BVerwG: Frühere Versäumnisse beim Spracherwerb hindern Einbürgerung nicht

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„Der Einbürgerungsbewerber hat es in der Vergangenheit vor Beginn der Krankheit versäumt, die entsprechenden Sprachkenntnisse zu erwerben. Aus diesem Grunde kann die Einbürgerungsbehörde keine Ausnahme von der Voraussetzung der Einbürgerung, der ausreichenden Kenntnis der deutschen Sprache, machen.“

So oder so ähnlich lautet häufig der Einwand der Einbürgerungsbehörden in der Praxis, wenn von einem Analphabeten geltend gemacht wurde, dass etwa aufgrund eines Schlaganfalls oder einer Demenz die deutsche Sprache nicht mehr erlernen kann.

Der Autor hatte beimVerwaltungsgericht Stuttgart AZ: 11 K 839/11 im Jahre 2011 eine vergleichbare Sachlage prüfen lassen:

Die damalige Klägerin war Analphabetin und hat die deutsche Sprache nicht sprechen können. Im Juni 2009 erlitt sie einen Schlaganfall, ist seither schwerbehindert und leidet unter komplexen kognitiven Störungen.

Die Einbürgerungsbehörde lehnte den Einbürgerungsantrag mit der Begründung ab, dass sich die Klägerin in den Jahren vor ihrer Erkrankung hinreichend bemüht habe, die deutsche Sprache zu erlernen.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat der Klägerin im Jahr 2011 Recht gegeben und hat schon damals wie folgt argumentiert:

Entscheidend ist nicht, ob sich ein Einbürgerungsbewerber die entsprechenden Kenntnisse in der Vergangenheit habe aneignen können. Vom Erfordernis der ausreichenden Sprachkenntnisse ist deshalb auch dann ausnahmsweise im Krankheitsfall abzusehen, wenn sich der Einbürgerungsbewerber bereits seit vielen Jahren oder Jahrzehnten in Deutschland aufhalte und er sich in früherer Zeit die geforderten Kenntnisse hätte aneignen können.

Diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes Stuttgart hat nunmehr das Bundesverwaltungsgericht mit der Entscheidung vom 05.06.2014 bestätigt:

„Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) setzt die Einbürgerung voraus, dass ein Ausländer über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt.

Von dieser Voraussetzung wird nach dem im Jahr 2007 in das Gesetz eingefügten Absatz 6 der Vorschrift abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

Für die Anwendung dieses Ausnahmetatbestands kommt es nach dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang nur auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbürgerungsantrag an.

Ob der Ausländer in der Vergangenheit ausreichende Sprachkenntnisse hätte erwerben können, ist auch nach der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift ohne Bedeutung. Zwar hat der Gesetzgeber die Sprachanforderungen bei der Einbürgerung im Laufe der Zeit kontinuierlich verschärft. Zugleich hat er aber im Änderungsgesetz von 2007 auch eine Ausnahmeregelung zugunsten von kranken oder behinderten Personen sowie Personen geschaffen, die diese Anforderungen aufgrund ihres Alters nicht mehr erfüllen können. Da die Klägerin mit Ausnahme des Spracherfordernisses alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt, die notwendigen Sprachkenntnisse aber krankheitsbedingt nicht mehr erwerben kann, ist hiervon abzusehen und die Klägerin einzubürgern.“

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung vom 06.06.2014

Mitgeteilt von RA Ulrich Hekler

Rechtsanwalt Hekler berät im Bereich des Einbürgerungs- und Ausländerrechtes bundesweit. Er ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Mitglied im Deutschen Anwaltsverein und Mitglied des Arbeitskreises für Ausländer- und Asylrecht.


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