Wann verjähren Ansprüche von Passagieren wegen Überbuchung, Annullierung oder Verspätung von Flügen?

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Ansprüche gegen Luftfahrtunternehmen wegen Nichtbeförderung, Annullierung oder großer Verspätung von Flügen nach der Fluggastrechteverordnung (EG-Verordnung Nr. 261/2004) unterliegen der dreijährigen Regelverjährung nach § 195 BGB. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 10. Dezember 2009 (Az.: Xa ZR 61/09) entschieden, dass die Ausschlussfrist des Art. 35 Abs. 1 des Montrealer Übereinkommens weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar ist. Allerdings ließ er die Frage offen, ob dies auch bei der Annullierung eines Fluges im Rahmen einer Pauschalreise gilt oder ob dann die zeitlichen Grenzen des § 651 g Abs. 2 BGB zu beachten sind. Die EG-Verordnung Nr. 261/2004 regelt die Rechte von Passagieren bei Flügen, die von einer EG-Fluggesellschaft durchgeführt werden sollten oder von Fluggesellschaften, die von, nach, oder innerhalb von EG-Gebiet fliegen. Sie ist in allen Mitgliedsstaaten unmittelbar geltendes Recht, so dass jeder EU-Bürger Ansprüche aus der Verordnung vor nationalen Gerichten einklagen kann.

Bei Nichtbeförderung wegen Überbuchung oder Annullierung des Fluges hat der Passagier wahlweise einen Anspruch auf Erstattung des Ticketpreises, frühestmöglichen kostenlosen Rückflug zum Abflugort bzw. frühestmögliche Beförderung zum Zielort oder die Beförderung zum Zielort zum Wunschtermin (sofern Plätze frei sind). Darüber hinaus hat der Flugpassagier ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 250 EUR (bei Flugstrecken bis 1.500 km), 400 EUR (für weitere Strecken innerhalb der EG oder bis 3.500 km) bzw. 600 EUR bei Flugstrecken über 3.500 km.

Bei Flugverspätungen von 2 Stunden und mehr für eine Flugstrecke bis 1.500 km, 3 Stunden und mehr für eine weitere Strecke innerhalb der EG oder bis 3.500 km sowie ab 4 Stunden bei Flugstrecken außerhalb der EG größer 3.500 km sind von der Fluggesellschaft als Entschädigung Mahlzeiten, Getränke, Telekommunikation und notfalls eine Hotelunterkunft inklusive Transfer zu stellen. Bei einer Verspätung ab 5 Stunden ist der Ticketpreis zu erstatten und ggf. ein kostenloser Rückflug zu stellen. Darüber hinaus kann - bei konkretem Nachweis - Schadensersatz geltend gemacht werden.

Nehmen Fluggäste, die wegen Umbuchung, Überbuchung oder Annullierung des Fluges nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung befördert wurden, ein Luftfahrtunternehmen in Anspruch, so verteidigten diese sich regelmäßig damit, dass keine Annullierung, sondern nur eine Verspätung des Fluges vorliege, da bei einer Flugverspätung keine Ausgleichszahlung fällig sei. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 19. November 2009 zwar festgestellt, dass ein verspäteter Flug unabhängig von der Dauer der - auch erheblichen - Verspätung nicht als annulliert angesehen werden kann, doch gebiete es der im Gemeinschaftsrecht verankerte Gedanke der Gleichbehandlung, das der Fluggast eines verspäteten Fluges nicht anders als den Fluggast eines annullierten Fluges zu behandeln sei. Voraussetzung sei allerdings eine gewisse Qualität der Verspätung. Nach Ansicht des Gerichts seien auch bei Verspätungen ab 3 Stunden Ausgleichszahlungen (entsprechend der Höhe der Zahlungen, die auch bei Annullierungen angesetzt sind) zu leisten (EuGH, Urt. v. 19. November 2009, C-402/07 und C-432/07).

Die Ausgleichzahlungen sind nur dann nicht zu leisten, wenn die Annullierung oder Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen sind (z.B. politische Instabilität, Sicherheitsrisiken, Wetterbedingungen etc.). Technische Probleme sind in der Regel kein außergewöhnlicher Umstand. Sie haben ihre Ursache in mangelnder, mangelhafter oder hinausgeschobener Wartung und liegen in der besonderen Risikosphäre eines Luftfahrtunternehmens. Im Übrigen betreffen technische Mängel die Lufttüchtigkeit und nicht die Flugsicherheit. Im Fall von technischen Defekten steht dem Flugreisenden daher in der Regel ein Ausgleichsanspruch zu.

Rechtsanwalt Dr. Roger Blum


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