Betriebsbedingte Kündigung? Wie funktioniert das?

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Der Arbeitgeber stellt die Produktion ein, spart Stellen, gestaltet den Betrieb und die Arbeitsabläufe um, verlagert seine Produktion – dabei fallen häufig Arbeitsplätze weg. Wer davon schon einmal betroffen war, kann ein Lied davon singen: Vor betriebsbedingten Entlassungen in Deutschland ist man nicht immer geschützt. Aber fest steht auch: Für eine betriebsbedingte Kündigung gibt es komplizierte Spielregeln, die der Arbeitgeber einhalten muss. Dabei geht oft etwas schief.

Dann sollte ein auf Arbeitsrecht spezialisierter Anwalt die Lage genau prüfen.

Hier erklären wir einige wichtige Details

Der Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen beginnt in aller Regel aber erst ab einer Betriebsgröße von mehr als zehn regelmäßig beschäftigten Mitarbeitern, wobei Azubis nicht mitzählen. Wenn es sich also nicht um einen Kleinbetrieb handelt, muss die betriebsbedingte Kündigung „sozial gerechtfertigt“ sein, so das Kündigungsschutzgesetz. Wenn sie es nicht ist, dann ist die Kündigung unwirksam, der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer behalten.

Die Idee dahinter? Bestandsschutz vor Abfindungsschutz

Dahinter steht ein gesetzgeberisches Grundkonzept: Wer gegen die Entlassung klagt, bekommt seinen Arbeitsplatz wieder, also keinen Schadensersatz für die Entlassung, sondern „Wiedergutmachung“ in Gestalt der Wiedererlangung des Arbeitsplatzes. In vielen Fällen bleibt dies aber eine Wunschvorstellung.

Was mache ich also, wenn ich das eigentliche Ziel, den Arbeitsplatz wieder zu bekommen, nicht erreiche? Dann geht es „nur noch“ darum, eine möglichst große Abfindungssumme zu erreichen. Die Arbeitsstelle ist dabei aber unwiederbringlich verloren.

Wie funktioniert das denn nun mit der betriebsbedingten Kündigung?

Wie bereits oben beschrieben, benötigt der Arbeitgeber in Deutschland in Betrieben mit regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmern eine soziale Rechtfertigung, sprich: einen Grund für die Kündigung. Betriebsbedingte Gründe nennt das Gesetz „dringende betriebliche Erfordernisse“. Dringend heißt, alle anderen Möglichkeiten, den Arbeitnehmer unterzubringen oder sonst wie die Kündigung zu vermeiden, müssen ausscheiden. Bevor der Arbeitgeber kündigt, muss er also erst abklären, ob er wirklich keinerlei freie Stellen hat, die dem Arbeitnehmer angeboten werden könnten. Dazu zählen sogar Stellen, die gar nicht in das ursprüngliche Profil des Arbeitnehmers passen. Der Arbeitnehmer muss die Aufgaben aber mit zumutbarem Aufwand lernen können. Außerdem muss der Arbeitgeber nachprüfen, welcher Arbeitnehmer unter den vergleichbaren Arbeitnehmern einen höheren sozialen Schutz genießt. Das nennt man Sozialauswahl.

Außerdem muss er vorher den Betriebsrat, also die Mitarbeitervertretung, die im Betrieb möglicherweise gebildet ist, ordnungsgemäß anhören und vieles mehr.

Will der Arbeitgeber den Betrieb ganz zumachen, ihn verlagern oder betrifft dies auch nur größere Teile des Betriebs, muss der Arbeitgeber mit der Mitarbeitervertretung einen „Sozialplan“ aushandeln. Ein Sozialplan kann auch Abfindungen vorsehen. Der Arbeitnehmer hat aber ohne einen solchen Sozialplan mit Abfindungen in aller Regel keinen Anspruch auf Zahlung einer solchen Entlassungsentschädigung oder Abfindung, weder bei einer wirksamen, noch bei einer unwirksamen Kündigung. Ohne einen Betriebsrat ist man dann auf sich allein gestellt. Wenn die Aussichten einer Kündigungsschutzklage nicht besonders hoch oder zumindest unklar sind, kommt es dann häufig zum klassischen Vergleich, und der Arbeitgeber zahlt mehr oder weniger freiwillig eine Abfindung, um den Streit beizulegen und den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen zu müssen.

In der Europäischen Union gelten im Übrigen weitere Schutzvorschriften, die der Arbeitgeber beachten muss. So sind bei Massenentlassungen und Betriebsübergängen weitere Maßnahmen zu ergreifen, bevor gekündigt werden darf. Diese Regeln gelten also auch in den anderen Ländern der EU. So ist zum Beispiel bei einer Massenentlassung die Arbeitnehmervertretung sowie die zuständige Behörde (in Deutschland die Agentur für Arbeit) rechtzeitig über die geplanten Entlassungen, die Art der Arbeitsplätze, die Zahl der Betroffenen etc. zu informieren.

Was ist besser? Bestandsschutz oder Abfindungsschutz?

Man kann nun das System des Kündigungsschutzes in Deutschland kritisieren: Denn in seiner jetzigen Form führt es im Ergebnis nicht zu einem höheren Schutz gegen betriebsbedingte Kündigungen als in den Ländern, in denen nicht auf den Erhalt des Arbeitsplatzes geklagt, sondern nur eine Abfindung eingefordert werden kann.

Viele Arbeitsmarktexperten hielten das deutsche System des Kündigungsschutzes bisher für eines der arbeitnehmerfreundlichsten. Dies dürfte aber so nicht mehr gelten: Früher galt das Kündigungsschutzgesetz bereits in Betrieben mit mehr als fünf Arbeitnehmern, ab 2004 wurde der Schwellenwert dann auf mehr als zehn Beschäftigte erhöht, so dass viele Kleinbetriebe nicht mehr an die meisten Regeln des Kündigungsschutzgesetzes gebunden sind. Firmen bedienen sich außerdem zunehmend des Modells der befristeten Beschäftigung und anderer Sonderformen wie Werk- und Arbeitnehmerüberlassungsverträge, um vermeintlich mehr Flexibiliät für Auftragsschwankungen zu bekommen. 

Untersuchungen zeigen immer wieder, dass der gesetzliche und richterliche Schutz gegen Massenentlassungen in Deutschland im europäischen Vergleich eher schwach ausgeprägt ist. Die Kosten von Massenentlassungen bei Betriebsänderungen seien für deutsche Unternehmen vergleichsweise niedrig, der staatliche Einfluss in anderen Ländern höher, so z. B. in den Niederlanden oder Frankreich. So müssen dort erst bestimmte behördliche Erlaubnisse für Kündigungen erwirkt werden.

In Deutschland wird eher darauf gesetzt, dass Mitarbeitervertretungen und Arbeitgeber einvernehmliche Lösungen finden (siehe: Zachert, Verfahren und Kosten von Betriebsverlagerungen in ausgewählten Europäischen Ländern, 2008).

Eine staatliche Kontrolle bei solchen Unternehmensentscheidungen ist in Deutschland letztlich nicht vorgesehen. So gehört es zur ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, also des höchsten deutschen Arbeitsgerichts, dazu, dass unternehmerische Entscheidungen zum Personalabbau oder zur Umstrukturierung als solche nicht hinterfragt werden. Die Entscheidung muss weder wirtschaftlich sinnvoll sein, noch muss ihre Notwendigkeit irgendwie begründet werden. Das gesündeste Unternehmen mit dem tollsten Gewinn kann Stellen streichen. Allenfalls bei Willkür oder grober Fehlerhaftigkeit gibt es eine richterliche Überprüfbarkeit, diese steht aber nur auf dem Papier.

Immerhin gibt es noch einen gewissen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen durch die Vielzahl der Spielregeln, die oben angesprochen wurden.

Holen Sie sich als Betroffener in jedem Fall möglichst schnell Rat von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Außerdem gibt es vielerorts engagierte und fähige Betriebsräte, die sich um die Interessen der Belegschaften kümmern. In einigen Bundesländern gibt es sogar die Möglichkeit, Maßnahmen des Arbeitgebers zu stoppen, bevor der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat über die Betriebsänderung beraten und verhandelt hat. Ein solcher Unterlassungsanspruch hat sich allerdings noch nicht flächendeckend durchgesetzt, und ein Arbeitgeber, der wild entschlossen ist, Entlassungen durchzuziehen, wird sich davon nur schwer abbringen lassen.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart


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