Wie geht es weiter mit den Ansprüchen auf verfassungsmäßige Besoldung von kinderreichen Beamtinnen und Beamter?

  • 2 Minuten Lesezeit

Das Bundesverfassungsgericht hat am 04.05.2020 zu den Az.: 2 BvL 6/17, 2 BvL 7/17 und 2 BvL 8/17 beschlossen, dass die Besoldungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen von Richtern und Staatsanwälten der Besoldungsgruppe R 2 mit drei und mehr Kindern verfassungswidrig sind, soweit sie die Jahre 2013 bis 2015 betreffen. Die Besoldung, die auf diese Vorschriften gestützt wurde, ist verfassungswidrig zu niedrig bemessen gewesen. In Reaktion darauf hat der Berliner Besoldungsgesetzgeber die „familienbezogene“ Besoldung ab 2021 beträchtlich erhöht und damit das Bestehen eines verfassungswidrigen Zustandes bis zur Korrektur inzident eingeräumt.


Alimentationsprinzip verpflichtet den Besoldungsgesetzgeber nebst Richtern und Beamten auch ihre Familien angemessen zu alimentieren


Richter und Beamte erfüllen ihre Dienstpflichten unter dem Einsatz ihrer ganzen Persönlichkeit. So wird schon nur ernannt, wer nebst seiner fachlichen und gesundheitlichen Eignung auch seine charakterliche Eignung unter Beweis stellen kann. Einmal ernannt, sind Richter und Beamte dem Dienstherrn grundsätzlich auf Lebenszeit zur Treue verpflichtet. Hierfür erhalten sie eine „reguläre“ Besoldung, die ihnen eine über die Befriedung von Grundbedürfnissen hinausgehende und ihrem Amt angemessene Lebensführung ermöglichen soll. Indem Richter und Beamte so rechtlich und wirtschaftlich abgesichert werden, wird gleichzeitig das Allgemeininteresse an ihrer fachlichen Qualität, Unparteilichkeit und Rechtsstaatlichkeit gewahrt. Zu dieser „regulären“ Besoldung tritt die „familienbezogene“ Besoldung hinzu. Entsprechend dem grundgesetzlich verankerten Alimentationsprinzip und im Einklang mit dem Sozialstaatlichkeitsprinzip und Art. 6 Grundgesetz sollen Richter und Beamte nicht an ihrer Lebensführung einbüßen, während sie ihre Familien unterhalten.


„Familienbezogene“ Besoldung hat mit drittem und jedem weiteren Kind um 15% des grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes zu steigen


In ständiger Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht die Rechtmäßigkeit der Besoldung eines verheirateten Richters bzw. Beamten mit zwei unterhaltsberechtigten Kindern festgestellt. So zieht es diese Besoldungshöhe als Bezugsgröße zur Feststellung der Grenze der Unteralimentation eines verheirateten Richters bzw. Beamten mit drei und mehr unterhaltsberechtigten Kindern heran. In diesem Sinne erachtet es eine „familienbezogene“ Besoldung von mindestens 15% über dem grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarf eines Kindes für das dritte und jedes weitere Kind als angemessen. Verbleibt die Besoldung jedoch hinter diesen Vorgaben, so muss zur Familienunterhaltung auf die „reguläre“ Besoldung zurückgegriffen werden. Kinderreiche Richter und Beamte werden somit rechtlich und tatsächlich schlechter gestellt als ihre kinderärmeren Kollegen, deren „familienbezogene“ Besoldung zur Unterhaltung ihrer Familien ausreicht. Hierin liegt der Verfassungsverstoß.


Fazit


Der Berliner Besoldungsgesetzgeber hat die „familienbezogene“ Besoldung unmittelbar nach dem nordrhein-westfälischen Beschluss zum 01.01.2021 entsprechend den verfassungsgerichtlichen Vorgaben erhöht und damit selbst das Bestehen eines verfassungswidrigen Zustandes bis zu diesem Zeitpunkt inzident eingestanden. Eine Korrektur für die Vergangenheit ist indes nicht erfolgt. Beamtinnen und Beamten, die Widersprüche in den laufenden Haushaltsjahren bis 2021 erhoben haben, ist nun zu empfehlen, ihre Ansprüche mittels Untätigkeitswiderspruch bzw. klageweise geltend zu machen (Mitgeteilt und bearbeitet von Rechtsanwalt Jan General und stud. iur. Irem Karadag).


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Jan General

Beiträge zum Thema