Arbeitnehmerrechte in Zeiten von Corona

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Die Corona-Pandemie stellt Unternehmen und Wirtschaft vor enorme Herausforderungen. In Anbetracht von Schul- und Kitaschließungen und der Gefahr einer Erkrankung am Arbeitsplatz fragen sich Arbeitnehmer welche Rechte ihnen im Arbeitsverhältnis zustehen. 

Im Folgenden habe ich ein paar Fragen aus meiner Beratungspraxis hervorgehoben.

1) Ich habe Angst davor, mich an meiner Arbeitsstelle anzustecken. Darf ich zu Hause bleiben?

Unzweifelhaft dürfen (und sollten) Arbeitnehmer zu Hause bleiben, wenn bei Ihnen eine diagnostizierte Corona-Infizierung besteht. In diesem Fall muss eine Krankmeldung an den Arbeitgeber erfolgen. 

Gibt einem aber schon die Sorge, sich bei Kunden oder Kollegen anzustecken, das Recht, nicht zur Arbeit zu erscheinen? Hier ist die rechtliche Situation eindeutig, denn grundsätzlich muss man als Arbeitnehmer auch in Zeiten von Corona zur Arbeit erscheinen. Auch gibt es, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde, keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeit im Homeoffice (vgl. Nr. 3 unten). Wer dennoch der Arbeit fernbleibt, begeht eine Arbeitsverweigerung, die zu einer Abmahnung und unter Umständen auch zu einer Kündigung führen kann. 

Nur wenn an der konkreten Betriebsstätte der Arbeitgeber seine Mitarbeiter einer unverhältnismäßig großen Gefahr einer Infizierung aussetzt, weil er z. B. trotz Aufforderungen durch Behörden oder den Betriebsrat keine angemessenen Schutzmaßnahmen ergreift (vgl. Nr. 2 unten), ist argumentierbar, dass dem Arbeitnehmer bezüglich seiner Arbeitsleistung ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zusteht, d.h. er behält seinen Vergütungsausspruch auch wenn er wegen der Gefahren nicht zur Arbeit erscheint.

2) Was muss mein Arbeitgeber tun, um mich vor einer Corona-Infizierung zu schützen?

Grundsätzlich trifft den Arbeitgeber gegenüber seinen Mitarbeitern Rücksichtnahme- und Fürsorgepflichten, die auch den Gesundheitsschutz umfassen (Bundesarbeitsgericht vom 14.12.2006 – 8 AZR 628/05).  

So ergibt sich aus § 618 Abs. 1 BGB i. V. m. § 4 Nr. 1 ArbSchG (Arbeitsschutzgesetz), dass der Arbeitgeber die Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften so einzurichten und zu unterhalten hat, dass Arbeitnehmer gegen Gefahren für Gesundheit und Leben geschützt sind. Wenn Arbeitnehmer berufsbedingt in Kontakt mit infizierten Personen kommen, ist außerdem die Biostoffverordnung zu beachten.

Soweit möglich sollte der Arbeitgeber in Zeiten von Corona die Arbeitsplätze so einrichten bzw. umgestalten, dass ein angemessener Abstand zu Kollegen und Kunden eingehalten werden kann, Arbeitsschichten vereinbaren und/oder z. B. transparente Schutzwände installieren lassen, wie dies derzeit in vielen Supermärkten erfolgt ist. 

Darüber bestehen für den Arbeitgeber Informationspflichten, die sich u. a. aus dem Arbeitsschutzgesetz (insb. § 12 Abs. 1 ArbSchG) und § 241 Abs. 2 BGB ergeben. Im Zusammenhang mit Corona sollte ein Arbeitgeber daher seine Mitarbeiter geeignete Hygieneempfehlungen aussprechen und möglichst Desinfektionsmittel bereitstellen. Was im Einzelfall angemessen ist, richtet sich nach der Natur des konkreten Betriebes und den in diesem Betrieb bestehenden Möglichkeiten. 

3) Darf oder muss der Arbeitgeber Homeoffice anordnen?

Grundsätzlich gibt es aber weder eine Pflicht des Arbeitgebers wegen der Corona-Pandemie Homeoffice anzuordnen noch ein Recht des Mitarbeiters auf Arbeit im Homeoffice. Auch darf der Arbeitgeber die Arbeit im Homeoffice wegen des grundrechtlichen Schutzes der häuslichen Wohnung nicht einfach anordnen. Das geht grundsätzlich nur, wenn die Arbeit im Homeoffice schon nach den Regelungen des Arbeitsvertrages angeordnet werden kann. In Zeiten von Corona spricht rechtlich viel dafür, dass dem Arbeitgeber aus § 106 Gewerbeordnung eine Befugnis zusteht, den Arbeitnehmer jedenfalls zum mobilen Arbeiten zu verpflichten. 

Zu beachten ist allerdings, dass auch im Homeoffice den gesetzlichen Anforderungen an den Arbeits- und Gesundheitsschutz und den Datenschutz (u. a. technische und organisatorische Anforderungen nach Art. 32 DSGVO, § 22 Abs. 2 BDSG) entsprochen werden muss. Es empfiehlt sich daher, den Abschluss einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung für Homeoffice als Ergänzung zum Arbeitsvertrag zu vereinbaren, in welchem Bedingungen wie IT-Ausstattung (z. B. „Bring your own device“), Kostentragung, Arbeitszeit, IT-Sicherheit, Datenschutz etc. geregelt werden. Zu beachten ist außerdem die Meldepflicht bezüglich der in Heimarbeit Beschäftigten an die Behörden nach § 23 Abs.1 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz.

4) Darf ich eine Dienstreise ins Ausland wegen der Corona-Pandemie ablehnen?

Grundsätzlich steht dem Arbeitgeber gegenüber seinem Arbeitnehmer ein weitreichendes Weisungsrecht zu, das auch die Anordnung von betrieblich veranlassten Dienstreisen umfasst. Anders ist dies dann, wenn die Anordnung einer Dienstreise nicht „billigem Ermessen“ entspricht. So ist dem Arbeitnehmer die konkret angeordnete Dienstreise beispielsweise wegen erheblicher Gefahren für die Gesundheit nicht zumutbar, wenn das Auswärtige Amt für das betreffende Land eine offizielle Reisewarnung ausspricht. Seit dem 9. April 2020 besteht durch das Auswärtige Amt eine weltweite Reisewarnung. Damit dürfte derzeit auch die Anordnung einer Dienstreise ins Ausland nicht mehr „billigem Ermessen“ entsprechen. 

Davon zu unterscheiden sind Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes, die im Hinblick auf eine Vielzahl von Ländern bestehen. Hier muss eine konkrete Abwägung der Gefahren vorgenommen werden um zu prüfen, ob Umstände vorliegen, die für den betroffenen Arbeitnehmer eine Dienstreise unzumutbar machen und ob er diese daher ablehnen darf.

5) Die Gesundheitsbehörde hat mir gegenüber eine 14-tägige Quarantäne ausgesprochen, weil ich kürzlich in Italien war. Muss mein Arbeitgeber mein Gehalt weiterzahlen?

Wenn man als Arbeitnehmer arbeitsunfähig mit dem Coronavirus erkrankt ist, erhält man Entgeltfortzahlung wegen Krankheit. Sofern die Behörde die Quarantäne lediglich als Schutzmaßnahme gegenüber dem Arbeitnehmer anordnet, ohne dass dieser akut erkrankt ist, gilt keine Entgeltfortzahlung wegen Krankheit. Als Arbeitnehmer gilt dann grundsätzlich der im Arbeitsrecht bestehende Leitsatz „ohne Arbeit kein Geld“. Kann der nicht erkrankte Arbeitnehmer trotz Quarantäne aus dem Homeoffice arbeiten, ist er auch zur Arbeit verpflichtet und bekommt sein Gehalt weitergezahlt. Wenn er nicht aus der Quarantäne heraus arbeiten kann, besteht grundsätzlich auch kein Entgeltfortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber. 

Teilweise wird vertreten, dass sich in dem Fall ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus § 616 BGB ergeben würde, weil der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig kurze Zeit und ohne eigenes Verschulden an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert ist. Meiner Meinung nach gilt § 616 BGB nicht für die behördlich angeordnete Quarantäne aufgrund der Corona-Pandemie.

Stattdessen greift § 56 Infektionsschutzgesetz, der eine Entschädigung des Arbeitnehmers in Höhe des Netto-Arbeitsentgelts vorsieht (bis zu 6 Wochen), wenn dieser aufgrund der angeordneten Quarantäne nicht arbeiten kann. In der Praxis zahlt der Arbeitgeber die Entschädigung aus und bekommt diese dann später auf Antrag von der Behörde erstattet. 

6) Mein Chef hat Kurzarbeit angeordnet. Besteht trotzdem das Risiko von betriebsbedingten Kündigungen?

Durch die Einführung von Kurzarbeit soll ein vorübergehender Arbeitsmangel überbrückt, der Arbeitsplatz erhalten werden. Eine betriebsbedingte Kündigung zielt dagegen auf die endgültige Trennung vom Arbeitnehmer wegen eines dauerhaft gesunkenen Bedarfs und verfolgt daher ein anderes Ziel. Gleichwohl kann in einem von Kurzarbeit betroffenen Betrieb die Situation auftreten, dass in Teilen des Betriebs weniger Arbeit anfällt, in anderen Teilen des Betriebs die Arbeit vollständig wegfällt. In dem Bereich, in dem die Arbeit vollständig wegfällt, sind grundsätzlich auch betriebsbedingte Kündigungen möglich. Da die Anforderungen an die Begründung einer solchen Kündigung im Fall der Einführung von Kurzarbeit aber nochmals verschärft werden (u. a. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.02.2020 – 6 Sa 489/09), sollte eine solche Kündigung jedenfalls rechtzeitig durch einen Rechtsanwalt überprüft werden. Zu beachten ist, dass  eine Kündigung innerhalb der 3-Wochen-Frist des § 4 S. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) durch Erhebung der Kündigungsschutzklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht angegriffen werden muss, wenn man wirksam verhindern will, dass die Kündigung sonst wegen § 7 KSchG wirksam wird.

Was kann die Kanzlei Grüttner für Sie tun?

Die obigen Ausführungen sollen Ihnen einen kurzen Überblick über das sehr komplexe Thema geben, stellen aber keine Rechtsberatung dar und können eine juristische Auskunft in Ihrem Einzelfall nicht ersetzen! Wenn Sie als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber Fragen zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona Pandemie haben, z. B. als Arbeitnehmer Hilfe bei einer ausgesprochenen Kündigung oder als Arbeitgeber Unterstützung bei der Ausgestaltung von Vereinbarungen zum Homeoffice brauchen, dann stehe ich Ihnen gern zur Verfügung. In Zeiten von Corona erfolgt die Beratung nach vorheriger Vereinbarung ganz nach Ihren Wünschen schriftlich, telefonisch oder auch per Videochat.

Ich freue mich auf Ihren Anruf!

Mit besten Grüßen 

Carsten Grüttner
Rechtsanwalt

Hinweis:

Diese Veröffentlichung hat den Stand 22. Mai 2020. Die Ihnen hier unentgeltlich zur Verfügung gestellten Informationen sind allgemeiner Natur, stellen keine rechtliche Beratung dar und sind auf Ihren speziellen Einzelfall möglicherweise nur eingeschränkt oder gar nicht anwendbar. Für die Vollständigkeit und Richtigkeit der in dieser Veröffentlichung enthaltenen Informationen wird keine Haftung übernommen.


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