BGH – Härtefall Eigenbedarfskündigung – Ärztliches Attest nicht ausreichend.

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Die Beendigung des Mietverhältnisses bedeutet dann eine nicht zu rechtfertigende Härte für den Mieter, wenn die Kündigung auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist, bzw. angemessener Ersatzwohnraum unter zumutbaren Bedingungen nicht zu beschaffen ist (§ 574 BGB).

Entscheidend ist immer der Einzelfall.

Die Gerichte haben im Einzelfall festzustellen, ob ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses besteht (§ 573, Abs. 1 Satz 1 BGB).

Eigenbedarf setzt (Stellvertretend für viele: Entscheidung des BGH vom 16.12.2009; Az. VIII ZR 313/08) voraus, daß der Vermieter den Selbstnutzungswunsch ernsthaft beabsichtigt und die Wohnung benötigt (§§ 573, 573c BGB). Ein Vermieter, der schuldhaft eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ausspricht, der in Wahrheit nicht besteht, ist dem Mieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Dazu kann gehören: Höhere Neumiete, Maklerkosten, Umzugskosten. Dieser Schaden ist regelmäßig erheblich. Der Tatbestand des Betruges kann erfüllt sein.

BGH: Verschärfung der Anforderungen an die Härtefallprüfung.

Der BGH (Urteile v. 22.05.2019, Az. VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17) hat seine Rechtsprechung präzisiert und dazu im Wesentlichen ausgeführt, daß viele Gerichte diese Prüfung nicht in gebotener Tiefe durchführen. Denn auf beiden Seiten seien Grundrechtsgüter von staatlicher Seite, und damit auch von den Gerichten, zu berücksichtigen. Für den Vermieter spreche das Recht auf Eigentum, für den Mieter hingegen das Recht auf Gesundheit. In beiden Fällen ging es um hochbetagte Mieter, die schon über 40 Jahre die streitgegenständlichen Immobilien bewohnten.

Ausschlaggebend: Sachverständigengutachten.

Zu prüfen ist also z. B., welche physischen Verschlechterung für den Mieter eintreten. Auch psychische Gründe können ausschlaggebend sein. Der BGH weist auf eine seiner früheren Entscheidung hin, nach der bei entsprechendem Sachvortrag des Mieters das Gericht stets durch Sachverständigengutachten die gesundheitlichen Umzugsfolgen zu prüfen habe. Insbesondere müsse festgestellt werden, wie schwer die Gesundheitsbeeinträchtigungen sein und mit welcher Wahrscheinlichkeit sie eintreten könnten.

Das Sachverständigengutachten bewertet die besondere Härte des Einzelfalles, da hohes Alter oder lange Mietdauer regelmäßig nicht pauschal für eine besondere Härte sprechen. Erforderlich ist ein qualifizierter Sachvortrag des Mieters mit Vorlage von ärztlichen Attesten, die eine Überprüfung des Gesundheitszustandes erforderlich machen. 

Nicht ausreichend ist ein ärztliches Attest.

Eine ärztlich bescheinigte Depression genügt dem BGH nicht (BGH, Urt. v. 28.04.2021, AZ: VIII ZR 6/19). In Attesten wurde unter anderem auf eine Depression mit Suizidversuchen verwiesen, die auch Magen-, Herz- und Kreislaufbeschwerden verursache. Ferner bescheinigten sie dem Mieter eine Räumungsunfähigkeit, weil dieser "aus medizinisch-orthopädischer Sicht außerstande sei, Gegenstände mit einem Gewicht über zehn Kilogramm zu heben". Aus Sicht des BGH reicht das aber nicht aus. Statt­des­sen müsse ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten zu Art, Um­fang und kon­kre­ten Aus­wir­kun­gen der be­haup­te­ten Er­kran­kun­gen auf die Le­bens­füh­rung des Mie­ters im All­ge­mei­nen und im Fall des Ver­lusts der ver­trau­ten Um­ge­bung ein­ge­holt wer­den.  


Rechtsanwalt Holger Hesterberg

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein



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