Zusatzurlaub für Schwerbehinderte und Urlaubsabgeltung

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Mit seinem Urteil vom 01.03.2022 (9 AZR 353/21) hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass § 366 BGB anzuwenden ist, wenn einem Arbeitnehmer, dem Urlaubsansprüche zustehen, welche auf verschiedene Anspruchsgrundlagen basieren, sofern nicht alle Urlaubsansprüche erfüllt wurden. Wenn der Arbeitgeber keine Tilgungsbestimmung i.S.v. § 366 I BGB vorgenommen hat, wird die Reihenfolge nach § 366 II BGB bestimmt – dabei werden allerdings erst gesetzliche Urlaubsansprüche erfüllt.


Im zugrundeliegenden Fall verlangte der Kläger die Abgeltung von Zusatzurlaub schwerbehinderter Menschen in Höhe von 5 Urlaubstagen aus dem Jahr 2016.

Er ist der Ansicht, dass § 366 II BGB anzuwenden sei, da für die 26 Urlaubstage, die er 2016 erhalten hatte, keine Tilgungsbestimmung vorlag. Denn mit den 26 Tagen sei nicht der Zusatzurlaub für schwerbehinderte erfüllt worden, sondern der Tarifurlaub.

Das BAG wies die Revision als unbegründet ab.

Es entschied, dass dem Kläger kein Anspruch auf Abgeltung der 5 Urlaubstage aus § 7 IV BUrlG, Nr. 3, 4 MTV für schwerbehinderte Menschen zustehe.

Dieser Zusatzurlaub sei durch Erfüllung vollständig erloschen. Denn der Kläger erkrankte Anfang September 2016 und war bis Ende Juni 2017 arbeitsunfähig. Im Juli 2017 wurde er wegen einer Vorruhestandsvereinbarung freigestellt bis im August 2020 das Arbeitsverhältnis beendet wurde.

Durch die Freistellung in Höhe von 26 Tagen sei die Beklagte dem Urlaubsanspruch aus §§ 1, 3 I BUrlG und § 125 I S.1 SGB XI und teilweise dem Tarifurlaub nachgekommen. Da die Urlaubsansprüche auf  verschiedene Anspruchsgrundalgen basieren, sei § 366 BGB anzuwenden. Jedoch werde „die Tilgungsreihenfolge des § 366 II BGB durch den hypothetischen Parteiwillen ersetzt, dem zufolge gewährter Urlaub zunächst auf die gesetzlichen Urlaubsansprüche anzurechnen sind.“

Vorliegend handele es sich „um einen einheitlichen Anspruch auf Erholung, der auf verschiedenen Anspruchsgrundlagen beruhe, und nicht um selbstständige Urlaubsansprüche.“ Daraus folge, dass der gesetzliche Mindesturlaub vorrangig gegenüber dem Tarifurlaub sei, da dieser unabdingbar sei.

Fehle es an einer Tilgungsbestimmung, so seien erst gesetzliche Urlaubsansprüche zu tilgen und danach die den Mindesturlaub übersteigenden Regelungen.

Im vorliegenden Fall könne § 366 BGB angewendet werden, da zwischen dem gesetzlichen Urlaub und dem Mehrurlaub eine Konkurrenz entstehen könne. Für die Erfüllung dieser unterschiedlichen Urlaubsansprüche müsse eine Reihenfolge in Form einer Tilgungsbestimmung festgelegt werden, um bestimmen zu können wie mit nicht gewährtem Urlaub umgegangen werden solle.

Im Falle des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen gelte § 366 BGB direkt, denn er stelle einen selbstständigen Urlaubsanspruch dar. Er erhöhe sowohl den gesetzlichen als auch den Tarifurlaub, sodass eine Konkurrenz grundsätzlich ausgeschlossen sei.

Die Tilgungsreihenfolge müsse somit angepasst werden. So könne eine vorrangige Tilgung des Zusatzurlaubes nicht dem Willen der Partei zugesprochen werden. Denn wie der Mindesturlaub stellt der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen „aufgrund einer sog. urlaubsrechtlichen Akzessorietät“ den Mindesturlaub für sie dar. Werde die Tilgungsreihenfolge nicht angepasst, so würde der weniger gesicherte Tarifurlaub zuerst getilgt werden. Ein schwerbehinderter Mensch würde somit nicht seinen gesetzlichen Urlaub erhalten, „obwohl ihm mit 26 Tagen Urlaub mehr als der gesetzliche Mindesturlaub und der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen zusammen gewährt worden ist.“

Da dem Kläger 26 Urlaubstage gewährt wurden, sind die Zusatzurlaubstage aus 2016 durch Erfüllung erloschen. Davon seien 20 Mindesturlaubstage gewesen und  5 Zusatzurlaubstage für schwerbehinderte Menschen, die dem Tarifurlaub vorgingen.

Foto(s): Janus Galka

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