Verhaltenstipps bei polizeilicher Beschlagnahme von Gegenständen in Wohnung oder Geschäftsräumen

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Artikel 14 GG unserer Verfassung schützt das Grundrecht „Eigentum“ eines jeden an dem ihm oder ihr gehörenden beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen (§ 90 BGB).

Diesem als Abwehrrecht gegenüber dem Staat verstandenen Grundrecht kommt gleich im doppelten Sinne hohe Bedeutung zu:

Eigentum ist die tragende Säule einer liberalen Wirtschaftsordnung und baut auf ihr unsere gesamte Marktwirtschaft auf, während in Planwirtschaftsordnungen Eigentum an beweglichen oder unbeweglichen Sachen nicht begründet werden kann.

Ferner kann man Eigentum nicht verlieren und ist eine Enteignung des Eigentümers nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig, Art. 14 Abs. 3 GG.

Das deutsche Zivilrecht (dessen Eigentumsrecht sich ursprünglich am römischen Recht bediente) beschreibt in § 903 BGB die Reichweite der Befugnisse eines Eigentümers: „Danach kann der Eigentümer einer Sache (soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen) mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.“

Unter Anerkennung dieses hohen Schutzgedankens innerhalb unserer Rechtsordnung („Eigentum wird gewährleistet“) mutet es befremdlich an, dass die Strafverfolgungsbehörden, also Polizei, Staatsanwaltschaft; Zoll und Finanzamt, unter bestimmten Voraussetzungen überhaupt berechtigt sind, Gegenstände, die Auskunft über die Begehung einer Straftat geben (sollen), einstweilen in Beschlag zu nehmen.

Dieser kurze Artikel soll einen kritischen Blick auf die Standardmaßnahmen der §§ 94 ff. StPO bieten und Handlungsmöglichkeiten für Verpflichtete aufzeigen, welche auch ohne Anwalt (vor Ort) durchgesetzt werden können.

Was legitimieren überhaupt Beschlagnahme und Sicherstellung und Führerscheinbeschlagnahme?

Das öffentliche Eingriffsrecht erlaubt es dem Staat durch die Vorschrift des § 94 StPO, Gegenstände, die als Beweismittel für eine strafrechtliche Untersuchung von Bedeutung sein können, in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen.

Wenn also diese sich in Gewahrsam einer Person befindlichen Gegenstände nicht freiwillig herausgegeben werden, so kann beschlagnahmt werden und damit die Überführung der Sache von privaten in staatlichen Gewahrsam vollzogen werden.

Sogar Führerscheine, die der Einziehung nach § 111 a StPO unterliegen, können beschlagnahmt werden (wenn eigentlich auch Maßnahme des präventiven Rechts). Die Sicherstellung ist die freiwillige Herausgabe der Gegenstände (von welcher grundsätzlich abzuraten ist).

Dies legitimierender Zweck ist die Sicherung der Beweise für eine spätere Hauptverhandlung. Dazu müssen die beschlagnahmten Gegenstände (Tatwaffe, corpus delicti, Tatbeute etc.) kriminaltechnisch untersucht werden, etwa auf Spuren (DNA; Schmauchspuren, Blut, Sperma, Backspatter etc.).

Denn in der Anklageschrift sollen die beschlagnahmten Beweismittel Auskunft über die Tat und ihre Begehung dergestalt stützen, dass ein Gericht eine Wahrscheinlichkeit späterer Verurteilung gedanklich annimmt. Je weniger Beweismittel für und um die Tat also, umso schwerer das Gelingen einer (rechtmittelfesten) Verurteilung.

Darauf, dass ein Gegenstand tatsächlich Auskunft gibt über eine Straftat oder nicht, kommt es genau genommen nicht einmal an („von Bedeutung sein können“) – denn wie bei allen Standardmaßnahmen im Ermittlungsverfahren kann dies nur prognostiziert werden und lehrt die Praxis, dass großzügig beschlagnahmt wird. Es muss daher rechtzeitig Beschwerde gegen das staatliche Handeln eingelegt werden.

Kontrollrechte durch Beschlagnahmeprotokoll, Beschwerderechte § 98 StPO!

Anders als in übrigen strafverfolgenden Maßnahmen unterscheidet der Gesetzgeber für den Vollzug derselben nicht etwa danach, ob beim Beschuldigten oder beim Zeugen (so z. B. aber in § 81 a / § 81 c StPO und § 102 und § 103 StPO) beschlagnahmt wird, sondern nur nach dem aktuellen Gewahrsamsinhaber der inkriminierten Sache.

Der ohne Rücksicht auf die wahren Eigentumsverhältnisse vollzogenen Wegnahme eines oder mehrerer Gegenstände sollte schon aus diesen Gründen sowie aus Gründen der Überrumpelung durch staatliches Handeln und meist der persönlichen Angespanntheit des Duldenden in der Sache widersprochen werden.

Der Widerspruch indes führt dazu, dass gegen die Beschlagnahme Beschwerde bei Gericht nach § 98 StPO eingereicht werden kann. Einer freiwilligen Übergabe der Sachen an die Polizei kann später (nicht ohne Weiteres) widersprochen werden, da ja die Aufgabe des Eigentums freiwillig war und es somit an einer Beschwer fehlt.

Für ein Beschwerdeverfahren ist zunächst zu unterscheiden, ob ein Durchsuchungsauftrag der Polizei durch ein Gericht vorliegt und sich eine Durchsuchung der Wohnung/Geschäftsräume eben auf jene Beweismittel bezieht.

Denn ein richterlicher Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss muss genau die Gegenstände schriftlich und überprüfbar wiedergeben, welche Auskunft über das Verfahren liefern sollen.

Hieran kann es jedoch fehlen, wenn nicht hinreichend umgrenzt und bestimmt die Gegenstände zu allgemein benannt werden. Um dies zu überprüfen, muss sich der Betroffene den Durchsuchungsbeschluss aushändigen lassen und dessen Inhalt wie beschrieben kontrollieren.

Ferner ist aus Kontrollgründen der Polizei abzuverlangen, dass diese Abschrift liefert über ein Beschlagnahmeverzeichnis, in welchen tabellarisch sämtliche Gegenstände, die beschlagnahmt wurden, nummeriert und bezeichnet sind (wichtig für späteres Herausgabeverlangen bei Gericht).

Bei Beschlagnahme bei Wohnungs- und/oder Geschäftsraumdurchsuchung kann über das Hausrecht des Betroffenen immer auch die Anwaltskanzlei informiert und der Anwalt des Vertrauens zu der Maßnahme hinzugerufen werden.

Anwaltlich ist dann abzusichern, dass sich die Polizei eben an jene gesetzlichen Vorgaben hält.

Beschlagnahmeverbot, aus welchem ein echtes Verwertungsverbot folgt §§ 94, 97 StPO

Keine Regel ohne Ausnahme. Das Gesetz verbietet auch hier eine lückenlose Herausgabe sämtlicher Gegenstände. Denn unter der rechtsstaatlichen Maxime „Keine Wahrheitsfindung um jeden Preis“ besteht ein echtes Beschlagnahmeverbot in den Fällen des § 97 StPO.

Hiernach darf nicht beschlagnahmt werden (und, wenn fehlerhaft doch geschehen, für ein Urteil nicht verwertet werden), was ein Beschuldigter kommunizierte mit einem dem Staat gegenüber wegen persönlicher/familiärer Bande oder aus beruflichen Gründen zur Verschwiegenheit Berechtigten, bzw. im Falle des § 53 StPO Verpflichteten.

Anforderungen nach § 97 II sind zudem, dass diese beschlagnahmefreien Aufzeichnungen sich im Gewahrsam des zur Zeugnisverweigerung Berechtigten befinden müssen (was für die Anwalts- bzw. Verteidigerpost beim Betroffenen oder auf dem Weg dorthin oder auf dem Weg in die Haftzelle nicht gilt).

Empfohlen ist also, dass insbesondere bei Brief- oder Dokumentenkontakten und schriftlichen Äußerungen zwischen einem Beschuldigten und einer dritten (natürlichen oder juristischen) Person immer überprüft wird, ob diese Gegenstände nicht unter § 97 StPO fallen.

Dann nämlich ist diese Unterlagen zu beschlagnahmen der Polizei und Staatsanwaltschaft gesetzlich verboten.

Zusammenfassend ist bei der Beschlagnahme von Gegenständen also zu beachten:

Gibt es einen Beschlagnahmebeschluss durch ein Gericht?

Wenn ja, dann überprüfen, ob die bezeichneten Beweismittel Auskunft über eine Tat bringen können! Überprüfen, ob nicht daran vorbei auch weitere Sachen beschlagnahmt werden, wozu aber ein Beschluss fehlt (und dann gesetzeswidrig ist).

Gibt es nur „Gefahr im Verzug“, also drohenden Beweismittelverlust, welchen die Polizeibeamten behaupten?

Dann ist vor Ort der ermittlungsführende Polizeibeamte zu befragen, welche Gegenstände und warum beschlagnahmt werden sollen. Antwort für eigene Unterlagen protokollieren.

In beiden Fällen ist ein auf die Aushändigung eines (leserlichen und nachvollziehbaren) Beschlagnahmeprotokolls an den Betroffenen zu insistieren. Aktenzeichen und Name der Dienststelle müssen darin aufgeführt sein, um die Beschwerde durchführen zu können.

Will die Polizei Gegenstände beschlagnahmen, die Ausdruck des sensiblen Bereichs von familiärer Bande oder Berufsgeheimnisträger (Arzt, Anwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer) sind?

Dann auf Beschlagnahmeverbote nach § 97 StPO hinweisen und Belehrung durch die Polizei verlangen (vgl. § 52 Abs. 3, § 53 StPO)

Auf das Hausrecht der Anwaltskonsultation bestehen, welcher für die Einhaltung obiger Rechte bei der polizeilichen Maßnahme Sorge tragen wird. Polizei um Abwarten mit der Maßnahme bitten, bis der Anwalt an der Örtlichkeit eintrifft.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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