BVerfG zu § 31a SGB II: 60 % Sanktion und vollständiger Wegfall des ALG II verfassungswidrig

  • 2 Minuten Lesezeit

Bislang konnten die Jobcenter bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 SGB II eine Minderung des Regelbedarfs um 60 Prozent gemäß § 31a Abs. 1 Satz 2 SGB aussprechen.

Die entsprechende gesetzliche Regelung ist jetzt von dem Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 05.11.2019, Az.: 1 BvL 7/16) für verfassungswidrig erklärt worden und darf nicht mehr angewendet werden.

Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht (vgl. Pressemitteilung des BVerfG Nr. 74/2019 v. 05.11. 2019) folgendes ausgeführt:

„Die im Fall der ersten wiederholten Verletzung einer Mitwirkungspflicht nach § 31a Abs. 1 Satz 2 SGB II vorgegebene Minderung der Leistungen des maßgebenden Regelbedarfs in einer Höhe von 60 % ist nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. In der Gesamtabwägung der damit einhergehenden gravierenden Belastung mit den Zielen der Durchsetzung von Mitwirkungspflichten zur Integration in den Arbeitsmarkt ist die Regelung in der derzeitigen Ausgestaltung auf Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse über die Eignung und Erforderlichkeit einer Leistungsminderung in dieser Höhe verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, erneut zu sanktionieren, wenn sich eine Pflichtverletzung wiederholt und die Mitwirkungspflicht tatsächlich nur so durchgesetzt werden kann. Doch ist die Minderung in der Höhe von 60 % des Regelbedarfs unzumutbar, denn die hier entstehende Belastung reicht weit in das grundrechtlich gewährleistete Existenzminimum hinein.“

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 05.11.2019 (Az.: 1 BvL 7/16) darf also eine von den Jobcentern bei erster wiederholter Pflichtverletzung ausgesprochene Minderung des Leistungsanspruchs nicht über 30 % hinausgehen.

Aber auch der vollständige Leistungsentzug bei erneuter wiederholter Pflichtverletzung kann nicht mehr auf § 31a Abs. 1 Satz 3 SGB II gestützt werden, da auch die diesbezügliche gesetzliche Regelung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 05.11.2019 (Az.: 1 BvL 7/16) verfassungswidrig ist.

Aufgrund dieser Entscheidung besteht zudem die Möglichkeit, bereits bestandskräftige Sanktionsbescheide rückwirkend wieder aus der Welt zu schaffen.

Insoweit kann mit entsprechender Begründung auch noch für Sanktionszeiträume aus 2018 ein Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X gestellt werden. Ein solcher Antrag sollte jedoch noch vor Ablauf des Jahres 2019 gestellt werden, sofern Sanktionszeiträume aus 2018 überprüft werden sollen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Franz-Emanuel Bosin

Beiträge zum Thema