Zahlen die Kommunen zu viel aufgrund fehlerhafter Zinsabrechnungen?

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Während der Bund im Jahr 2015 einen kräftigen Haushaltsüberschuss erwirtschaftete und auch für 2016 von einem deutlichen Überschuss ausgeht, sieht es bei vielen Kommunen in den Haushaltskassen eher mau aus. Zur Deckung des Haushaltsbedarfs der Gemeinde dienen auch und insbesondere die sogenannten „Kassenkredite“. Aufgrund ihrer kommunalen Sonderstellung sind sie bei den Kämmerern der Gemeinde zum Überbrücken von Liquiditätsengpässen sehr beliebt. Dementsprechend warnte der Deutsche Städtetag bereits 2007 vor einer Explosion der Kassenkredite von insgesamt 1,2 Milliarden Euro im Jahr 1992 auf 28,4 Milliarden im Jahr 2007 und mittlerweile über 50 Milliarden im Jahr 2015.

Was ist ein sogenannter Kassenkredit?

Der Kassenkredit wird von den Banken und dem Zivilrecht im Allgemeinen als „ganz normaler“ Darlehensvertrag eingeordnet. Im Regelfall wird der Kredit in Form eines Kontokorrentkredits mit variabler Zinsanpassung gewährt. Diese rechtliche Konstruktion ist vergleichbar mit dem in der Wirtschaft üblichen Betriebsmittelkredit.

Aufgrund der ausgreifenden Nutzung der Kassenkredite kommt es immer öfter vor, dass die Kreditlinie nicht zum Ende eines Haushaltsjahrs zurückgeführt werden kann. Daraus resultiert ein Sockelkreditbetrag im nächsten Haushaltsjahr. Diese Beträge summieren sich im ungünstigsten Fall auf, sodass die Gemeinde konstant gezwungen ist, die Darlehenszinsen zu zahlen.

Wann zahlen die Kommunen zu viel Zinsen?

Wenn nun die Zinsklausel im Vertrag mit der Bank rechtlich unzulässig ist, kann es passieren, dass die Banken der jeweiligen Gemeinde Zinsen berechnet, die sie gar nicht abrechnen darf. Es kommt zu den berüchtigten fehlerhaften Zinsabrechnungen. Dies ist immer dann der Fall, wenn die darlehensgebende Bank die Zinsen bei steigenden Refinanzierungskosten erhöht, sie aber nicht äquivalent bei fallenden Refinanzierungskosten senkt. In diesem Fall beansprucht die Bank rechtswidrig Zinsen für sich. Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase und vielerorts verwendeter fehlerhafter Zinsanpassungsklauseln, kann man mit Fug und Recht von einem flächendeckenden Problem sprechen. Die variable Zinsanpassungsklausel ist in vielen Fällen rechtswidrig, was zu massiv niedrigeren abrechenbaren Zinsen führt, als die Bank tatsächlich abrechnet. Mit anderen Worten: Die Banken machen Profit auf Kosten der Gemeinden, ohne dass sie hierzu eine rechtliche Grundlage haben. Die anhaltende Niedrigzinsphase führt zu äußerst billigem Geld für die Banken, also sehr günstigen Refinanzierungsmöglichkeiten. Diese günstigen Konditionen geben die Banken jedoch nicht an ihre Kunden weiter. Hier entstehen schon bei mittelständischen Unternehmen schnell rückforderbare Beträge im fünf- bis sechsstelligen Bereich. Aufgrund der deutlich höheren Kreditlinien des öffentlichen Sektors ist davon auszugehen, dass die Banken sich um Millionen- und Milliardenbeträge an den ohnehin finanziell gebeutelten Gemeinden rechtswidrig bereichern. Finanzmittel, welche die Gemeinden zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen gut gebrauchen können.

Woran erkennen die Kommunen fehlerhafte Zinsabrechnungen?

Das Erkennen einer fehlerhaften Zinsanpassungsklausel und einer darauf aufbauenden fehlerhaften Zinsabrechnung kann sich für die Rechtsämter der Gemeinden oder ihrem Kämmerer schwierig gestalten und ist ohne Unterstützung einer spezialisierten anwaltlichen Beratung sowie einem zertifizierten Zinssachverständigen in den meisten Fällen wohl kaum möglich.

Nur der spezialisiert arbeitende Anwalt kann der Gemeinde die Antwort geben, ob die Zinsanpassungsklausel den gesetzlichen Vorgaben entspricht oder soweit von ihnen abweicht, dass sie rechtswidrig ist.

Warum wird die Hilfe von Rechtsanwalt und Zinssachverständigem benötigt?

Eine fehlerhafte Vertragsklausel bedeutet hingegen nicht automatisch, dass die Zinsen tatsächlich auch fehlerhaft abgerechnet wurden. Hier benötigt der Rechtssuchende (oder die rechtssuchende Gemeinde) die Arbeit eines Sachverständigen. Er prüft die abgerechneten Zinsen anhand der jeweiligen Zinsmarktstatistiken und gibt Auskunft, ob die Zinsen korrekt abgerechnet wurden, oder wie hoch die Überzahlungen waren. Erst mittels dieses Gutachtens kann der Anwalt dann eine qualifiziertes anspruchsbegründendes Schreiben oder eine substantiierte Klage verfassen.

Alles was der Laie, auch der rechtlich vorgebildete Laie, in der Regel tun kann, ist die Entwicklung eines gesunden Misstrauens gegenüber seiner Bank. Sobald es so ist, dass die Zinsen steigen, wenn der Leitzins steigt, aber nicht fallen, wenn der Leitzins fällt, ist es an der Zeit, eine spezialisierten Anwalt aufzusuchen. Weiterhin sollte der Laie immer dann hellhörig werden, wenn in der Zinsanpassungsklausel die Worte „billiges Ermessen“ auftauchen. Dies deutet in der Regel auf eine fehlerhafte Klausel hin.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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