BU – wann bin ich berufsunfähig? Welcher Beruf ist dazu maßgeblich?

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Der von dem Versicherten ausgeübte Beruf ist der absolute Dreh- und Angelpunkt der Frage, ob ein Versicherter Anspruch auf eine BU-Rente hat oder nicht.

In den allermeisten Bedingungen von Berufsunfähigkeits-Versicherungen wird auf den konkreten Beruf abgestellt, der zuletzt tatsächlich ausgeübt wird. Dabei kommt es nicht auf ein abstraktes Berufsbild an, sondern wie der Beruf konkret und tatsächlich in seinen Einzelheiten ausgeübt wurde.

Meist mehrere Einzeltätigkeiten

In der Regel setzt sich eine berufliche Tätigkeit auch aus mehreren Einzeltätigkeiten zusammen. Bei einer Einzeltätigkeit kann es sich um eine sogenannte prägende Einzeltätigkeit handeln. 

Eine solche prägende Einzeltätigkeit liegt dann vor, wenn diese Verrichtung für den Beruf wesentlich, also „prägend“ sind. Eine solche prägende Einzeltätigkeit liegt in der Regel dann vor, wenn man diese prägende Einzeltätigkeit wegdenkt, der Versicherte kein „ordentliches“ Arbeitsergebnis mehr liefern kann.

Beispielsfall beim Bundesgerichtshof

In einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 19.07.2017 zum Aktenzeichen IV ZR 535/15) wurde als prägende Einzeltätigkeit einer Haushälterin und Köchin das Einkaufen angesehen. 

Die Versicherte konnte zwar noch kochen und die anderen Haushaltstätigkeiten vornehmen, aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen war sie jedoch nicht mehr in der Lage einzukaufen bzw. die schweren Einkäufe ins Auto einzuladen und vom Auto wieder zur Arbeitsstelle auszuladen. 

Die Einkaufstätigkeit hat zeitlich weniger als 10 % der gesamten Arbeitszeit ausgemacht. Dennoch wurde die Versicherte als berufsunfähig angesehen, weil der Bundesgerichtshof ausführte, dass es sich bei dem Einkaufen um eine wesentliche, prägende Einzeltätigkeit handelt. Denn ohne das Einkaufen konnte die Versicherte kein ordentliches Gesamtergebnis ihrer Arbeit liefern.

Vorteil prägende Tätigkeit: berufsunfähig – selbst bei nur 5 % der gesamten Arbeitszeit

Aus dieser Entscheidung kann man den Vorteil sehen, wenn eine solche prägende Einzeltätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich ist. 

Es spielt überhaupt keine Rolle, welchen zeitlichen Anteil die prägende Tätigkeit an der Gesamttätigkeit hat. Auch eine prägende Einzeltätigkeit, die nur 5 % der Gesamtzeit in Anspruch nimmt, führt dann trotzdem zu einer Berufsunfähigkeit und damit zu Ansprüchen auf eine BU-Rente.

Viele Ablehnungen der Versicherer sind deshalb falsch und angreifbar

Rechtsanwalt Dawood hierzu:

„Aus unserer täglichen Erfahrung zeigt sich, dass schon allein aus diesem Grund viele Ablehnungen von Berufsunfähigkeits-Renten fehlerhaft sind. Oft wird von den Sachbearbeitern der Versicherer eine Berufsunfähigkeit allein schon deshalb abgelehnt, weil behauptet wird, der Versicherte könne mehr als 50 % seiner Arbeitszeit wahrnehmen. In vielen solcher Fälle wird auf prägende Einzeltätigkeiten gar nicht eingegangen.

Das ist aber auch einer der Punkte, wo die Versicherten selbst erheblich zu ihren Erfolgsaussichten beitragen können. Schildern Sie unbedingt einzelne prägende Tätigkeiten Ihres Berufsbildes und warum diese aufgrund von welchen gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr möglich sind.“

Die Grundsätze der prägenden Einzeltätigkeiten gelten für alle Berufszweige, also auch für Selbstständige.

Versicherungsvermittler – prägende Tätigkeit Pkw fahren

Ein weiteres Beispiel hierfür ist ein Selbstständiger Inhaber einen kleinen Versicherungsagentur. Dieser hat Schreibtischarbeit in seinem Büro zur Vorbereitung und Erledigung seiner Vermittlungstätigkeit. Er muss aber auch seinen verstreuten Kundenstamm regelmäßig aufsuchen und benutzt dafür seinen Pkw. 

Ist aus gesundheitlichen Gründen ein Fahren mit dem Pkw nicht mehr möglich, ist in dem Pkw-Fahren eine prägende Einzeltätigkeit anzusehen und selbst wenn das Pkw-Fahren nur einen kleinen Teil seiner Arbeitszeit einnimmt, ist insgesamt eine Berufsunfähigkeit gegeben.

Rechtsanwalt – prägende Tätigkeit: lesen

Für die berufliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts wurde nachvollziehbarerweise die Lesefähigkeit als prägende Einzeltätigkeit angenommen. Kann ein Rechtsanwalt nicht mehr lesen (beispielsweise durch eine Erblindung), liegt eine Berufsunfähigkeit vor.

Fußpflegerin und Kosmetikerin – prägende Tätigkeit Fußpflege, obwohl nur 30 % der Gesamttätigkeit

In einer Entscheidung des OLG Saarbrücken (Beschluss vom 19.12.2013, 5 W 69/13) wurde beispielsweise bei einer Kosmetikerin und Fußpflegerin eine Berufsunfähigkeit aufgrund des Wegfalls einer prägenden Einzeltätigkeit bejaht. 

Diese hatte nur 30 % ihrer Gesamttätigkeit tatsächlich eine Fußpflege durchgeführt. Obwohl dies nur 30 % der Gesamttätigkeit ausmacht, wurde eine Berufsunfähigkeit insgesamt bejaht.

Notarzt – behandeln in kniender Stellung ist prägende Einzeltätigkeit

Das OLG Saarbrücken hat in einem Urteil vom 29.06.2011, 5 U 297/09 eine Berufsunfähigkeit eines Notarztes angenommen. Dieser konnte nicht mehr knien, die sonstige ärztliche Tätigkeit aber noch ausüben. 

Das Gericht hat die knieende Behandlung, die beispielsweise bei Unfallopfern immer wieder notwendig ist, als prägende Einzeltätigkeit angenommen.

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