Versicherer kann im Nachprüfungsverfahren nicht die BU-Rente einstellen

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BU-Versicherung: Versicherer muss im Nachprüfungsverfahren beweisen, dass der Versicherungsnehmer nicht mehr berufsunfähig ist; Zweifel gehen zu seinen Lasten

Anders als die Vielzahl der veröffentlichten Fälle und die öffentliche Meinung suggeriert, erbringen Berufsunfähigkeitsversicherer in einer Vielzahl von (begründeten) Fällen Versicherungsleistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Nach den gesetzlichen Vorgaben soll der Versicherer nach Beantragung der Versicherungsleistungen die eigene Einstandspflicht prüfen und – sofern die Voraussetzungen gegeben sind – ein Anerkenntnis der Leistungspflicht abgeben. Welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben, wenn der Versicherer dies unterlässt und nur eine zeitlich begrenzte Leistung zusagt, soll hier nicht interessieren. Gibt der Versicherer die Leistungspflicht ab, so kann er sich nur noch dann von der Leistungspflicht lösen und die Leistung einstellen, wenn er ein formales Nachprüfungsverfahren durchführt. In diesem wird überprüft, ob die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit weiter vorliegen und ob evtl. zwischenzeitlich eine Verweisung auf einen zumutbaren Beruf möglich ist.

Lehnt der Versicherer nach der Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens die weiteren Leistungen ab, so kommt es häufig zu Streit. Dies betrifft insbesondere die Frage, welche Gesundheitsverbesserungen eingetreten sind und ob diese zum Wegfall der Berufsunfähigkeit führen. Das OLG Hamm hatte nunmehr kürzlich in einer Entscheidung (Urteil vom 24.11.2017, 20 U 194/16) die Möglichkeit, zu der dabei eingreifenden Beweislast Stellung zu nehmen. 

Der Leitsatz der Entscheidung lautet dabei wie folgt (aus VersR 2018, 265 ff.):

„Will der Berufsunfähigkeitsversicherer seine Leistungen nach vorangegangenem Anerkenntnis einstellen, muss er Tatsachen beweisen, aus denen sich die Gesundheitsverbesserung ergeben soll. Beweismaß ist nach § 286 ZPO (Vollbeweis; hier: durch den Versicherer nicht geführt). Dieses Beweismaß gilt auch bei psychischen Erkrankungen (Klarstellung zu OLG Hamm VersR 1997, 817 = r+s 1997, 126).“

Im zu entscheidenden Sachverhalt war der Versicherungsnehmer gelernter Dipl.-Kaufmann und anfangs als kaufmännischer Leiter, Projektmanager und Controller abhängig beschäftigt. Später wurde er als Management Consultant für eine Unternehmensberatung tätig, wobei dies nach seiner Aussage bereits auf seine Erkrankung zurückzuführen war. Mitte 2009 erfolgte eine Krisenintervention und stationäre Unterbringung wegen einer rezidivierenden, mittelgradigen/schweren depressiven Episode, dem Verdacht auf eine narzisstische Persönlichkeitsregulierungsstörung, sozialen Ängsten und den Folgen schädlichen Alkoholkonsums. Bis 2013 wurde er regelmäßig ambulant und teilweise stationär behandelt, seit 2013 nicht mehr. Er bezieht von der Deutschen Rentenversicherung eine zeitlich unbefristete Rente wegen Erwerbsminderung und – nach Abgabe eines Anerkenntnisses – BU-Leistungen des beklagten Versicherers. 

Die Beklagte führte ein Nachprüfungsverfahren durch und stellte durch medizinisches Gutachten im Jahre 2015 fest, dass eine solche Gesundheitsverbesserung eingetreten sei, dass der Kläger nicht mehr berufsunfähig ist. Der Versicherungsnehmer klagte auf Weitererbringung der BU-Rente. 

Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens auf Grundlage des Gutachtens die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte überwiegend Erfolg, d. h. der Versicherer ist weiterhin verpflichtet die Leistungen zu erbringen. 

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts basiert dabei im Wesentlichen auf Beweislasterwägungen, also der zivilprozessualen Frage, welche Partei was beweisen muss und zu wessen Nachteil es geht, wenn etwas nicht bewiesen werden kann. Vorliegend hat es sich dabei insbesondere mit den Aussagen des Sachverständigen befasst und nach dessen Anhörung das erstinstanzliche Urteil in diesem Punkt geändert. Denn der Sachverständige konnte nicht ausschließen, dass der der Kläger aufgrund der Angststörungen weiterhin außer Stande war, seinen ursprünglichen Beruf auszuüben. 

Darüber hinaus war die fortdauernde Berufsunfähigkeit auch deshalb begründet, weil die ernste Gefahr einer Dekompensation für den Fall besteht, dass der Kläger seine Tätigkeit wieder aufnimmt. Auch dies führe in Anknüpfung an die Entscheidung des OLG Saarbrücken vom 20.1.2016, 5 U 286/11- 38, abgedruckt in VersR 2016, 1103 zur Berufsunfähigkeit. Insofern kam es nicht darauf an, ob die rezidivierende depressive Episode allein zur dauerhaften Berufsunfähigkeit führte. 

Die Entscheidung ist zwar nicht rechtskräftig, gibt aber wegen ihrer grundsätzlichen Aussagen, die auf der bisherigen Rechtsprechung basieren, jedem Versicherungsnehmer gute Argumente, sofern der Versicherer im Nachprüfungsverfahren nicht auf Grundlage guter Argumente und wesentlicher Gesundheitsverbesserungen die Leistungen einstellen will. 

Sollten Sie hierzu Fragen haben, so stehe ich selbstverständlich zur Verfügung.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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