Erbverzicht vs. Pflichtteilsverzicht

  • 4 Minuten Lesezeit

Zwischen einem Erbverzicht und lediglich einem Pflichtteilsverzicht besteht ein elementarer Unterschied. Ein Urteil des OLG Köln (OLG Köln, Urteil vom 21.01.2021 - 24 U 48/20) gibt Anlass, auf diesen ganz erheblichen Unterschied hinzuweisen. Der vollständige Verzicht ändert die Erbquoten und damit die im Rahmen etwaiger Pflichtteilsansprüche auszugleichenden Beträge.

Sofern nur auf den Pflichtteil verzichtet wird, bleibt der Verzichtende weiterhin gesetzlicher Erbe. Er verzichtet nur für den Fall, dass er ganz oder teilweise von der Erbschaft ausgeschlossen wird darauf, seinen Pflichtteil geltend zu machen. Gibt es beispielsweise zwei Erben und jeder wäre Erbe zu 1/2, würde ein Pflichtteilsverzicht an der Tatsache, dass jeder 50% erbt nichts ändern.

An dieser Stelle bleibt einzuschieben, dass der gesetzliche Pflichtteil gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ausmacht. Im soeben dargestellten Fall betrüge der Pflichtteil, sofern einer der Erben beispielsweise testamentarisch von der Erbfolge ausgeschlossen würde und keinen Pflichtteilsverzicht ausgesprochen hätte, 25 %.

Selbst wenn aber ein Pflichtteilsverzicht ausgesprochen wird, blieben die Quoten bei jeweils 50%. Sofern es keine letztwilligen Verfügungen gäbe und das gesetzliche Erbrecht anwendbar wäre, würden beide zu je 1/2 Erben werden. Würde ein Erbe von der Erbschaft ausgeschlossen werden, so bliebe es bei der theoretischen Erbquote von 50% und der Pflichtteilsanspruch dieser Person betrüge 25%.

Anders ist es bei einem vollständigen Erbverzicht. Bei einem solchen vollständigen Erbverzicht wird der verzichtende Erbe bei der Berechnung der Erbquote gemäß § 2310 Satz 2 BGB nicht mitgerechnet. Im obigen Beispiel würde dies bedeuten, dass bei einem Verzicht die Erbquote bei dem nichtverzichtenden Erben 100% betrüge. Kurz gesagt, wer einen vollständigen Erbverzicht ausspricht, wird so behandelt als ob es ihn nicht gäbe, § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB.

In dem vom OLG Köln entschiedenen Fall führte diese Tatsache zu einem etwas kuriosen Ergebnis. Zunächst bestimmt § 2348 BGB, dass ein Erbverzicht oder Pflichtteilsverzicht der notariellen Beurkundung bedarf. Hier statuiert § 127a BGB die Ausnahme, dass die notarielle Beurkundung bei einem gerichtlichen Vergleich durch die Aufnahme der Erklärung in ein nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes Protokoll ersetzt werden kann. Dies birgt allerdings ganz erhebliche Gefahren, da die Notwendigkeit, den Verzicht notariell beurkunden zu lassen vor allem zur Sicherung der sachkundigen Belehrung gem. § 17 BeurkG (Schutzfunktion), dem Schutz vor unüberlegten, übereilten Handlungen (Warnfunktion) und der Sicherung des Beweises über Abschluss und Inhalt des Erbverzichts als weitreichende Verzichtserklärung (Beweisfunktion) dient (BeckOK BGB, Hau/Poseck, 59. Edition, Stand: 01.08.2021, § 2348 BGB Rn. 1).

Hier war es nun so, dass es zwei Töchter und somit zwei Erben gab. In einem in der Vergangenheit liegenden Gerichtsverfahren hatte nun die eine Tochter zu Protokoll einen Erbverzicht erklärt. Somit war (jedenfalls rein rechtlich) klar, dass diese Person bei einem etwaigen zukünftigen Erbfall so behandelt würde, als ob sie nicht mehr lebe, § 2346 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nun wurde aber im weiteren Verlauf genau diese Tochter, die den Erbverzicht erklärt hatte durch letztwillige Verfügung zur Alleinerbin bestimmt. Folge war nun, dass die andere Tochter, die keinen Verzicht erklärt hatte, testamentarisch von der Erbfolge ausgeschlossen war. Entsprechend hatte diese gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Pflichtteilsanspruch in Höhe des hälftigen Wertes des gesetzlichen Erbteils. Bei der Berechnung eben dieser sog. Erbquote werden, wie oben dargestellt diejenigen, die einen Erbverzicht erklärt haben, nicht mitgezählt. Da von zwei Töchtern eine einen Erbverzicht erklärt hatte, und diese nicht mitgezählt wird, ergibt sich eine Erbquote bei nur einer verbleibenden Tochter in Höhe von 100 %. Da nun diese Tochter durch letztwillige Verfügung vom Erbe ausgeschlossen worden war, erhielt sie einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte und somit in Höhe von 50 %.

Die etwas kuriose Folge ist, dass trotz eines Erbverzichts und einer Enterbung durch letztwillige Verfügung alle (zwei) Erben letzten Endes - wertmäßig - ihren gesetzlichen Erbteil erhalten. Einzuschränken ist dies dahingehend, dass der Pflichtteilsanspruch nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Zahlung in Geld ist.

Der Unterschied liegt darin, dass bei der gesetzlichen Erbfolge beide Töchter Eigentümerinnen von allem zu jeweils der Hälfte geworden wären und nach der jetzigen Gestaltung eine Tochter alles geerbt hat und die andere Tochter einen Anspruch auf Zahlung gegen die Erbin in Höhe des hälftigen Wertes der Erbmasse hat.

Was sich aus dem Sachverhalt soweit nicht ergibt ist die Frage, ob durch diese Gestaltung der Ausschluss der Verzichtenden nachträglich korrigiert werden sollte oder aber ob sich im weiteren Verlauf die Erblasserin dazu entschlossen hatte, die Verzichtende zu bedenken und die andere Tochter tatsächlich vom Erbe auszuschließen. Da die Sache im Berufungsverfahren (2. Instanz) entschieden worden ist, ist von letzterem auszugehen. Dies zugrunde gelegt zeigt das Urteil, wie gefährlich es ist, ohne ausreichend kompetente rechtliche Beratung durch gerichtlichen Vergleich einen Erbverzicht zu erklären und dass es sinnvoll ist, bei größeren Vermögensmassen die Verteilung durch rechtliche Beratung im Vorfeld zu regeln und gegebenenfalls im Anschluss durch ein notarielles Testament zu verfestigen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Frank Moser

Beiträge zum Thema