Wie werde ich den falschen Anwalt los? Wissenswertes zum Verteidigerwechsel

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Der Verteidiger ist der parteiische, nur den Interessen seines Mandanten verpflichtete Garant für prozessuale Waffengleichheit im Strafverfahren. Zugleich ist er als Rechtsanwalt ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. Hierin liegt kein Widerspruch, denn unabhängig bedeutet schlicht, dass der Rechtsanwalt nicht in den Apparat des Strafverfahrens aus Staatsanwaltschaft, Ermittlungsbeamten und Gerichten eingebunden ist, sondern ihm aufseiten des Mandanten gegenübertritt.

Gefährdet ist die so verstandene Unabhängigkeit aber dann, wenn ein Rechtsanwalt wirtschaftlich darauf angewiesen ist, immer wieder von denselben Richtern als Pflichtverteidiger „empfohlen“ und beigeordnet zu werden. Das Problem tritt insbesondere auf, wenn ein Rechtsanwalt zwar vorrangig im Strafrecht tätig ist, seinen – in der Regel überschaubaren – Gerichtsbezirk aber prinzipiell nicht verlässt.

Als auswärtiger Kollege staunt man bisweilen, was ortsansässige Anwälte – darunter bedauerlicherweise auch Fachanwälte für Strafrecht – unter „Verteidigung“ verstehen: Die Hauptverhandlung wird ohne Aktenkenntnis schlicht abgesessen, es werden keinerlei Anträge gestellt, keine Erklärungen abgegeben, keine Fragen des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft beanstandet. Dementsprechend irritiert – um nicht zu sagen: beleidigt – sind Richter und Staatsanwälte, durchbricht man dieses Trauerspiel zugunsten seines Mandanten. Doch oft kann nur so – nachdem sich der Unmut über die ersten umfangreichen Beweisanträge oder Befangenheitsgesuche gelegt hat – der Weg in ein Rechtsgespräch und zu einem für alle akzeptablen „Deal“ geebnet werden.

Findet man sich als Angeklagter erst neben einem örtlichen Verurteilungsbegleiter in der Hauptverhandlung wieder, ist es meist zu spät. Der eigene Anwalt sollte daher mit Bedacht gewählt werden. Häufig bemerken Beschuldigte jedoch bereits im Ermittlungsverfahren, dass sie von ihrem bisherigen Anwalt keine engagierte Verteidigung zu erwarten haben. In diesem Beitrag erklärt Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel, was es bei einem Wechsel des Verteidigers im laufenden Strafverfahren zu beachten gilt.

Vorüberlegungen

Vorab: Nicht immer löst der Wechsel des Verteidigers alle Probleme. Sind Sie mit Ihrem bisherigen Verteidiger unzufrieden, suchen Sie das offene Gespräch und lassen Sie sich die Verteidigungsstrategie erklären. Haben Sie bereits einen möglichen Nachfolger des vermeintlich falschen Verteidigers auserkoren, fragen Sie ihn vor der Mandatierung, was in Ihrem Fall aus seiner Sicht zu tun wäre. So vermeiden Sie Enttäuschungen und unnötige Kosten.

Wechsel des Wahlverteidigers

Sind Sie unzufrieden mit Ihrem Verteidiger und ist dieser Ihnen nicht durch das Gericht als Pflichtverteidiger bestellt worden, können Sie das Mandat ohne weiteres kündigen. Scheuen Sie diese Kündigung, sollten Sie hiermit Ihren neuen Verteidiger beauftragen. Wie Ihr bisheriger Verteidiger eine solche Kündigung beurteilt, darf weder Sie noch Ihren neuen Verteidiger interessieren: Im Strafverfahren muss – jedenfalls bis zur Akteneinsicht – rasch gehandelt werden. Unklare Verteidigungsverhältnisse sind da fehl am Platze.

Zudem kann ein Beschuldigter mehrere Verteidiger gleichzeitig haben. Je nach Vereinbarung mit Ihrem bisherigen Verteidiger entstehen daher weitere Kosten, bis das Mandat gekündigt ist. Haben Sie keine Vergütungsvereinbarung getroffen, schulden Sie die gesetzlichen Gebühren. Bei Ihrem alten Verteidiger sind die Gebühren für das Ermittlungsverfahren bereits entstanden. Bei ihrem neuen Verteidiger entstehen sie nochmals. Ein Wechsel des Verteidigers ist daher zwar mit Mehrkosten verbunden. Doch selbst wenn diese im niedrigen vierstelligen Bereich liegen, ist das Geld in aller Regel gut investiert: Was Sie bei beim Verzicht auf den erforderlichen Verteidigerwechsel einsparen, büßen Sie schlimmstenfalls bei einer Verurteilung mehrfach wieder ein!

Wechsel des Pflichtverteidigers

Etwas schwieriger, aber keineswegs unmöglich ist der Wechsel eines Pflichtverteidigers. Die Voraussetzungen der Pflichtverteidigung finden Sie hier.

Typisch sind folgende zwei Konstellationen: Sie haben auf Vorschlag des Gerichts bei der Eröffnung eines Haftbefehls den falschen Anwalt gewählt, der Ihnen sogleich als Pflichtverteidiger bestellt wurde. Oder: Sie haben aus Zeitdruck vorschnell den falschen Anwalt mandatiert, der sogleich mit Erfolg seine Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt hat.

Auch der Pflichtverteidiger hat bereits Gebührenansprüche erworben. Doch anders als der Wahlverteidiger rechnet er nicht gegenüber Ihnen, sondern gegenüber der Staatskasse ab. Soll Ihnen ein neuer Pflichtverteidiger bestellt werden, muss dieser gegenüber dem Gericht versichern, dass der Staatskasse durch den Verteidigerwechsel keine Mehrkosten entstehen werden. Im Klartext: Er muss auf die bisher entstandenen Pflichtverteidigergebühren verzichten. Dies wird er nur machen, wenn er insoweit von Ihnen eine Bezahlung erhält.

Insbesondere wird ein seriöser Verteidiger sich nicht darauf verlassen, dass er sein Geld dann eben im Laufe einer langen Hauptverhandlung verdienen kann: Eine langwierige Hauptverhandlung wird er oftmals zu Ihren Gunsten verhindern können. Dies darf selbstredend nicht zum Verlustgeschäft werden. In diesem Zusammenhang besteht jedoch ein weiteres Problem: Der bisherige Verteidiger muss dem Wechsel zustimmen. Gerade in Verfahren, in denen es zu einer ausgedehnten Hauptverhandlung kommen könnte, verwehren fragwürdige Kollegen diese Zustimmung, denn (auch) die (Un-)Tätigkeit in der Hauptverhandlung wird nach der Anzahl der Hauptverhandlungstermine vergütet.

Ohne Zustimmung wird der bisherige Verteidiger nur entpflichtet, wenn Ihr Vertrauensverhältnis zu ihm nachhaltig und endgültig zerstört ist. Dies müssen Sie gegenüber dem Gericht anhand konkreter Tatsachen darlegen und glaubhaft machen. Die Anforderungen der Rechtsprechung für diesen Vortrag sind hoch. Sie sollten daher auch über dieses heikle Thema das Gespräch mit Ihrem neuen Verteidiger suchen.


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