Werkvertragsrecht: Verzug der Fertigstellung – Schwierigkeiten des Handwerkers, Material zu bekommen

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Seit einigen Monaten hört man verstärkt von Schwierigkeiten, die Handwerker damit haben, rechtzeitig die für die Fertigstellung eines Gewerks (z.B. die Ausführung einer Dacheindeckung mit Regenabläufen) erforderlichen Materialien zu bekommen. Auf den Fertigstellungsverzug angesprochen, hört man nahezu stereotyp die Antwort, dass es Materiallieferengpässe gäbe, für welche der Großhandel oder Störungen auf dem Transportwege ursächlich seien. Für derartige Probleme jedoch könne der Handwerker nicht einstehen.

Handwerksbetriebe muss man allerdings an dieser Stelle darauf hinweisen, dass sie sich mit dieser Aussage nicht davon befreien können, für die Folgen einer verspäteten Fertigstellung der von ihnen geschuldeten Leistung einstehen zu müssen. Sei es, den Verzögerungsschaden und/oder die Mehrkosten, die Folgehandwerker infolge der verspäteten Fertigstellung fordern, bezahlen zu müssen.

Die Tatsache, dass die Lieferschwierigkeiten einhergehen mit zum Teil heftigen Preissteigerungen, vergrößern die für Handwerksbetriebe bestehende Haftungsproblematik in erheblicher Weise.


Um was geht es bei dieser Haftung?

Es geht um Schadensersatz wegen Verzuges. Diese Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz greift immer dann, wenn auf Seiten des Handwerkers Verschulden vorliegt.

Rechtlich stellt sich damit die Frage, ob es ein Verschulden des Handwerkers darstellt, wenn Lieferschwierigkeiten - aus welchem Grunde - auch immer auftreten.


Nach ständiger Rechtsprechung ist hierbei von Folgendem auszugehen:

Handelt es sich bei dem Material, welches nicht rechtzeitig beschafft werden kann um eine Gattungsschuld, trifft den Handwerker in vollem Umfange die Haftung.

Von einer Gattungsschuld spricht man, wenn nicht konkrete Einzelstücke geschuldet werden, sondern beispielsweise 50 m² eines bestimmten Materials. Wer zum Beispiel eine Dacheindeckung aus Betondachsteinen beim Handwerker beauftragt hat, sucht sich nicht ganz bestimmte Einzelstücke aus, die auf sein Dach aufgebracht werden sollen, sondern er nennt die Fläche gegebenenfalls noch die Farbe der gewünschten Dachziegel. In solchen Fällen spricht man von einer Gattungsschuld. Für den Besteller ist es also letzten Endes nebensächlich, welche Einzelziegel auf das Dach kommen, er will lediglich eine bestimmte Fläche von Ziegeln, die nach ihrer Art bezeichnet sind (Beton, Farbe etc.) geliefert bekommen.

Bei derartigen Gattungsschulden liegt nach der Rechtsprechung das sogenannte Beschaffungsrisiko in vollem Umfang beim Auftragnehmer, im Beispielsfalle also bei dem Dachdecker. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass es einem Dachdecker möglich ist, sich so rechtzeitig mit dem erforderlichen Material einzudecken, dass er pünktlich liefern kann. Der Handwerker kann auch im Verhältnis zum Bauherrn entsprechende Absprachen treffen, denen zur Folge er nur dann zu einem bestimmten Zeitpunkt seine Arbeit fertigstellen kann, wenn er genügend Material geliefert bekommt.

Vereinbart ein Handwerker also nicht derartige „Sicherheiten“ läuft er in voller Höhe in das Beschaffungsrisiko und muss in vollem Umfange für den Verzugsschaden haften. Ein Ergebnis, welches sich bei entsprechender Vorsorge bzw. vertraglicher Gestaltung durchaus vermeiden ließe.


Finn Streich
Streich & Kollegen Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

Foto(s): @pixabay.com


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