Betriebsratsbeschlüsse zu Kündigungen und Kurzarbeit unwirksam?

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Seit Beginn der Covid-19-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen arbeiten Unternehmer und Betriebsräte an der Bewältigung der sich daraus ergebenden Probleme. Für viele wenn nicht nahezu alle Maßnahmen sind dabei Beschlussfassungen des Betriebsrats notwendig. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen und Schließung ganzer Betriebsstätten wurden dabei viele Beschlüsse – so hört man – auch "auf dem kurzen Dienstweg", also in Telefon- oder Videokonferenzen oder im Umlaufverfahren beschlossen. 

Dies ist deshalb problematisch, weil die ganz überwiegende Anzahl der Arbeitsrechtler und der arbeitsrechtlichen Literatur einig darin waren, dass Beschlussfassungen des Betriebsrats einer persönlichen Anwesenheit aller Betriebsräte in einer Versammlung bedürfen und dass Beschlüsse, die nicht in dieser Form zustande gekommen sind, unwirksam sind. 

Juristische Berater haben daher auch in der jetzigen Krise vor einer Beschlussfassung außerhalb einer formellen Betriebsratsversammlung gewarnt, allerdings stand immer auch die Aussage des Arbeitsministers vom 20.3.2020 im Raum, der ausdrücklich diese Beschlüsse als wirksam bezeichnet hat. Dies könnte allerdings nur unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben beachtlich sein, denn auch die vom Minister gegenüber der Presse geäußerte Meinung ist nicht in der Lage, wirksam bestehende Gesetze zu ändern.

Dies ist zwischenzeitlich wohl auch der Bundesregierung aufgefallen, nachdem die Kritik an dem unsicheren Rechtszustand nicht abgerissen ist. Am 09.04.2020 wurde mitgeteilt, dass die Bundesregierung ein Gesetz plant, mit dem jedenfalls vorübergehend eine virtuelle Betriebsratsversammlung und Beschlussfassung ermöglicht werden soll. Damit wird schon aus Gründen der Rechtssicherheit den Forderungen aus der Praxis entsprochen. 

Das Gesetz soll rückwirkend ab dem 01.03.2020 gelten. Hier wird natürlich die konkrete Ausgestaltung zu berücksichtigen sein, es ist jedoch fraglich, ob in allen Fällen eine Rückwirkung wirksam und wünschenswert ist. 

Dabei ist zu differenzieren: Sofern es um Beschlüsse geht, die keine negative Wirkung auf Dritte haben und die der internen Organisation oder der Ermöglichung der Beantragung von Fördermitteln etc. dienen, mag der Staat auch rückwirkend die formunwirksamen Beschlüsse heilen. 

Anders sieht das jedoch ggf. bei Kündigungen und Massenentlassungen aus. Hier dient die formal richtige Durchführung der Versammlung auch der Wahrung der Rechte der Beschäftigten. Die auf einer formal unzureichenden Beschlussfassung beruhenden Kündigungen sind daher unwirksam und die von den Arbeitnehmern eingereichten Kündigungsschutzklagen sind zur Zeit begründet, so dass sie im Falle einer gerichtlichen Entscheidung weiterzubeschäftigen sind. In diesen Zustand rückwirkend einzugreifen und die schon laufenden Kündigungsschutzklagen durch eine Rückwirkung zu entscheiden, scheint dagegen ungerecht, vor allem, weil dem betroffenen Arbeitnehmer die Nichteinhaltung der Formvorschriften nicht vorgehalten werden kann. 

Es wäre daher wünschenswert, wenn der Gesetzgeber diesen Aspekt in der Gesetzesfassung mit berücksichtigt. Andernfalls bleibt fraglich, ob die fehlerhafte Kündigung auch durch ein entsprechendes Gesetz wirklich nachträglich gerechtfertigt werden kann. Hiermit werden sich im Ergebnis die Gerichte zu befassen haben.

Heiko Effelsberg, LL.M.

Rechtsanwalt

Rechtsanwalt Heiko Effelsberg berät und vertritt seit vielen Jahren Arbeitnehmer und Arbeitgeber in allen Fragen des Arbeitsrechts. 2014/2015 war er Dozent für Arbeits- und Handelsrecht an der Hochschule Niederrhein. Seit 2019 trägt er das Fortbildungssiegel "Kündigungsschutzrecht" des DAI Deutschen AnwaltInstituts, der Fortbildungseinrichtung der Bundesrechtsanwaltskammer.


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