§ 19 VVG Gesundheitsfragen digital ?

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Nicht nur bei Vertragsabschlüssen in der privaten Personenversicherung bedient sich der Vermittler bei der Antragsstellung einer vom Versicherer zur Verfügung gestellten Software. Diese beinhaltet alle für den Versicherer notwendigen Fragen zum Vertragsabschluss, die früher in einem persönlichen Gespräch in Papierform vorlagen und vorgelesen, beantwortet und schriftlich festgehalten wurden. Heute öffnet sich eine Maske auf dem digitalen Endgerät des Vermittlers und dieser liest dem Kunden die Fragen vor, ohne dass der Kunde diese sehen kann. Die Antworten werden ebenfalls digital erfasst. Am Ende wird der Antrag mit den Fragen und Antworten ausgedruckt und der Kunde unterschreibt. Was aber, wenn sich später herausstellt, dass der Versicherer den Rücktritt vom Vertrag erklärt, oder diesen sogar wegen Arglist anficht, weil sich herausgestellt hat, dass die Fragen objektiv nicht wahrheitsgemäß beantwortet wurden. § 19 I VVG (Versicherungsvertragsgesetz) schreibt zwingend vor, dass dem Kunden die Fragen in Textform zur Verfügung gestellt werden müssen. Kann sich der Kunde in einem solchen Fall darauf berufen, dass dies bei ihm gerade nicht der Fall war? Hier hat jüngst für eine Personenversicherung das Oberlandesgericht Hamm am 23.08.21, Az: 20 U 123/21 entschieden, dass die Textform nach § 19 VVG eingehalten ist, wenn zu einem späteren Zeitpunkt der Fragenkatalog mit Antworten in Textform dem Kunden vorgelegen hat. Das wäre denkbar als Papierausdruck bei Unterzeichnung, aber auch durch Leistung einer digitalen Signatur auf den Fragen/Antwortenkatalog des digitalen Endgerätes. Es ist nicht erforderlich, dass dem Kunden die Gefahrenlage der Fragen bereits im Zeitpunkt ihrer Beantwortung verkörpert vor Augen stehen muß. In der Praxis berichten jedoch betroffene Mandanten, dass der Vermittler eine falsche oder missverständliche Erläuterung der Fragen gegeben hätte oder eine andere Beantwortung der Frage vorgeschlagen hätte. Meist handelt es sich um angebliche gesundheitliche Bagatellen, die man nicht angeben müsste. 

Die Beweislast dafür, dass eine Frage richtig vorgelesen, erörtert und verstanden wurde, vom Kunden dennoch aber falsch beantwortet wurde, trägt der Versicherer. Wenn der Kunde ausführlich und nachvollziehbar vorträgt, oder noch besser durch Zeugen beweisen kann, welche Fragen ihm unter Erläuterung des Vermittlers gestellt wurden und wie seine Antwort war, die aber nicht so aufgenommen wurde, wäre das Erfordernis einer ordentlichen Fragestellung in „Textform“ nach § 19 VVG nicht mehr gewahrt und der Rücktritt oder die Anfechtung des Versicherers erfolglos.



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