Zum falschen Libor-Referenzsatz aus der Sicht des amerikanischen Rechts

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Von dem falschen Libor-Referenzzinssatz können Darlehens- und Kreditverträge betroffen sein, ebenso komplexe Konstruktionen wie Swaps. Rechtsanwalt & Attorney-at-Law Helge Naber, 300 Central Avenue Suite 320 in Great Falls, Montana, USA, informiert dazu wie folgt:

LIBOR-Bestimmung nach dem Prinzip der redlichen Berichtserstattung

Die LIBOR-Rate („LondonInterBankOfferedRate") ist ein Referenzzinssatz, zu welchem Zinssatz sich Banken untereinander kurzfristig unbesicherte Barmittel zu verleihen bereit sind. Er wird von der British Bankers' Association („BBA") werktäglich um 11:00h morgens Londoner Zeit auf Basis freiwilliger Meldungen von rund 200 Mitgliedsbanken ermittelt und dann täglich um 11:30h veröffentlicht. Er reflektiert den durchschnittlichen Preis, für den Banken bereit sind, sich untereinander kurzfristig Bargeld ohne Besicherung zu leihen.

LIBOR bestimmte Verbraucherkreditpreise

Die LIBOR-Rate hat für den kurzfristigen Geldhandel, die internationalen Finanzmärkte, den Derivatenhandel, aber auch für Kleinanleger erhebliche Bedeutung, weil die Verzinsung, die Rentabilität und der Wert von Finanzprodukten wie z.B. Futures, Optionen, Swaps und andere Derivate, für die es keinen geregelten Markt gibt, von ihr abhängen. Besonders gravierende Bedeutung hatte die LIBOR-Rate für Verbraucherkreditverträge, Hypothekendarlehen, Kreditkartenverträge, Studentendarlehen, Bausparverträge und sogar „Riester"-Zusatzsparverträge, weil in solchen Verträgen oftmals ein variabler Zins ausbedungen wurde, der die LIBOR-Rate plus einer Festzinskomponente als Grundlage hatte (sog. „LIBOR+ Verträge").

Funktion des LIBOR wegen höherer Boni missbraucht

Im unregulierten Markt jedenfalls gilt, je höher eine Bank die LIBOR-Rate berichtet, umso mehr Barmittel benötigt sie für sich selbst; je niedriger eine Bank die LIBOR-Rate berichtet, umso mehr Barmittel kann sie anbieten (sie erweitert die Menge des angebotenen Guts, so dass der Preis insgesamt sinkt). Das Berichtssystem basierte auf Freiwilligkeit und Redlichkeit der beteiligten Berichterstatter („honor system"). Durch die Manipulationen aber wurde die LIBOR-Rate zu hoch berichtet, da die Banken untereinander den Eindruck erwecken wollten, sie seien mit ihren eigenen Wertpapier-, Kredit- und Derivatgeschäften so gut aufgestellt, dass sie die Barmittel zur Finanzierung der eigenen Geschäfte kurzfristig auch zu hohen Zinsen leihen konnten, ohne das Ergebnis zu gefährden. Die Bank kann damit ihren eigenen Marktwert steigern, was dem Bankmanager letztlich einen höheren Bonus in Aussicht stellt.

Barclays Bank PLC treibende Kraft hinter den Manipulationen

Die britische Barclays Bank PLC, wohl federführend bei den festgestellten LIBOR-Manipulationen, hat mit dem U.S.-Justizministerium eine Vereinbarung getroffen, wonach die Ermittlungen gegen Zahlung einer Ordnungsstrafe von US$ 160 Mio. eingestellt werden sollen. Im Rahmen dieser Vereinbarung hat die Bank zugegeben, dass ihre LIBOR-Berichterstatter zwischen 2005 und 2009 die gemeldeten LIBOR-Raten zugunsten der eigenen Handelstätigkeit verändert hatten, anstatt sie gemäß der Definition der LIBOR-Berechnungen zu berichtigen. Die Bank hat weiter zugegeben, dass die Berichterstatter im Rahmen ihres Angestelltenverhältnisses absichtlich falsche Raten weitergeleitet hatten, so etwa den 3-Monats-Dollar-LIBOR, der zwischen August 2007 und Dezember 2008 in 64% aller Fälle zu hoch gemeldet wurde. Die Barclays Bank PLC hat die Einstellung von bislang drei Aufsichtsverfahren durch Zahlung von Geldbußen in Höhe von insgesamt US$ 453 Mio. erwirken können. Weitere Manipulationen werden der Schweizerischen USB, die amerikanische Morgan Stanley, JPMorgan, Citibank etc.

Es können Verbraucher unmittelbar betroffen sein

Auch für Verbraucher und Privatanleger könnten durch die Manipulationen Schäden entstanden sein, da sich viele Finanzinstrumente hinsichtlich ihrer Rendite auf LIBOR-Werte beziehen. Dies gilt auch für Kreditnehmer, deren Zinsbelastung an die Entwicklung der LIBOR gekoppelt ist. Hierbei kommt es zumindest nach amerikanischem Recht auf einen kausalen Schadenseintritt nicht notwendigerweise an, da die Theorie des Betruges am Markt [fraud-on-the-market, s. u.a. Erica P. John Fund v. Halliburton Co., 131 S.Ct. 2179 (2011)] insofern Kausalität zu Gunsten des Anlegers vermutet. Auch nach deutschem Recht können sich Schadensersatzansprüche ergeben, etwa durch mangelnde Aufklärung durch die kreditgebende Bank, wenn diese selbst an den Manipulationen teilnahm oder sich auf dem LIBOR-Markt Kapital zur Bereitstellung oder Bedienung eigener Kreditvereinbarungen besorgte. Es wird geschätzt, dass allein die kurzfristigen Finanzierungsgeschäfte zum Abschluss von Optionshandelsgeschäften im Jahr 2009 ungefähr US$ 450 Billionen (US$ 450.000 Mrd.) betrugen, also selbst Manipulationen im Nachkommabereich noch Auswirkungen in Milliardenhöhe gehabt hätten.

Weitere Fallkonstellationen sind denkbar und individuell im Einzelfall zu prüfen

Weitere Auskünfte erteilt unverbindlich Rechtsanwalt & Attorney-at-Law Helge Naber, 300 Central Avenue Suite 320 in Great Falls, Montana 59401, T 001 406 452 3100 oder elektronische Kontaktaufnahme unter helge.naber@naberpc.com.


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