Bauliche Veränderungen

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In bestehenden Wohnungseigentumsanlagen können einzelne Wohnungseigentümer durch beschlossene bauliche Veränderungen einseitig belastet werden. So beispielsweise, wenn ein nachträglicher Aufzugsschacht oder eine Wärmepumpenanlage die Sicht beeinträchtigt oder hiervon störende Geräusche ausgehen und nur einen einzelnen Wohnungseigentümer beeinträchtigen. Hier stellt sich die Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft eine solche Maßnahme beschließen kann bzw. ob sich der einzelne Wohnungseigentümer gegen eine solche bauliche Veränderung wehren kann?

Ursprünglich wurden bauliche Veränderungen im Wohnungseigentumsgesetz im § 22 WEG geregelt. Dort war ein abgestuftes System vorgesehen, dass verschiedene Abstimmungs- bzw. Mehrheitsverhältnisse vorsah. So gab es für „einfache” bauliche Veränderungen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgingen, das Erfordernis, dass jeder Wohnungseigentümer zustimmen musste, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt waren.

Hatten solche Maßnahmen einen modernisierenden Charakter und haben die Eigenart der Wohnanlage nicht verändert, konnten solche Maßnahmen mit einer sogenannten doppelt-qualifizierten Mehrheit von drei Vierteln aller Stimmberechtigten Wohnungseigentümer und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen werden.

Modernisierende Instandsetzung im Sinne einer ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung konnten darüber hinaus mit einfacher Mehrheit beschlossen werden.

Dieses abgestufte und in sich verschachtelte Verfahren barg durchaus seine Tücken und war zum Teil für den Rechtsanwender schwer zu durchblicken.

Mit Wirkung zum 01.12.2020 wurde das Wohnungseigentumsgesetz geändert und der Verbandszuständigkeit ähnlich dem Aktiengesetz zugeführt. Neben vielen anderen Regelungen wurden insbesondere die Regelungen über die baulichen Veränderungen neu kodifiziert.

Zunächst einmal wurde der Grundsatz des „einfachen” Mehrheitsbeschlusses festgelegt. Die baulichen Veränderungen sind nunmehr in § 20 WEG einheitlich geregelt. Hier besteht der Grundsatz des einfachen Mehrheitsbeschlusses.

Bauliche Veränderungen wurden durch den Gesetzgeber legal definiert und es handelt sich dabei um Maßnahmen, die über die ordnungsgemäße Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen. Solche baulichen Veränderungen können nunmehr durch einfache Mehrheit beschlossen werden oder solche baulichen Veränderungen können durch einfache Mehrheit einen Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden. Somit sieht die neue Regelung einerseits die Durchführung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aufgrund eines entsprechenden Mehrheitsbeschlusses vor und andererseits die Gestattung der Durchführung einer baulichen Veränderung durch einen Wohnungseigentümer.

In Absatz 2 werden einige privilegierte Maßnahmen beschrieben, die von jedem Wohnungseigentümer verlangt werden können. Das heißt, dass jeder Eigentümer eine entsprechende bauliche Veränderung verlangen kann und für den Fall, dass die Wohnungseigentümer in der Versammlung eine solche privilegierte Maßnahme ablehnen, er einen klageweise durchsetzbaren Anspruch auf einen entsprechenden positiven Beschluss hat. Somit besteht für jeden Wohnungseigentümer das Recht eine bauliche Veränderung zu verlangen die,    

1.   den    Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen,

2.   dem    Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge,

3.   dem    Einbruchschutz und

4.   dem    Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität

dient.

Solche Maßnahmen können mit einfacher Mehrheit beschlossen werden und wenn auf Antrag eines Wohnungseigentümers ein solcher Beschluss nicht getroffen wird, hat der Betroffene Wohnungseigentümer ein gerichtlich durchsetzbares, das heißt einklagbares Recht darauf, einen solchen Beschluss zu beschließen. Ein solches gerichtliches Vorgehen würde in Form der Beschlussersetzungsklage gemäß § 44 WEG durchgeführt werden.

Absatz 3 des § 20 WEG regelt, dass einem einzelnen Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen zu gestatten sind, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, mit dieser Maßnahme einverstanden sind. Aus dem Umkehrschluss ergibt sich, dass bauliche Veränderungen einem Wohnungseigentümer immer dann auch ohne Beschluss gestattet sind, wenn sie keinen anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigen. Ein solcher Fall kann beispielsweise bei Veränderungen des Gemeinschaftseigentums, das innerhalb des Sondereigentums liegt (bspw. tragende Wand) vorliegen, wenn keinerlei Risiken oder Gefahren für das Gemeinschaftseigentum vorliegen, das heißt insbesondere sämtliche erforderlichen statischen Berechnungen und Maßnahmen beachtet und durchgeführt werden.

Abschließend stellt § 20 WEG in seinem Absatz 4 klar, das Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, nicht beschlossen oder gestattet werden dürfen und auch nicht verlangt werden können.

Was unter einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage zu verstehen ist, wird in der Gesetzesbegründung nicht klar zum Ausdruck gebracht. Dies ist jeweils im Einzelfall zu entscheiden. Allerdings kann hierunter wohl einerseits die grundlegende Veränderung des äußerlichen Aussehens verstanden werden, sowie die grundlegende Veränderung der Nutzung. Dies wird jedoch meist, auch wenn es im Einzelfall zu prüfen ist, relativ auffällig und damit leicht feststellbar sein.

Viel entscheidender und meist für den betroffenen Wohnungseigentümer schwerer darstellbar ist jedoch die Frage, ob eine vermeintlich beschlossene bauliche Veränderung eben diesen Wohnungseigentümer gegenüber den anderen unbillig benachteiligt. Eine unbillige Benachteiligung liegt vor, wenn die Maßnahme den Wohnungseigentümer gegenüber den anderen einen beachtenswerten Nachteil bringt. Auch diese Formulierung ist ausfüllungsbedürftig. So liegt eine beachtenswerte Benachteiligung insbesondere immer dann vor, wenn der einzelne oder die einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber den anderen ungleich behandelt wird oder werden, diesen Wohnungseigentümer daher größere Nachteile zufließen als den anderen und diese Benachteiligung treuwidrig erscheint, das heißt insbesondere durch etwaige Vorteile nicht ausgeglichen wird. Eine solche Benachteiligung kann immer dann vorliegen, wenn eine bauliche Veränderung Vorteile aber auch Nachteile bringt, die Vorteile allen zufließen, die Nachteile jedoch nur einem oder einigen Einzelnen. Dann nämlich tragen die einzelnen auch die Nachteile, wohingegen andere nur und ausschließlich die Vorteile genießen. In einem solchen Fall kann eine unbillige Benachteiligung vorliegen, sodass ein solcher Beschluss nicht getroffen oder gestattet werden darf. Hier ist immer eine Betrachtung des Einzelfalls erforderlich, wobei die soeben getroffenen Aussagen tendenziell richtungsweisend sind.

Wird nun eine solche bauliche Veränderung durch einfachen Mehrheitsbeschluss getroffen, beispielsweise Anbau eines Aufzugschachtes und dadurch Sichtversperrung bzw. Verschattung eines einzelnen Wohnungseigentümers, so könnte sich die Frage stellen, was es heißt, dass ein solcher Beschluss nicht getroffen werden „darf”?

Der Gesetzgeber spricht im Wohnungseigentumsgesetz teilweise vom nicht „können” und vom nicht „dürfen”. Wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft etwas schon nicht kann, dann hat ein Verstoß hiergegen regelmäßig die Nichtigkeit eines etwaigen Beschlusses zur Folge. Dies eben, weil ein etwaiger wirksamer Beschluss mangels Beschlusskompetenz schon nicht getroffen werden kann.

Andererseits ist es regelmäßig so, dass dann, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft etwas nicht darf, sie es zwar machen kann aber ein solcher Beschluss dann eben angreifbar ist, weil das rechtliche dürfen überschritten worden ist. Folge eines solchen Beschlusses ist dessen Anfechtbarkeit, sodass im Fall der baulichen Veränderung und der unbilligen Benachteiligung eines Wohnungseigentümers ein solcher Beschluss eben anfechtbar wäre.

Dies hat zur Folge, dass ein solcher Beschluss mit der Anfechtungsklage im Sinne des § 44 Abs. 1 Alt. 1 WEG anzufechten wäre. Hierbei wiederum sind unbedingt die Fristen der Anfechtungsklage im Sinne des § 45 WEG zu beachten, wonach die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben und innerhalb zweier Monate nach der Beschlussfassung begründet werden muss. Hierbei ist zu beachten, dass ein Beschluss mit der Abstimmung und der Verkündung gefasst worden ist und ab diesem Zeitpunkt die Frist läuft. Häufig erfolgt unmittelbar nach der Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung die Verkündung und die Verkündung des Beschlusses wird im Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung vermerkt. Hier beginnt die Monatsfrist bereits mit dem Zeitpunkt der Verkündung, das heißt mit dem Tag der Wohnungseigentümerversammlung zu laufen. Häufig begegnet einem in der Praxis der Fehler, das gewartet wird, bis das Protokoll der Versammlung übersendet wird und dann - obwohl grundsätzlich die Kenntnis der Monatsfrist vorliegt - davon ausgegangen wird, die Monatsfrist beginne erst mit der Zustellung des Protokolls zu laufen. Dies ist jedoch unzutreffend und die Monatsfrist kann dann häufig schon abgelaufen sein. Dies gilt es unbedingt zu beachten.

Häufig werden im Rahmen der baulichen Veränderungen verschiedene Alternativen vorgelegt und die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt dann eine vermeintlich günstige Variante, obwohl diese einen einzelnen Wohnungseigentümer oder einige wenige Eigentümer unbillig benachteiligt. In einem solchen Fall ist neben der Anfechtungsklage des Beschlusses, der die Betroffenen unbillig benachteiligt immer auch an eine Beschlussersetzungsklage im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG zu denken. Die zwingend erforderliche Vorbefassung wäre in einem solchen Fall bereits gegeben. Gibt es jedoch neben der geschlossenen Variante andere Alternativen ist schon fraglich, ob die Beschlussersetzungsklage das richtige Mittel ist, da das Gericht sein Ermessen grundsätzlich nicht an die Stelle des Ermessens der Wohnungseigentümergemeinschaft stellen darf. Dann könnte durchaus darüber nachgedacht werden, ob die Anfechtungsklage mit einem Feststellungsantrag verbunden wird, dass zukünftig zu beschließende bauliche Veränderungen den klagenden Wohnungseigentümer nicht in ähnlicher Weise in seinen Rechten beeinträchtigen darf. Hierbei wird der Schwerpunkt einer etwaigen Feststellungsklage sicherlich in der Definition der „ähnlichen Weise” liegen, da eine Klage grundsätzlich dem Bestimmtheitszwang unterliegt und ein Feststellungsinteresse gegeben sein muss. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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