Urlaub verfällt nicht immer!

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Grundsatzurteil Bundesarbeitsgericht: Urlaub verfällt nicht immer!

Mit der aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urt. v. 20.12.2022, Az.: 9 AZR 266/20 = PM Nr. 48/22 des BAG) bestätigt das BAG die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes: Urlaub verjährt nur, wenn Unternehmen vorher ihre Beschäftigten darauf hingewiesen haben, dass ihnen Urlaub zusteht, der bei fehlender Inanspruchnahme verfällt. Fehlt es hieran, können auch noch Ansprüche aus früheren Jahren geltend gemacht werden. Auf die regelmäßige dreijährige Verjährung nach nationalem Recht (§§ 195, 199 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB) dürfen sich Arbeitgeber in diesen Fällen nicht berufen.

Die Entscheidung des BAG kann erhebliche Auswirkungen haben. Sie kommt aber nicht überraschend, denn das BAG setzt mit seinem Urteil zwingende Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 22.9.2022, Az.: C-120/21) um.

Ausgangspunkt des aktuellen Urteils war ein Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Solingen (Urt. v. 19.2.2019, Az.: 3 Ca 155/18). Die dort klagende Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin war in einer Kanzlei von November 1996 bis Ende Juli 2017 beschäftigt. Da immer viel zu tun war, konnte sie ihren Urlaub nie vollständig in Anspruch nehmen.

Als die Arbeitnehmerin dann aus dem Arbeitsverhältnis ausschied, machte sie noch die Abgeltung von 101 Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 und den Vorjahren geltend. Während das erstinstanzlich erkennende Arbeitsgericht die Klage auf Abgeltung bis auf die Urlaubstage des Jahres 2017 abwies, gab das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urt. v. 21.2.2020, Az.: 10 Sa 180/19) der Klägerin Recht und verurteilte den Arbeitgeber zur Abgeltung des geltend gemachten Urlaubs, sowohl für das Jahr 2017 als auch für die Vorjahre, hinsichtlich derer der Arbeitgeber sich auf die Einrede der Verjährung berufen hatte. Die Kammer sprach der Steuerfachangestellten damit eine Summe von EUR 17.376,64 brutto Urlaubsabgeltung für die Jahre 2013 bis 2016 zu. 

Bisher galt der Grundsatz: Urlaub, der im aktuellen Kalenderjahr nicht genommen wird, verfällt mit dem Ende des Kalenderjahres, spätestens aber zum 31.3. des Folgejahres (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Noch bestehender Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht beansprucht werden konnte, ist auszuzahlen (§ 7 Abs. 4 BUrlG).

Allerdings ist das deutsche Urlaubsrecht zwischenzeitlich maßgeblich durch das Europäische Recht geprägt. 

Eine Entscheidung zu diesem Themenkomplex hatte der EuGH bereits 2018 (Urt. v. 6.11.2018, Az.: C-684/16) getroffen und festgestellt, dass Urlaub nur verfallen könne, wenn Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber „durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde“, den Urlaubsanspruch auch wahrzunehmen. Das BAG setzte diese Entscheidung im Folgejahr (Urt. v. 19.2.2019, Az.: 9 AZR 423/16) um und seither gibt es eine arbeitgeberseitige Hinweis- und Aufklärungspflicht als Obliegenheit eines Arbeitgebers. Nur, wenn der Arbeitgeber diese erfülle, könne Urlaub nach den Vorgaben des BUrlG verfallen.

In der Pressemitteilung vom 20.12.2022 lautet es zwar, dass der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub der gesetzlichen dreijährigen Verjährung unterliege, wobei die "dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat", beginnt. Wenn der Arbeitgeber die Obliegenheit aber verletzt hat, kann er die Einrede der Verjährung nicht erfolgreich erheben.

Grundsatzurteil Bundesarbeitsgericht: 

Urlaub verfällt nicht immer!

Foto(s): Antje Wigger

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