Zu hoher Spritverbrauch – Das sollten Sie beachten

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Nicht erst der VW-Abgas-Skandal hat uns gelehrt, ein gesundes Misstrauen gegen die Angaben der Automobilhersteller zu hegen. 

Herstellerangaben entsprechen oft nicht dem tatsächlichen Spritverbrauch

In der Praxis hat es sich als weithin bekannt erwiesen, dass die Angaben der Hersteller hinsichtlich des tatsächlichen Spritverbrauchs nicht dem tatsächlichen Verbrauch entsprechen. Durchschnittlich ein Drittel höher als von den Herstellern angegeben soll der tatsächliche Spritverbrauch vieler Autos liegen, wie dies eine Untersuchung der International Council of Clean Transportation (ICCT) ergeben hatte. Den Autoren dieser Studie zufolge hat ein durchschnittlicher Autofahrer deswegen jährliche Mehrkosten hinsichtlich des Kraftstoffes von rund 450,00 €. 

Zu hoher Verbrauch stellt Sachmangel dar

Eine Abweichung des Soll-Verbrauchs vom tatsächlichen Ist-Verbrauch stellt jedoch nach der Rechtsprechung einen Sachmangel dar und berechtigt unter bestimmten Voraussetzungen zum Rücktritt oder Minderung des Vertrages. 

Verbraucht ein Neuwagen mehr als 10 % mehr an Kraftstoff als vom Hersteller angegeben, stellt dies einen Sachmangel dar. In diesem Sinne entschied bereits der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 08.05.2007, Az. VIII ZR 19/05. Dieser Rechtsprechung angeschlossen hat sich, neben vielen anderen Gerichten, auch das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 07.02.2013, Az. 28 U 94/12. 

Auch das Landgericht Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 30.08.2016, Az. 15 O 425/13 entschieden, dass eine Abweichung des tatsächlichen Spritverbrauchs zu den vom Hersteller gemachten Angaben betreffend den Spritverbrauch bei einem Neufahrzeug von mehr als 10 % einen Sachmangel darstellt und somit zur Kündigung/Minderung berechtigt.

Zwar weist das Landgericht Düsseldorf darauf hin, dass die Parteien die Angaben des Herstellers aus dem Herstellerprospekt nicht zwangsläufig als „Beschaffenheit“ i. S. d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbart hätten. Jedoch stellen diese Angaben zum Kraftstoffverbrauch des jeweiligen Neufahrzeugs zumindest „öffentliche Äußerungen“ dar. Dies hat zur Folge, dass die „gewöhnliche Beschaffenheit des Wagens“ i. S. des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB durch diese Angaben mitbestimmt wird (vgl. LG Bochum, Urteil vom 12.04.2012, Az. 4 O 250/10). 

Das Gericht machte auch darauf aufmerksam, dass ein verständiger Käufer grundsätzlich wisse, dass die tatsächlichen Verbrauchsangaben Verbrauchswerte von zahlreichen Einflüssen (wie z. B. der Klimaanlage etc.) und der individuellen Fahrweise abhänge und deshalb nicht mit den Herstellerangaben gleichgesetzt werden könne. Diese Herstellerangaben beruhen nämlich auf standardisierten Messverfahren. Nichts desto trotz kann der Käufer jedoch erwarten, dass die im Prospekt gemachten Werte unter Testbedingungen reproduzierbar sind. 

Verbrauchswert um mehr als 10 Prozent überschritten

Danach sei eine erhebliche Pflichtverletzung dann anzunehmen, wenn der im Verkaufsprospekt angegebene kombinierte Verbrauchswert um mehr als 10 Prozent überschritten wird (BGH, Beschluss vom 08.05.2007, Az. VIII ZR 19/05, NJW 2007, 20111; OLG Hamm, Urteil vom 07.02.2013, Az. I-28 U 94/12, Urteil vom 09.06.2011, Az. I-28 U 12/11; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 22.12.2011, Az. 25 U 162/10. Diese Grenze von 10 Prozent sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zunächst praktikabel und auch zugleich trägt sie in Zeiten steigender Kraftstoffpreise, erhöhten Umweltbewusstseins und des hohen technischen Standards der heutigen Automobilproduktion verstärkte Bedeutung des Kraftstoffverbrauchs Rechnung, ohne allzu kleinliche Gewährleistungswünsche der Käuferseite Vorschub zu leisten (BGH, Urteil vom 16.06.1997, Az. VIII ZR 52/96, NJW 1997, 2590 [2591]). 

Frist zur Nacherfüllung

Zunächst ist den Vorschriften des Kaufrechtes zu entnehmen, dass dem Verkäufer ein Recht zur sogenannten zweiten Andienung zusteht. Dies bedeutet, dass der Käufer dem Verkäufer eine Frist setzten muss, innerhalb dieser die Möglichkeit hat, diesen Mangel zu beheben – die sogenannte Nacherfüllung. In vorliegenden Konstellationen kommt die Nacherfüllung durch Nachbesserung in Betracht. Dies bedeutet, der Verkäufer muss durch geeignete Maßnahmen wie z. B. ein Softwareupdate der Motorsteuerung vornehmen, um dadurch den Kraftstoffverbrauch zu senken. 

Rücktritt vom Vertrag oder Minderung des Kaufpreises

Gelingt dies nicht, scheitert die Nacherfüllung und der Käufer kann nach seinem Willen vom Vertrag zurücktreten oder die Minderung des Kaufpreises verlangen. 

Akzeptiert der Verkäufer den Rücktritt, muss der Käufer für die bereits gefahrenen Kilometer Ersatz leisten. Dies richtet sich nach dem Landgericht Düsseldorf nach folgender Formel: 

(Kaufpreis x gefahrene Kilometer) / zu erwartende Gesamtleistung

In diesem Zusammenhang sind jedoch noch die Benzinkosten beachtlich. Dies wird in den meisten Fällen übersehen. Insoweit gilt: 

Wer während der Nutzungszeit eines solchen Fahrzeuges mehr Kraftstoff verbraucht, als vom Hersteller angegeben worden ist, kann diesbezüglich Schadensersatzansprüche geltend machen. 

Neuwagen vs. Gebrauchtwagen

Diese dargestellte Rechtsprechung gilt insoweit ausschließlich für Neufahrzeuge. Sie kann nicht pauschal auf Gebrauchtfahrzeuge übertragen werden. Beim Gebrauchtwagenkauf ist ein Sachmangel hinsichtlich des Kraftstoffverbrauchs nur dann möglich, wenn der Verkäufer selbst einen bestimmten Verbrauch garantiert hat. Auf die Herstellerangaben kommt es insoweit nicht an. Die Abweichung des Ist-Verbrauchs vom Soll-Verbrauch bezieht sich hierbei auf die garantierten Angaben des Verkäufers.

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