Bundespatentgericht: „Neuschwanstein“ ist nicht als Marke eintragungsfähig

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I. Ausgangsfall

Die 2005 angemeldete Marke „Neuschwanstein" ist am 4. Oktober 2005 unter anderem für „Reisedienstleistungen, Beherbergung und Verpflegung von Gästen", aber auch für eine Vielzahl weiterer Waren und Dienstleistungen wie "Kerzen, Raucherartikel", also Souvenirartikel, und u.a. Finanzdienstleistungen und Transportdienstleistungen eingetragen worden. Gegen diese Eintragung stellte ein Dritter einen Löschungsantrag, weil er der Auffassung war, dass der Begriff „Neuschwanstein" nicht als Marke hätte eingetragen werden dürfen. Die Löschungsabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) entsprach dem Löschungsantrag. Hiergegen wandte sich der Markeninhaber mit der Beschwerde zum Bundespatentgericht (BPatG).

II. Die Möglichkeiten, gegen eine eingetragene Marke vorzugehen

Das DPMA prüft grundsätzlich nur, ob einer Markenanmeldung sogenannte absolute Schutzhindernisse entgegenstehen. Es wird also im Anmeldeverfahren nur geprüft, ob die Marke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen überhaupt schutzfähig ist und damit als Marke dienen kann. Ob bereits ältere identische oder ähnliche Marken eingetragen sind, prüft das Amt hingegen nicht. Hier muss der Inhaber einer älteren Marke selbst mit dem Widerspruch oder einer Klage gegen eine jüngere Marke vorgehen. Aber auch die Entscheidung des Amtes, eine Marke als schutzfähig zu bewerten und einzutragen, kann von jedem beliebigen Dritten angegriffen werden. Innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren nach der Eintragung (bei bestimmten Schutzhindernissen: 2 Jahre) kann der Dritte einen Löschungsantrag gegen die Eintragung stellen mit der Begründung, die Marke sei nicht schutzfähig.

III. Die Entscheidung des BPatG

Die wichtigsten und mit Abstand am häufigsten auftretenden absoluten Schutzhindernisse für eine Marke sind die fehlende Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) und ein bestehendes Freihaltebedürfnis für die Marke (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Das BPatG unterscheidet in seinem Beschluss vom 4. November 2010 (Az.: 25 W (pat) 182/09) zunächst zwischen den Dienstleistungen „Veranstaltung von Reisen; Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen" und den weiteren Waren und Dienstleistungen, für die die Marke eingetragen war.

a) Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG

Für die Dienstleistungen „Veranstaltung von Reisen; Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen" liege ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vor. Danach sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, welche ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der (beanspruchten) Waren oder der Erbringung der (beanspruchten) Dienstleistungen dienen können. Durch dieses absolute Schutzhindernis sollen beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz ausgeschlossen werden, weil die Allgemeinheit ein Bedürfnis an der freien Verwendung dieser Begriffe hat, wobei bereits eine bloße potentielle Beeinträchtigung der freien Verwendbarkeit des Begriffs ausreicht. Es genügt also, wenn die angemeldete Marke in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (EuGH GRUR 1999, 723 - Chiemsee; EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor). Vor diesem rechtlichen Hintergrund bewertet das BPatG die Bezeichnung „Neuschwanstein" als freihaltebedürftig. Ein wesentliches Merkmal der „Veranstaltung von Reisen" sei das jeweilige Reiseziel, da hierdurch die Art, die Beschaffenheit bzw. die Bestimmung der Reisedienstleistungen angegeben werde. Durch das Wort „Neuschwanstein" werde das im 19. Jahrhundert im Auftrag von König Ludwig II. gebaute Schloss in Schwangau als Reiseziel eindeutig und ausschließlich bezeichnet. Typischerweise würden im Rahmen von Reisedienstleistungen zu bedeutenden Sehenswürdigkeiten auch „Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen" erbracht, so dass die Bezeichnung „Neuschwanstein" auch insoweit Merkmale dieser Dienstleistungen ihrer Art nach unmittelbar dahingehend beschreibe, dass diese in einem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Reise zum Schloss Neuschwanstein oder einem Besuch dieses Schlosses erbracht würden.

b) Fehlende Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG

Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2004, 428 - Henkel; BGH GRUR 2006, 850 - FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet. Ferner fehlt die Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH - FUSSBALL WM 2006). Nach Auffassung des BPatG liegt hier insgesamt, also auch in Bezug auf die weiteren Waren und Dienstleistungen, fehlende Unterscheidungskraft vor. Denn die Unterscheidungskraft fehle nicht nur, wenn die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschrieben werden. Sie könne auch solchen Angaben fehlen, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache bestehen. Diese Wörter werden auch ohne beschreibenden Bezug nicht als Herkunftshinweis für Waren oder Dienstleistungen benutzt (BGH GRUR 2001, 1042 - REICH UND SCHOEN). Hierzu gehört nach der Entscheidung des BPatG auch eine Bezeichnung, die eine Touristenattraktion bezeichnet, wenn es sich um eine herausragend bekannte Touristenattraktion handelt, in deren Umfeld Waren verschiedenster Art, so z. B. Souvenirartikel oder sonstige Bedarfsartikel angeboten werden. Der Verkehr werde dann die sprachübliche Bezeichnung dieser Touristenattraktion im Zusammenhang mit solchen Waren nicht als betrieblichen Herkunftshinweis ansehen, sondern nur als beschreibenden Hinweis dahingehend, an welchem Ort diese Waren angeboten werden.

IV. Fazit

Der Beschluss des BPatG zeigt, dass trotz Prüfung auch schutzunfähige Bezeichnungen als Marke eingetragen werden. Hierzu hält das Markengesetz ein kostengünstiges Verfahren mit dem Löschungsverfahren bereit, dass Dritte in die Lage versetzt, eine derartige Marke löschen zu lassen. Denn wenn der Markeninhaber aus einer eigentlich schutzunfähigen Marke abmahnt und Antrag auf einstweilige Verfügung stellt oder Klage erhebt, sind alle Beteiligten zunächst an die Eintragung der Marke gebunden, auch die Gerichte, die über eine Markenverletzung entscheiden. Erst das Löschungsverfahren kann daher die notwendige Sicherheit geben und zur Löschung der Marke führen. Die Entscheidung führt letztlich die Rechtsprechung zu Bezeichnungen weiter, die grundsätzlich für bestimmte Waren und Dienstleistungen nicht freihaltebedürftig sind, bei denen es sich aber um gebräuchliche Bezeichnungen für bekannte Ereignisse oder Orte handelt, die nicht als Marke dienen, also als Herkunftshinweis. Die Funktion der Marke als Herkunftshinweis wird nicht zuletzt auch vom EuGH immer wieder betont.

Rechtsanwalt Axel Dreyer, LL.M. Gewerblicher Rechtsschutz

Schürmann Wolschendorf Dreyer

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