„ACAB“ straflos? Zu den Voraussetzungen einer Kollektivbeleidigung

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Das Bundesverfassungsgericht hat in einer interessanten Entscheidung eine Verurteilung wegen Beleidigung aufgehoben. Die Entscheidung dürfte von einigem Interesse für Personen sein, die gern provokante Aufdrucke auf ihrer Kleidung tragen. In diesem Beitrag erläutert Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel aus Cottbus den rechtlichen Hintergrund.

Was war passiert? Ein Fußballfan hatte während eines Stadionbesuchs eine schwarze Hose mit der Aufschrift „ACAB“ getragen. Nach Spielende war er beim Verlassen des Stadions an einigen Polizeibeamten der Bundespolizei vorbeigelaufen. Einer der Beamten hatte ihn daraufhin wegen Beleidigung angezeigt.

Ein Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen dieses Vorfalls zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro (100 Tagessätzen zu jeweils 30 Euro). In der Begründung des Urteils hieß es, die Abkürzung „ACAB“ stehe – was allgemein bekannt sei – für „all cops are bastards“. Es sei ehrverletzend, einen Polizeibeamten als „Bastard“ zu bezeichnen. Die Bezeichnung habe sich gegen diejenigen Polizisten gerichtet, die bei dem Fußballspiel im Einsatz waren: Der Betroffene habe gewusst, dass es bei dem Spiel eine hohe Polizeipräsenz geben werde und er habe billigend in Kauf genommen, dass diejenigen Polizisten sich in ihrer Ehre verletzt fühlen, die den Aufdruck wahrnehmen. Das Landgericht hielt diese Entscheidung in der Berufung aufrecht, ebenso das Oberlandesgericht in der Revision.

Bereits vor der aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war in der Rechtsprechung Folgendes weitgehend geklärt: Meinungsäußerungen – das sind solche Äußerungen, die im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet sind – sind durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) geschützt. Wird die Meinungsfreiheit durch ein Gesetz – hier durch § 185 StGB (Beleidigung) – beschränkt, muss ein Ausgleich zwischen der Meinungsfreiheit des Äußernden und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen stattfinden. Bezieht sich eine Meinungsäußerung auf ein Kollektiv und nicht auf eine bestimmte Person, liegt darin nur in Ausnahmefällen eine Beleidigung der einzelnen Mitglieder des betreffenden Kollektivs, wobei gilt: Je größer das angesprochene Kollektiv ist, umso weniger ist das einzelne Mitglied betroffen. Dies ändert sich auch nicht zwangsläufig dadurch, dass die Meinungsäußerung über ein Kollektiv gegenüber einer Teilgruppe oder eines einzelnen Mitglieds dieses Kollektivs erfolgt.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Grundsätze auf den „ACAB-Fall“ angewandt. Die Äußerung „ACAB“ – unter der auch das Bundesverfassungsgericht „all cops are bastards“ versteht – habe sich nicht auf eine hinreichend abgrenzbare Personengruppe bezogen, sondern äußere eine generell ablehnende Haltung gegenüber der Polizei insgesamt. Es genüge nicht, dass die Polizeibeamten zur Absicherung des Fußballspiels eine Teilgruppe aller Polizeibeamten sind. Ebenso reiche es für den Vorsatz des „Hosenträgers“ nicht aus, zu wissen, dass Polizeibeamte anwesend sein und den Aufdruck seiner Hose zur Kenntnis nehmen werden. Nachdem das Bundesverfassungsgericht vor etwa einem Jahr bereits den Aufdruck „FCK CPS“ auf einem T-Shirt unter ähnlichen Erwägungen als straflos angesehen hat, scheint nun endlich auch für den „Dauerbrenner“ ACAB Klarheit zu herrschen.

Doch Vorsicht! Die Entscheidung lässt durchaus Raum für Verurteilungen. So führt das Bundesverfassungsgericht aus, der Träger der inkriminierten Hose hätte – um sich wegen Beleidigung strafbar zu machen – die Äußerung auf bestimmte Personen konkretisieren müssen. Er hätte sich etwa bewusst in die Nähe des Anzeigeerstatters begeben und gerade ihn mit dem Aufdruck der Hose konfrontieren müssen.

Auch künftig wird es daher vermutlich Staatsanwälte geben, die das Tragen von Kleidungsstücken – oder auch das Zeigen entsprechender Tätowierungen – vor den Richter bringen. Betroffene sollten angesichts der diffizilen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht frühzeitig einen Strafverteidiger aufsuchen und ggf. Zeugen bereithalten, die Auskunft über die genauen tatsächlichen Vorgänge geben können: Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass Polizeibeamte die Anforderungen des Bundesverfassungsgericht bereits in einer entsprechenden Strafanzeige aufgreifen werden.


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