Wenn der Azubi meint, der Job sei „dämliche Scheiße“

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Das Landesarbeitsgericht Hamm hat als Obergericht am 10.10.2012 unter dem Az. 3 Sa 644/12 entschieden, dass die Äußerungen eines Auszubildenden über seinen nicht namentlich genannten Arbeitgeber auf der Internetplattform „Facebook", dieser sei ein „Menschenschinder" und „Ausbeuter" und die zu verrichtende Arbeit sei „dämliche Scheiße" einen Grund für eine rechtswirksame außerordentliche, d.h. fristlose, Kündigung darstellen können.

Im Einzelnen hatte der Azubi folgende Äußerungen in seinem Facebook-Profil getätigt:

  • „Arbeitgeber: menschenschinder & ausbeuter
  • Leibeigener ?? Bochum
  • daemliche scheisse fuer mindestlohn - 20 % erledigen"

Daraufhin hatte der Arbeitgeber das Ausbildungsverhältnis fristlos gekündigt. Der hiergegen klagende Azubi meinte, dies sei nicht gerechtfertigt, da er den Arbeitgeber nicht genannt hatte und auch nicht, dass er Azubi sei. Die Äußerungen seien keine Beleidigung, Schmähung oder Angriff auf die Menschenwürde, da diese übertrieben und lustig gemeint wären. Außerdem ergebe der Kontext des Profils, dass dies nicht ernst zu nehmen sei. Im Übrigen berief sich der Azubi auf die Meinungsfreiheit, wobei er sich wunderte, dass der Arbeitgeber überhaupt auf das Profil aufmerksam geworden sei. Der Arbeitgeber geht dagegen von einer Beleidigung aus und einer Überschreitung der Meinungsfreiheit aus. Auch habe der Azubi ihm mitgeteilt, dass er auf Facebook über seine Arbeit berichte.

Die Klage des Azubi hatte erstinstanzlich Erfolg. Das Arbeitsgericht ging davon aus, dass zunächst eine Abmahnung hätte erfolgen müssen. Dies gleichwohl die Einträge in der Rubrik Arbeitgeber erfolgten und somit nicht in einem privaten Chat. Es sei jedoch so, dass viele Einträge im Profil nicht ernst gemeint seien.

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat die Klage des Azubi letztlich verworfen und die Kündigung bestätigt. Im Grundsatz gelten für die außerordentliche Kündigung eines Azubis die gleichen inhaltlichen Anforderungen wie bei einem regulären Arbeitnehmer. Hierzu führt das Landesarbeitsgericht Hamm aus: „Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten ist dabei in der Regel dann berechtigt, wenn eine Vertragspflicht, in der Regel schuldhaft, in erheblicher Weise verletzt wird, das Vertragsverhältnis hierdurch konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung nicht gegeben ist und die Beendigung des Vertragsverhältnisses unter Abwägung der beiderseitigen Interessen billigenswert und angemessen erscheint. Es gilt dabei das Prognoseprinzip; eine Kündigung ist keine Sanktion für vergangene Pflichtverletzungen, sondern Vermeidung des Risikos weiterer Verletzungen, so dass sich die Pflichtverletzung auch künftig noch auswirken muss, vgl. insoweit zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses BAG, 13.12.2007, EzA KSchG § 4 n.F. Nr. 82."

Wegen § 10 Abs. 2 BBiG muss auch der Azubi auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers Rücksicht nehmen und die geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers im zumutbaren Umfang wahren. Zwar ist der Azubi zu Kritik am Arbeitgeber in gewissem Umfang berechtigt, jedoch sind die Äußerungen des Azubi vorliegend unverhältnismäßig und überlegt erfolgt. Sie stellen eine grobe Beleidigung im rechtlichen Sinne dar, da diese massiv ehrverletzend und gehäuft vorliegen. Es macht hierbei keinen Unterschied, dass diese nicht mündlich geäußert wurden, sondern über das Internet. Die übrigen Äußerungen auf der Facebookseite des Azubi können überwiegend nicht als Darstellungen einer Fantasiewelt verortet werden. Es ist nicht erkennbar, wieso die Äußerungen zum Arbeitgeber einen Witz darstellen sollen, da hier allgemein feststehende Begrifflichkeiten verwendet werden.

Auch hilft dem Azubi nicht die Meinungsfreiheit zum Recht, da Schmähungen und Formalbeleidigungen vorliegen und die berechtigten Belange des Arbeitgebers entgegenstehen. Eine Straftat im strafrechtlichen Sinne ist grundsätzlich für diese Bewertung nicht erforderlich.

Die nicht namentliche Nennung des Arbeitgebers ist letztlich unerheblich, da dieser von den Äußerungen Kenntnis nehmen konnte, wie auch Freunde und Bekannte des Azubis wissen dürften, wo dieser seine Ausbildung erhält. Auch Geschäftspartner des Arbeitgebers könnten aufgrund der allgemeinen Zugänglichkeit der Seite auf die Äußerungen aufmerksam werden.

Bei der Interessenabwägung, die zugunsten des Arbeitgebers ausfiel, wurde berücksichtigt, dass das Ausbildungsverhältnis noch zwei Jahre angedauert hätte, die Äußerungen nicht im Rahmen einer verbalen Auseinandersetzung als überzogene Unmutsäußerung zu werten sind, da diese über Monate aufrechterhalten worden waren und der Azubi hiermit eine Gefahr für die geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers begründet hat, die unzumutbar war.

Einer Abmahnung bedurfte es nicht, da ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten vorliegt. Der Azubi musste ohne weiteres erkennen, dass seine Handlungsweise rechtswidrig ist und eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Erschwerend kam hinzu, dass der Azubi den Arbeitgeber nicht direkt mit den Äußerungen konfrontiert hat, so dass dieser dem hätte entgegentreten können. Die Pflicht des Arbeitgebers zur charakterlichen Förderung des Auszubildenden steht der fristlosen Kündigung im vorliegenden Fall nicht entgegen.

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat am 15.03.2013, Az. 13 Sa 6/13, ebenfalls eine fristlose Kündigung eines Angestellten bestätigt, der über das Internet, u.a. Facebook, die Äußerung per Video verbreitete, dass im Betrieb des Arbeitgebers sich keine Fachkräfte fänden, was unzutreffend war.

Rodgau, 21. Juni 2013

Rechtsanwalt Frederik Neumann


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