Arglist und BU-Versicherung: Anfechtung wegen falscher Gesundheitsangaben nach 10 Jahren vorbei

  • 4 Minuten Lesezeit

BGH Urteil vom 25. November 2015, Az.: IV ZR 277/14

Falsche Gesundheitsangaben sind nach 10 Jahren irrelevant

Diese Briefpost von der Berufsunfähigkeitsversicherung flatterte allzu häufig bei berufsunfähigen Versicherungnehmern ins Haus: Es gibt keine Leistungen. Begründung: Der Versicherungsnehmer habe bei Vertragsabschluss über Vorerkrankungen oder seinen Gesundheitszustand falsche oder unvollständige Angaben gemacht, also gelogen. Und er habe damit die Versicherung arglistig getäuscht. Mit guten Grund, so in der Briefpost weiter, gebe es nun nichts. Das bedeutet für den berufsunfähigen Versicherten: Es gibt weder Rente, noch Beitragsbefreiung und der Vertrag soll dann wegen dieser Anfechtungserklärung auch noch weg sein.

Berufsunfähige Versicherungsnehmer aufgepasst: Schon nach dem Gesetz soll zehn Jahre nach Versicherungsantrag Ruhe sein

An sich gibt es die klare gesetzliche Regelung zu der Frage, in welchem Zeitraum die Versicherung den Vertrag mit dem Versicherungsnehmer wegen einer arglistigen Täuschung anfechten darf. Versicherungsverträge sollen demnach nach zehn Jahren nicht mehr wegen unrichtiger Gesundheitsangaben angefochten werden können. Im realen Leben aber haben Versicherungsnehmer bei problematischen Gesundheitsangaben regelmäßig mit dem heftigem Widerstand von BU-Versicherungen zu kämpfen.

Jetzt aber lohnt sich der Widerstand der BU-Versicherungen nicht mehr, die wackeligen Verträge mit den problematischen Angaben der Versicherungsnehmer sind sozusagen in Sicherheit. Der Bundesgerichtshof BGH hat eine Grundsatzentscheidung getroffen und der Versicherungswirtschaft einen ordentlichen Dämpfer verpasst. Im dem Fall ging es Rentenzahlungen, die eine Witwe aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) ihres im August 2013 verstorbenen Ehemannes erhalten wollte.

Der Fall: Abschluss der BUZ im März 2002 mit unrichtigen Gesundheitsangaben

Der frühere Arbeitgeber des Ehemannes ermöglichte seinerzeit eine Lebensversicherung als Gruppenversicherung zugunsten des Ehemannes und hat diese zum April 2002 um eine BUZ-Police erweitert. Bei dieser Erweiterung führte die Versicherung die übliche sogenannte Risikoprüfung durch. Im Fragebogen zum Antrag wurden dazu im Februar 2002 die vielschichtigen Fragen zu Arztbesuchen, Vorerkrankungen, Operationen und Medikamenten gestellt. Der Ehemann beantwortete alle Gesundheitsfragen mit „Nein“, obwohl er bereits seit Jahren an Parkinson erkrankt war und auch deswegen in Behandlung war.

Die Parkinson-Erkrankung wurde mit den Jahren immer schwerwiegender, hinzu kam 2008 noch ein Hirntumor. Der Ehemann wurde deshalb berufsunfähig. Im Januar 2012, also nicht ganz zehn Jahre nach dem unglückseligen Antragsbogen mit der unrichtigen Antwort auf die Gesundheitsfragen, informierte er Versicherung über seine Berufsunfähigkeit. In diesem Zusammenhang beantragte er erstmals Leistungen aus dieser BUZ-Police. Er gab dabei er an, dass er seit 1990 an Morbus Parkinson und seit Juli 2008 an einem Hirntumor erkrankt sei.

Anfechtung des Versicherers erfolgte erst im Juli 2012 – nach Ablauf der 10-Jahresfrist

Sachbearbeiter bei Versicherungen nehmen sich teilweise viel Zeit bei der Leistungsprüfung, die kranken Versicherten hingegen fiebern der Leistungsbewilligung nahezu täglich entgegen. Oft leiden die berufsunfähigen Versicherten zusätzlich durch diese monatlangen Prüfungen, weil sie über einen langen Zeitraum hinweg auf das Geld als Einkommensausgleich warten müssen und nichts machen können. Im Fall der verheimlichten Parkinson-Erkrankung bummelte die Versicherung ebenfalls und schoss damit ein Eigentor: Ganze sechs Monate nach dem Leistungsantrag des Ehemannes, nämlich im Juli 2012, und somit zehn Jahre plus fünf Monate nach der falschen Antwort auf die Gesundheitsfragen im Februar 2002, erklärte die Versicherung nun eilig die Anfechtung und erklärte, dass der Witwe als Erbin wegen der arglistigen Täuschung des Ehemannes nichts zustehe. Die Leistungen wurden abgelehnt. Weder rückständige Rente, noch eine Erstattung der jahrelang gezahlten Beiträge sollte die Witwe erhalten.

Die Witwe wollte dies nicht hinnehmen. Sie war der festen Meinung, dass ihr verstorbener Ehemann nicht arglistig getäuscht habe. Auch war sie der Ansicht, dass die Anfechtungserklärung der Versicherung zu spät sei. Sie klagte sich durch alle Instanzen und blieb beharrlich. Sowohl Landgericht Stuttgart als auch Oberlandesgericht Stuttgart gaben aber der Versicherung Recht und sagten, die Anfechtungserklärung der Versicherung sei noch rechtzeitig, dies obwohl die 10-Jahresfrist für eine solche Anfechtungserklärung bereits seit Februar 2012 verstrichen war. Die Witwe blieb standhaft, gab nicht so leicht auf und suchte Hilfe bei dem höchsten deutschen Gericht. Und ihre mutige Rechnung ging auf.

BGH entschied: Anfechtungserklärung der Versicherung zu spät – nach zehn Jahren ist Schluss!

Der BGH folgte den Instanzgerichten in Stuttgart nämlich nicht. Er fand klare Worte für eine Sachlage, die in der Vergangenheit leider die unterschiedlichsten Gerichtsentscheidungen bei den Zivilgerichten in Deutschland hervorbrachte: Die in § 21 Abs. 3 VVG getroffene Fristenregelung für die Wahrnehmung der Rechte des Versicherers aus § 19 Abs. 2 – 4 VVG sei auf die für die Arglistanfechtung geltende Zehn-Jahres-Frist des § 124 Abs. 3 BGB und die Rechtsfolgen ihrer Versäumnis ohne Einfluss.

Im Klartext: Die absolute Anfechtungsfrist beträgt zehn Jahre. Es gibt kein unbefristetes Anfechtungsrecht. Die Versicherung hat sich damit abzufinden, dass der Vertrag weiter besteht und muss dann auch bei Berufsunfähigkeit Renten und Beitragsbefreiungen zahlen.

Arglistige Täuschung als Ablehnungsgrund bei Versicherungen sehr beliebt

Abgelehnte Leistungsanträge wegen einer vorgeblich arglistigen Täuschung – das Procedere erfreut sich äußerster Beliebtheit bei Berufsunfähigkeitsversicherungen. Manchmal kommt der Anfechtungsgrund regelrecht an den Haaren herbeigezogen und konstruiert daher. Das ist Versicherten schon geläufig. Was viele aber noch nicht wissen: Die Beweislast für arglistiges Handeln des Versicherungsnehmers liegt bei der Versicherung und nicht beim Versicherten. Diese Prozesssituation wirkt sich günstig für den Versicherten aus. Denn somit ist es die schwierige, fast unlösbare Aufgabe des Versicherers, eine absichtsvolle Lüge, genannt Arglist, vor Gericht nachzuweisen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Laux Rechtsanwälte PartGmbB

Beiträge zum Thema