt, die gesetzlich vorgeschrieben und vom Arbeitgeber zu stellen ist. Gehört das Anlegen der Kleidung zum Arbeitsschutz, muss der Arbeitgeber die hierfür aufzuwendende Zeit vergüten, selbst wenn die Tarifparteien dies explizit ausgeschlossen haben.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart


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