Was kostet ein Anwalt im Sozialrecht? Wer übernimmt die Kosten, wenn man sich den Anwalt nicht leisten kann?

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Die Frage der Kosten für das Tätigwerden eines Rechtsanwaltes im Bereich des Sozialrechts ist - wie auch in anderen Reichsgebieten - oft von erheblicher und entscheidender Bedeutung für den Mandanten. Zudem ist speziell im Bereich des Sozialrechts auch ein Personenkreis betroffen, dem es nicht immer ohne weiteres möglich ist, die Kosten eines Anwaltes zu tragen.


Das sogenannte Kostenrisiko ist auch meist mit ausschlaggebend dafür, ob überhaupt ein Anwalt beauftragt bzw. ob gegen eine Entscheidung einer Behörde vorgegangen wird (Hinweis: Gerichtskosten fallen beim Sozialgericht in aller Regel nicht an, wobei jedoch nicht alle sozialrechtlichen Angelegenheiten vor dem Sozialgericht landen).


Nachfolgend soll aufgezeigt werden, welche Kosten im Bereich des Sozialrechts für die anwaltliche Tätigkeit anfallen können und welche weiteren Möglichkeiten es gibt, rechtlichen Beistand zu erhalten, falls die Kosten nicht aus eigener Tasche gestemmt werden können.


1. Wie berechnen sich die Kosten: Betragsrahmengebühren, Streitwertgebühren und Gebührenvereinbarung.


a) Die Kosten für eine anwaltliche Tätigkeit im Bereich des Sozialrechts werden - im Gegensatz zu Angelegenheiten des Zivilrechts – überwiegend nach den sogenannten Betragsrahmengebühren abgerechnet. Dies gilt insbesondere für die Bereiche des Rentenrechts, des Bürgergeldes, der Sozialhilfe und des Arbeitslosengeldes.


Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (kurz RVG) und die dortige Anlage 1 legen für diese Tätigkeit jeweils einen Gebührenahmen fest, in welchem die Kosten der anwaltlichen Tätigkeit je nach Umfang, Schwierigkeit sowie weiteren Kriterien vom Anwalt festgelegt werden (vgl. § 14 Abs. 1 RVG). Grundsätzlich kann in den meisten Fällen des Sozialrechts davon ausgegangen werden, dass eine sogenannte Mittelgebühr, also eine Gebühr, die in der Mitte des Mindest- und des Höchstbetrages liegt, abgerechnet wird.


  • Beispiel 1: Ein Anwalt vertritt einen Mandanten im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens gegenüber einer Sozialbehörde.


Die Nr. 2302 VV RVG sieht hierfür einen Gebührenrahmen von 60 bis 768 Euro netto vor. Die sogenannte Mittelgebühr beträgt daher 414 € netto (Hinweis: Auslagenpauschale in Höhe von 20 € sowie die auf den Betrag zu entrichtende Umsatzsteuer in Höhe von 19% muss zusätzlich gezahlt werden). Im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens gilt allerdings der Grundsatz, dass eine Gebühr von mehr als 359 € netto nur verlangt werden kann, wenn umfangreich oder schwierig war.


Es kommt jedoch immer auf den Einzelfall an. In vielen sozialrechtlichen Angelegenheiten können Kosten auch höher oder durchaus zum Höchstsatz anfallen. Dies liegt oft bereits daran, dass für die sachgemäße Tätigkeit in sozialrechtlichen Angelegenheiten die Durchsicht behördlicher Akten, fachlicher Gutachten und sonstiger Schriftstücke in erheblichen Umfang notwendig ist. Allein dieser Umstand bringt oft einen nicht unerheblichen Zeitaufwand mit sich, so dass von einer Erhöhung der Gebühren bis hin ggf. zum Höchstsatz ausgegangen werden kann.


In obigem Beispiel bedeutet dies: Falls die Tätigkeit umfangreich und/oder schwierig ist oder weitere Kriterien erfüllt sind, so kann die Betragsrahmengebühr bis zu 768 € netto (zuzüglich genannter weiterer Positionen) betragen.


b) Lediglich für die Bereiche BAföG, Wohngeld, Leistungen nach dem SGB VIII (Kinder – und Jugendhilfe) sowie Angelegenheiten des Kindergeldes, die ebenfalls unter den Bereich des Sozialrechts fallen, erfolgt eine andere Abrechnungsweise. Ähnlich wie in zivilrechtlichen Angelegenheiten erfolgt die Abrechnung nach dem sogenannten Gegenstandswert oder Streitwert. Dies soll hier nicht weiter thematisiert werden. Hier sollte eine gesonderte Abfrage beim Anwalt erfolgen.


c) Allgemein ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Anwalt - bis auf einige Ausnahmen - in den meisten Fällen nicht verpflichtet ist, das Mandat anzunehmen bzw. dieses nach dem RVG abzurechnen. Er hat insoweit auch die Möglichkeit, mit dem Mandanten eine Gebührenvereinbarung (z.B. Abrechnung nach Arbeitsstunden mit einem festen Betrag pro Stunde) zu treffen. Soweit dies der Fall ist, wird es in aller Regel notwendig sein, bei der sogenannten Erstberatung (erstes Gespräch inkl. vorläufiger Einschätzung der Angelegenheit) die Gebührenvereinbarung anzusprechen bzw. gegebenenfalls die weitere Tätigkeit hiervon abhängig zu machen. Dies wird der Anwalt unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Mandanten immer dann tun, wenn er mit einem weit erhöhten Aufwand bei der Bearbeitung der Angelegenheit zu rechnen hat, denn nur so wird ein kostendeckendes Arbeiten in diesem Bereich ermöglicht.


In sozialrechtlichen Angelegenheiten sind - insbesondere soweit es um sozialrechtliche Angelegenheiten von Einzelpersonen geht - Gebührenvereinbarung in Anbetracht der oft vorherrschenden finanziellen Verhältnisse von untergeordneter Bedeutung. In bestimmten Fällen wird der Anwalt jedoch unter Umständen auf eine solche Gebührenvereinbarung für seine Tätigkeit bestehen müssen. Eine Klärung erfolgt insoweit in aller Regel im Rahmen eines (kostenpflichtigen) Erstgespräches.


d) Wie ausgeführt dient das sogenannte Erstgespräch einer ersten Sondierung der vorläufigen Rechtslage. Diese kostet in aller Regel bis 190 € netto. Sollte das Mandat im Anschluss weitergeführt werden, fallen Betragsrahmengebühren an. Die Kosten für das Erstgespräch werden dann im Normalfall nicht gesondert bzw. nicht zusätzlich berechnet.


Soweit ein gerichtliches Verfahren vor dem Sozialgericht notwendig wird, fallen in aller Regel Gebühren nach den Nr. 3102 (Verfahrensgebühr (Gebührenrahmen 60-660 €) Nr. 3106 (Terminsgebühr: Gebührenrahmen 60 bis 610 € netto) VV RVG an.


  • Beispiel 2: Der Anwalt vertritt einen Mandanten im Rahmen eines Klageverfahrens, in welchem auch ein Termin vor Gericht stattfindet. Es fallen damit in aller Regel Kosten i.H.v. 360 € netto für die Verfahrensgebühr (als Mittelgebühr) und 335 € netto für die Terminsgebühr (Mittelgebühr) zuzüglich Kostenpauschale Umsatzsteuer an.


Selbstverständlich können im Gerichtsverfahren, aber auch außerhalb, gegebenenfalls weitere Gebühren anfallen, zum Beispiel im Falle eines Vergleichs vor Gericht eine sogenannte Einigungsgebühr. Über den möglichen Anfall weiterer Gebühren sollte grundsätzlich mit dem Anwalt im Rahmen des Mandates Rücksprache gehalten werden.


2. Kostenübernahme durch die Rechtsschutzversicherung; nur gesetzliche Gebühren.


Soweit eine Rechtschutzversicherung besteht, so übernimmt die Rechtschutzversicherung in aller Regel diese nach dem Gesetz (RVG) berechneten Gebühren. Es kommt jedoch grundsätzlich auf die mit der Rechtschutzversicherung getroffenen Vereinbarungen (Versicherungsbedingungen) an. Daher raten wir dazu, bereits vor Kontaktierung des Anwaltes oder vor Vereinbarung eines (kostenpflichtigen) Erstgespräches, mit der Rechtschutzversicherung Kontakt aufzunehmen und die Übernahme entstehender Kosten abzuklären. Hierzu ist zu wissen, dass insbesondere im Bereich des Sozialrechts je nach Stand des Verfahrens bzw. betroffenem Rechtsgebiet, Anwaltsgebühren oft zum Teil nicht oder noch nicht übernommen werden. In vielen Fällen übernimmt die Rechtsschutzversicherung Gebühren erst ab dem Zeitpunkt eines Widerspruchs- oder Klageverfahrens. Beratungen oder ein Tätigwerden des Anwaltes vorab sind daher teils vom Versicherungsvertrag nicht umfasst. Es gilt daher im Zweifel, vorab mit der Versicherung Kontakt aufzunehmen.


Das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung hindert den Anwalt nicht, eine Gebührenvereinbarung mit dem Mandanten zu treffen. Die Rechtsschutzversicherung wird aber nur die gesetzlichen Gebühren übernehmen. Darüberhinausgehende Gebühren sind dann - wie in allen anderen Rechtsgebieten auch - vom Mandanten selbst zu tragen.

3. Übernahme der Kosten durch die Staatskasse: Beratungshilfeschein, Prozesskostenhilfe.


Doch was passiert, wenn der Ratsuchende keine Mittel zur Verfügung hat bzw. keine Rechtschutzversicherung, welche die Kosten für eine Beratung oder gar eine anwaltliche Tätigkeit übernimmt? 


Viele scheuen sich, einen Anwalt zu kontaktieren vor dem Hintergrund, dass sie nicht wissen, wie sie die Kosten bezahlen sollen. Oft herrscht auch die Meinung, mir hilft ja eh niemand. Dem ist nicht so.


Für die vorgenannten Fälle gibt es immer noch die Option des so genannten Beratungshilfescheines. Dieser wird vom zuständigen Amtsgericht des Wohnortes erteilt, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die Voraussetzungen hierfür können im Allgemeinen beim Amtsgericht erfragt werden. In den meisten Fällen sind diese auch auf der Internetseite des jeweiligen Amtsgerichtes erläutert. Viele Ratsuchende im Bereich des Sozialrechts, insbesondere bei Bezug von Bürgergeld oder Leistungen nach dem SGB XII werden die Voraussetzungen für eine entsprechende Erteilung eines Beratungshilfescheins erfüllen. Es lohnt sich daher beim Amtsgericht einen entsprechenden Antrag prüfen zu lassen und dann nach Erhalt des Scheines einen Beratungstermin mit dem Anwalt zu vereinbaren.


Grundsätzlich empfehlen wir, einen solchen Antrag vorab beim Amtsgericht zu stellen und erst dann mit dem erteilten Beratungshilfeschein beim Anwalt vorzusprechen. Ohne Vorlage des Beratungshilfescheines ist der Anwalt nicht verpflichtet, eine Beratung durchzuführen. Im Falle der Erteilung des Beratungshilfescheines kann der Anwalt dann, wenn auch zu einem weit geringeren und meist nicht kostendeckenden Satz, mit dem Amtsgericht abrechnen.


Falls ein weiteres Vorgehen des Anwaltes gegenüber der Behörde notwendig ist, zum Beispiel die Einlegung eines Widerspruchs oder Einspruchs oder gar die Erhebung einer Klage, so kann dies teilweise noch vom Beratungshilfeschein umfasst sein. Im Falle einer Klage muss in jedem Fall ein sogenannter Prozesskostenhilfeantrag gestellt werden. Soweit dieser bewilligt wird, werden die Kosten der anwaltlichen Tätigkeit für das Klageverfahren vom Staat übernommen. Unter Umständen müssen in diesem Fall allerdings die Kosten zu einem späteren Zeitpunkt zurückgezahlt werden, insbesondere für den Fall, falls mit einer Besserung der finanziellen Situation zu rechnen ist.


Wichtig in diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass der Ratsuchende gegebenenfalls auch die Hilfe des VdK oder ähnlicher Verbände (z.B. Beistand von Gewerkschaften o.ä.) in Anspruch nehmen muss, falls eine entsprechende Mitgliedschaft besteht. Hier gilt der Grundsatz der Subsidiarität, d. h. der Staat tritt nur ein bzw. geht in Vorleistung, wenn keine anderweitige Hilfe in Anspruch genommen werden kann


Im Rahmen der meisten sozialrechtlichen Angelegenheiten (nicht immer!) ist der Gegner, meist die Behörde, dazu verpflichtet, im Falle der Stattgabe des Widerspruchs oder der Klage die Kosten des Anwaltes zu übernehmen. In diesem Fall wird daher der Anwalt dann von der Behörde selbst unter Berücksichtigung der jeweils geltenden Gebühren nach dem RVG, vergütet.


4. Ergebnis: Jeder hat das Recht auf einen rechtlichen Beistand


Im Ergebnis bedeutet dies, dass jeder Ratsuchende dem Grunde nach die Möglichkeit hat, eine anwaltliche Beratung und anschließende Vertretung durch den Anwalt in Anspruch zu nehmen. Entweder hat der Ratsuchende die Kosten selbst zu tragen oder diese werden ggf. von einer bestehenden Rechtschutzversicherung übernommen. Soweit die Voraussetzungen vorliegen, werden die Kosten durch den Beratungshilfeschein gedeckt bzw. im Falle einer Klage von der Staatskasse übernommen.


Sollten Sie ein Problem im Bereich des Sozialrechts haben, so stehen wir Ihnen gerne für eine Beratung und gegebenenfalls weitere Tätigkeit zur Verfügung. Wir klären mit Ihnen zusammen die Kostenfrage im konkreten Fall und prüfen das Kostenrisiko anhand der Erfolgsaussichten des weiteren Tätigwerdens. Sprechen Sie uns gerne an.


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