Bausparverträge - Kündigung durch Bausparkassen

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Viele Bausparer haben 2015 und teils auch schon früher von Ihrer Bausparkasse Kündigungsschreiben erhalten, obgleich die Bausparsumme noch nicht erreicht war. Die Bausparkassen versuchen, angesichts der aktuellen Niedrigzinsphase sich von älteren Bausparverträgen mit höheren Zinsen zu lösen. Es finden sich hier zahlreiche bekannte Namen wie Wüstenrot, LBS oder BHW und andere.

Rechtlich ist es umstritten, ob eine Bausparkasse einen zuteilungsreifen Bausparvertrag kündigen kann, wenn dieser noch nicht voll bespart ist, also die im Vertrag festgelegte Bausparsumme noch nicht erreicht wurde.

Es mehren sich jedoch die Gerichtsentscheidungen, die eine solche Kündigung für unzulässig erachten. So haben etwa die Landgerichte Stuttgart und Karlsruhe entschieden, dass für eine Kündigung vor Erreichen der Bausparsumme keine rechtliche Grundlage besteht und daher die Kündigung solcher Bausparverträge nicht wirksam ist.

Das Landgericht Karlsruhe hat in seinem Urteil vom 9. Oktober 2015 ausgeführt:

„Es wird einhellig die Meinung vertreten, dass in dem Bausparvertrag ein einheitlicher Darlehensvertrag zu sehen ist, bei welchem die Bausparkasse und der Bausparer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen. Die Einlagen des Bausparers stellen daher ein Darlehen an die Bausparkasse dar, so dass die Bausparkasse insoweit Darlehensnehmerin ist. Die Bausparkasse ist aber auch vor Zuteilung des Bauspardarlehens, jedenfalls so lange die Bausparsumme noch nicht voll angespart wurde, gleichzeitig Darlehensgeberin bezüglich des künftig zur Verfügung zu stellenden Bauspardarlehens. Dass die Auszahlung des Tilgungsdarlehens an den Bausparer in der Zeit vor der Zuteilung des Bauspardarlehens noch nicht erfolgt ist, sondern erst bei Vorliegen der vertraglich vereinbarten Voraussetzungen erfolgen wird, ändert nichts daran, dass die Bausparkasse bereits auch in der Ansparphase Darlehensgeberin ist. Denn bereits mit Abschluss des Bausparvertrags verpflichtet sie sich, dem Bausparer einen Geldbetrag in vereinbarter Höhe zur Verfügung zu stellen. Da auf Grund der vertraglichen Konstruktion des Bausparvertrags vor Zuteilung des Bauspardarlehens eine Kündigung des von der Bausparkasse empfangenen Darlehens ohne gleichzeitige Kündigung des von ihr zu gewährenden Darlehens nicht möglich ist, und ohnehin eine Teilkündigung bei einem einheitlichen Vertragsverhältnis nur im Fall einer gesetzlichen Gestattung oder bei einer entsprechenden vertraglichen Abrede zulässig ist (BGH NJW 1993, 1320, 1322 = juris Rn. 52), ist der Anwendungsbereich des gesetzlichen Kündigungsrechts aus § 489 BGB nicht eröffnet.“

Erst kürzlich wurde diese Rechtsprechung durch ein Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 12. November 2015, ergänzt. Das Landgericht Stuttgart stellte u.a. fest:

„Schließlich ist auch nicht deshalb auf den Zeitpunkt der Zuteilungsreife abzustellen, weil ansonsten kein tauglicher, an die Bausparkasse zu entrichtender Darlehensbetrag feststehe, an dem der „vollständige Empfang“ im Sinne der Vorschrift anknüpfen könnte (aA. aus der Rechtsprechung LG Ulm, Urteil v. 19.05.2015 - 10 O 404/14, Tz, 23, juris; LG Hannover, Urteil v. 30.06.2015 - 14 O 55/15, Tz. 22; LG Stuttgart, Urteil v. 04.08.2015 - 25 O 89/15; aus der Literatur Edelmann/Suchowerskyj, BB 2015, 1800, 1803; Weber ZIP 2015, 961, 964 f.).

Ein tauglicher Höchstdarlehensbetrag ist die Bausparsumme. Diese Summe ist der einzige Betrag, der zwischen den beiden Parteien fest vereinbart ist und der beiden Parteien hinsichtlich der Vertragslaufzeit und der Darlehenshöhe Planungssicherheit bietet, welche § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nach seiner Entstehungsgeschichte sicherstellen soll.

Sie stellt insbesondere die maximale Höhe dar, bis zu der der Bausparvertrag vom Kunden ohne Zweckverfehlung bespart werden kann. Mit Erreichen der Bausparsumme wird nämlich die Gewährung des Bauspardarlehens unmöglich (so auch LG Stuttgart, Urteil v. 15.10.2015 - 25 O 103/15). Ausweislich § 1 Abs. 2 S. 1 BauSparkG und § 1 Abs. 1 ABB ist dies jedoch ein prägendes Merkmal eines Bausparvertrags (vgl. Edelmann/Suchowerskyj BB 2015, 1800, 1801).“

„Soweit die Beklagte gegen ein Abstellen auf die Bausparsumme eingewandt hat, dass bei Erreichen der Bausparsumme bereits ein Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB bestehe (zu § 488 Abs. 3 BGB vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 14.10.2011 - 9 U 151/11), hat sie keinen Erfolg. Zwar wird § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB damit für Bausparverträge praktisch bedeutungslos. Es ist jedoch nicht zwingend, eine Norm so auszulegen, dass sie auf jeden denkbaren Sachverhalt Anwendung findet. Erforderlich ist nur, dass ihr überhaupt noch ein Anwendungsbereich verbleibt, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber Normen ohne jeglichen Anwendungsbereich schaffen wollte. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB verbleibt allerdings ein Anwendungsbereich bei gewöhnlichen Darlehen mit Festzinsbindung.“

Betroffene Bausparer sollten sich die Kündigung durch die Bausparkasse nicht ohne eine rechtliche Prüfung gefallen lassen. Wer die Bausparsumme noch nicht voll angespart hat, dürfte gute Chancen haben, den Bausparvertrag weiterzuführen. Bausparer, die eine Kündigung erhalten haben, sollten sich von einem auf das Bankrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten lassen.

Rechtsanwalt Ingo M. Dethloff verfügt als Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht über Erfahrung mit der vorzeitigen Kündigung von Bausparverträgen.


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