Verspätete Angebote aus der Restwertbörse sind nicht relevant - Geschädigter muss Angebot nicht annehmen

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Restwertangebote, die der regulierungspflichtige Haftpflichtversicherer der Restwertbörse entnimmt und dem Unfallgeschädigten verspätet unterbreitet, sind für diesen unbeachtlich. Das hat das OLG München in einem Hinweisbeschluss vom 06. Juli 2010 festgestellt (AZ: 10 U 2142/10).

Das OLG München bestätigt damit die überwiegende Rechtsprechung, dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalls sich vom regulierungspflichtigen Haftpflichtversicherer nicht auf ein höheres Restwertangebot aus einer Internetbörse verweisen lassen muss, insbesondere dann nicht, wenn dieses erst nach Veräußerung des verunfallten Fahrzeugs unterbreitet wird. Der Geschädigte kann vielmehr sein Fahrzeug zu dem von einem von ihm beauftragten Sachverständigen auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelten Restwert veräußern.

Er muss darüber hinaus weder abwarten, bis die Versicherung ein höheres Angebot vorlegt, noch muss er diese vor Veräußerung darauf hinweisen, dass er auf der Basis des ihm vorliegenden Sachverständigengutachtens den Schaden regulieren wird.

Lediglich wenn das höhere Restwertangebot der Versicherung dem Geschädigten rechtzeitig vor der Veräußerung unterbreitet wird, kann dieser verpflichtet sein, das Angebot anzunehmen. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn das von der Versicherung ermittelte Angebot zwar vom örtlich relevanten Markt stammt, jedoch trotzdem aus dem Internet stammt.

Aus der Urteilsbegründung:

... Der Kläger ist „Herr des Restitutionsgeschehens" (BGH NJW 1993, 1849) und hat insoweit von der ihm grundsätzlich zustehenden Restitutionsmöglichkeit der Ersatzbeschaffung unter Veräußerung des Unfallfahrzeugs Gebrauch gemacht. Er hat nach Ermittlung des Restwerts durch einen Sachverständigen sein Unfallfahrzeug zum gutachterseits festgestellten Restwert von 4.000,00 € veräußert. Die Höhe seines Anspruchs auf Schadensersatz nach § 249 II S. 1 BGB wurde vom Erstrichter daher zu Recht nach der Differenz zwischen dem unstreitigen Wiederbeschaffungswert vom 21.800,00 € und dem tatsächlich erzielten (und sachverständigenseits bestätigten) Restwert von 4.000,00 € bestimmt.

b) Hiergegen konnte der Beklagte lediglich den Einwand erheben, dass der Kläger unter Verletzung seiner Pflicht zur Schadensgeringhaltung, gegen das den § 249 II BGB prägende Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen habe. Dies lässt sich aus dem festgestellten Sachverhalt jedoch nicht ableiten.

Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung (z.B.: NJW 2007, 29; NJW 2005, 3134) davon aus, dass auch die Ersatzbeschaffung als Variante der Naturalrestitution unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit steht und der Geschädigte bei der Schadensbehebung im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner Individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten, den wirtschaftlichsten Weg zu wählen hat.

Diesem Gebot der Wirtschaftlichkeit genügt dar Geschädigte jedoch in aller Regel, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeuges zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (BGH NJW1993, 1849, 1851; NJW 2000, 800, 803),

Das bedeutet natürlich nicht, dass der Geschädigte von Überlegungen und der Wahrnehmung von Möglichkeiten zur Erzielung eins höheren Preises grundsätzlich befreit wäre. Der Geschädigte ist im Rahmen seiner Pflicht zur Schadensgeringhaltung gehalten, die ihm unter Berücksichtigung seiner persönlichen Situation zumutbaren Möglichkeiten zur Erzielung eines höheren Restwerts wahrzunehmen.

Gegen diese Verpflichtung hat der Kläger jedoch nicht verstoßen:

aa) Der Kläger war grundsätzlich nicht verpflichtet, von sich aus einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Er kann deshalb nicht auf den höheren Restwert verwiesen werden, der aus diesem Sondermarkt für spezialisierte Restwertaufkäufer wohl erzielt worden wäre (vgl. OLG Düsseldorf NZV 2008, 353, 356).

bb) Dem Kläger kann auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er nach dem Unfall vom 12.08.2007 bereits am 30.08.2007 das beschädigte Fahrzeug zu dem im Gutachten genannten Restwert veräußert hat, ohne abzuwarten, bis der Beklagte ein höheres Angebot vorgelegt hat.

Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, die Haftpflichtversicherung des Schädigers vor Veräußerung darauf hinzuweisen, dass er auf der Basis des ihm vorliegenden Sachverständigengutachtens vorgehen werde (Senat, Hinweis v. 17.01.2007 - 10 U 5316/06); erst recht ist er nicht verpflichtet, die Haftpflichtversicherung des Schädigers zur Abgabe eines höheren Restwertangebote aufzufordern (BGH NJW1993, 1849[1851 unter II 4]; 2005, 3134 [3135 unter II 3]; Senat DAR 1999, 407 = OLGR 1999, 407; Hinweis v. 17.01.2007 - 10 U 5316/06, OLG Saarbrücken 12.11.2002 -3 U 790/01-25; zuletzt OLG Düsseldorf VersR 2006, 1657; h. M. in der Obergerichtlichen Rechtsprechung [die gegenteilige und, wie das OLG Düsseldorf a.a.O eingehend dargelegt hat, offensichtlich unzutreffende Entscheidung OLG Köln SP 2005, 196 = NJW-Spezial 2005, 449 ist vom 15. ZS des OLG Köln in seinem Urt. v. 29.o8.2006 - 18 U 38/06 [Juris] = Verkehrsrecht aktuell 2006, 183 [nur Ls.] aufgegeben worden: überholt ebenfalls OLG Hamm NJW 1992, 3244]).

cc) Die vom Beklagten vorgelegten Restwertangebote aus einer Internetbörse über 7.000,00 € datieren vom 02.10.2007 (Anlage B1) und waren für den Kläger deshalb zum Zeitpunkt der Veräußerung nicht relevant. Das Angebot einer Versicherung muss rechtzeitig vor der Veräußerung durch den Geschädigten vorgelegt worden sein; eine spätere Vorlage, etwa gar erst im Prozess, ist unbeachtlich (OLG Celle OLGR 2003, 80; Senat, Hinweis v. 17.01.2007 - 10 U 5316/06).

dd) Auch aus der vom Berufungsführer zitierten Entscheidung des BGH vom 13.10.2006 (MDR 2010, 205/206) folgt nicht, das sich der Kläger sich nicht auf das Gutachten ... verlassen durfte, weil der Sachverständige nicht 3 Angebote des regionalen Marktes nachgewiesen hat.

Der BGH hat in dieser Entscheidung zunächst nochmals bestätigt, dass der Geschädigte auf die Aussage eines Sachverständigengutachtens, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, vertrauen darf.

Der BGH hat im Entscheidungsfall zwar die Berechnung des Wiederbeschaffungsaufwands durch das Berufungsgericht auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens anerkannt, weil es Zweifel an der korrekten Schadensermittlung durch den privaten Sachverständigen hatte. Er hat die Vorgehensweise des Berufungsgerichts hierbei als zulässige Schadensschätzung nach § 287 ZPO anerkannt, damit aber keineswegs den Grundsatz aufgestellt, dass der Schadensminderungspflicht eines Unfallgeschädigten nur dann genügt wird, wenn er auf ein privates Schadensgutachten vertraut, welches auf mindestens 3 Angeboten des regionalen Marktes beruht. Die Entscheidung des BGH bestätigt deshalb nur, dass es dem Tatgericht unbenommen bleibt, bei nicht ausreichender Darlegung der Anknüpfungstatsachen durch den Sachverständigen, eigene gutachterlich unterstützte Feststellungen zu treffen.

Im vorliegenden Verfahren hat der Erstrichter ausgeführt, dass er an der sachlichen Richtigkeit des im Gutachten festgestellten Restwerts keine Zweifel habe, wenn des Gutachten von einem anerkannten Sachverständigen erstellt worden sei. Diese - zwar sehr knappe - Begründung, kann von der Berufung nicht mit Erfolg angefochten werden. Einwendungen gegen die Sachkunde des Sachverständigen sind nicht vorgetragen. Die Einwendungen gegen die sachliche Richtigkeit des Gutachtens werden nur mit den vorgelegten Internetangeboten begründet, die jedoch für die Ermittlung des Restwerts nicht relevant sind, weil sie nicht den örtlichen Markt, auf dem sich der Geschädigte schadensmindernd umzuschauen hat, widerspiegeln. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass eines dieser Angebote von einem ortsnahen Anbieter aus ... stammt. Es verbleibt gleichwohl bei einem Restwertangebot aus dem Internet, auf welches sich der Geschädigte nicht verweisen lassen muss....


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