Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung

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Berufsunfähigkeitsversicherung: „Wissenschaftlicher Mitarbeiter“ ist kein Verweisungsberuf für einen Berufssoldaten

Fragt man Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeitsversicherung, ob sie Versicherungsleistungen erhalten werden, falls sie während der Laufzeit des Vertrags aus gesundheitlichen Gründen in ihrem Beruf nicht mehr arbeiten können, so werden die meisten von ihnen wohl voller Überzeugung mit „Ja!“ antworten. Dennoch ist diese Antwort in den meisten Fällen nicht (ganz) richtig.

Denn die meisten Berufsunfähigkeitsversicherungen sehen die Möglichkeit vor, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer im Falle der Berufsunfähigkeit auf einen anderen Beruf verweisen kann, zu dessen Ausübung der Versicherungsnehmer „aufgrund seiner Ausbildung und seinen Fähigkeiten in der Lage ist und der seiner bisherigen Lebensstellung entspricht“ (§ 2 Abs. 1 am Ende der AVB). Man spricht dann von einem sog. „Verweisungsberuf“.

Damit geht eine nicht unerhebliche Verkürzung des Versicherungsschutzes einher, wenn man bedenkt, dass der Versicherungsnehmer nicht nur aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen zu 50 % außer Stande sein muss, seinen Beruf auszuüben (so in den meisten Verträgen vorausgesetzt), sondern er auch nicht im Stande sein darf, einen vergleichbaren Beruf auszuüben.

Ob ein Beruf als Verweisungsberuf in Frage kommt, ist immer eine Frage des Einzelfalls und – was für den Versicherungsnehmer günstig ist – vom Versicherer zu beweisen. Die Rechtsprechung orientiert sich dabei im Wesentlichen an den Verdienstmöglichkeiten, wobei der Versicherungsnehmer auch Einbußen hinnehmen muss. Weitere Kriterien sind das Ansehen des Verweisungsberuf in der Gesellschaft, ob vorhandene Kenntnisse eingesetzt werden müssen etc.

Ob der Versicherer auch auf eine nur befristete Tätigkeit verweisen kann, die der Versicherungsnehmer ausübt, war bislang nicht abschließend geklärt. Nun konnte das OLG Hamm in seinem Hinweisbeschluss vom 18.12.2015 (Az. 20 U 187/15) hierzu Stellung nehmen. Der Versicherer hat auf den Beschluss die von ihm eingelegte Berufung zurückgenommen und leistet weiterhin eine BU-Rente.

In dem Sachverhalt ging es um einen ehemaligen Berufssoldaten, der seit 2005 wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung eine BU-Rente von der Beklagten bezogen hat. Der Kläger nahm ein Germanistikstudium auf und wurde nach der erfolgreichen Beendigung zeitlich befristet und in Teilzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Fachhochschule beschäftigt.

Die Beklagte vertrat die Ansicht, dass es sich hierbei im Vergleich zum Berufssoldaten und einen zulässigen Verweisungsberuf handele und stellte die Rentenzahlung ein, woraufhin der Kläger Klage auf Zahlung der Renten erhob.

Das Landgericht hat erstinstanzlich der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz wies das OLG darauf hin, dass es beabsichtige, die Berufung wegen fehlender Erfolgsaussichten zurückzuweisen.

Der Senat führte in seinem Beschluss aus, dass für die Anerkennung eines Berufs als Verweisungsberuf nicht ausreichend sei, dass der Versicherungsnehmer ein vergleichbares oder höheres Einkommen erwirtschafte. Voraussetzung sei vielmehr, dass „die neue Tätigkeit weder hinsichtlich der Vergütung noch in ihrer Wertschätzung spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs sinkt“ (OLG Hamm VersR 2016, 452, 453). Zu Recht habe das LG dies verneint, indem es auf die Befristung des Anstellungsverhältnisses als wissenschaftlicher Mitarbeiter abgestellt habe. Zwar ließ der Senat offen, ob jede Befristung eine Verweisung ausschließe. Jedenfalls stünde einer Verweisung jedoch entgegen, wenn die Tätigkeit typischerweise nur vorübergehend ausgeübt wird und nicht auf die Übernahme in eine Festanstellung ausgerichtet ist. Denn dies schließe eine vergleichbare Lebensstellung, die mit einem Berufssoldaten vergleichbar sei, aus.

Außerdem sei die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter auf eine reine Hilfstätigkeit ausgerichtet, so dass der Tätigkeit auch berufliche Weiterentwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten abginge.

Der Hinweisbeschluss ist meiner Einschätzung nach nicht überraschend, jedoch erfreulich eindeutig in der Hinsicht, dass bei der Bewertung eines Verweisungsberufs auch auf dessen Weiterentwicklungsmöglichkeiten geschaut werden muss, wenn der ursprüngliche Beruf solche Möglichkeiten bot. Gleichzeitig zeigt das Klageverfahren jedoch einen Trend, nämlich dass die Versicherer auch nach Feststellung des Versicherungsfalls geneigt sind, nach Aufnahme neuer Tätigkeiten – ggf. nach dem Erwerb neuer Fähigkeiten – oder im Rahmen von Nachprüfungsverfahren den einmal gewährten Versicherungsschutz zu entziehen.

Sollten Sie hierzu Fragen haben, so stehe ich Ihnen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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