Corona-Krise: befristete Gesetzesänderungen für Verpflichtungen aus Dauerschuldverhältnissen
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Die aktuellen Gegebenheiten stellen eine Vielzahl von Schuldnern vor erhebliche Probleme, denn mit fehlenden eigenen Zahlungseingängen wird es eng, bestehende Verpflichtungen aus laufenden Verträgen zu bedienen. Das hat auch der Gesetzgeber erkannt und kurzfristig ein Gesetzespaket erlassen, in welchem u. a. auch mögliche Lösungen für Schuldner in Bezug auf sogenannte Dauerschuldverhältnisse geregelt werden.
Die hier kurz zu besprechenden Punkte werden in Art. 240 § 1 Abs. 1 bis 3 EGBGB (sog. Einführungsgesetz zum BGB) geregelt sein und betreffen wesentliche Dauerschuldverhältnisse als Verbraucherverträge sowie Verträge von Kleinstunternehmen. Für Mietzahlungen oder Darlehensverträge gelten gesonderte Regelungen, die hier bereits von Kollegen zahlreich besprochen worden sind. Der Bundestag hat am 25.03.2020 zugestimmt, das Gesetz wird am 27.03.2020 den Bundesrat passieren und damit in Kürze in Kraft treten.
Für wen gilt dies und welche Verträge sind betroffen?
Zunächst gilt dies für alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse mit Verbrauchern. Dabei sind wesentliche Verträge die Verträge, welche zur Daseinsvorsorge notwendig sind. Das sind in erster Linie laufende Verträge über Strom, Gas, Telekommunikation, ggf. auch Wasserversorgung.
Daneben gelten temporären Leistungsverweigerungsrechte auch für Kleinstunternehmen. Kleinstunternehmen sind dabei Unternehmen, welche weniger als 10 Beschäftigte haben und einen Umsatz bis 2 Mio. € im Jahr erzielen. Bei einem Kleinstunternehmen sind diejenigen wesentlichen Dauerschuldverhältnisse vom temporären Leistungsverweigerungsrecht betroffen, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung seines Erwerbsbetriebs erforderlich sind.
Ferner sind für Kleinstunternehmen auch solche Dauerschuldverhältnisse relevant, die nicht auf eine Zahlung des Kleinstunternehmens ausgerichtet sind, sondern aus denen das Unternehmen selbst sonstige Leistungen, z. B. Dienstleistungen, erbringen muss. Sofern die Erbringung der geschuldeten Leistung derzeit nicht möglich ist, kann auch hierbei auf das Leistungsverweigerungsrecht zurückgegriffen werden.
Was ist der wesentliche Punkt der Leistungsverweigerung?
Entscheidend ist, dass der jeweilige Verbraucher oder das Kleinstunternehmen seine Leistung, dabei sicherlich in aller Regel die Zahlung, temporär nicht erbringen muss. Er gerät dabei nicht in Verzug und muss ebenso keinen möglichen Schadensersatz entrichten. Der Gläubiger auf der anderen Seite, ist dennoch zur Leistung aus dem jeweiligen Vertrag verpflichtet. So wird gewährleistet, dass Lieferung von Strom, Gas, Telekommunikation etc. auch im Engpass der Krise geliefert wird.
Gilt das für alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse?
Von der Regelung sind all diejenigen Verträge erfasst, welche vor dem 08.03.2020 geschlossen worden sind. Nur für diese Verträge gilt das Leistungsverweigerungsrecht. Bei allen Verträgen, welche nach dem 08.03.2020 geschlossen worden sind, geht der Gesetzgeber davon aus, dass diese in Kenntnis der aufkommenden Krise und damit in Kenntnis der entsprechenden Risiken geschlossen worden sind. Ob es hierzu im Einzelfall Ausnahmen geben kann und wie mit diesen umzugehen ist, bleibt abzuwarten.
Treten meine Rechte automatisch ein oder muss ich irgendetwas dafür tun?
Bei den genannten Möglichkeiten handelt es sich um sogenannte „Einreden“. Das bedeutet, der betroffene Schuldner muss sich gegenüber seinem Gläubiger ausdrücklich darauf berufen. Die Wirkung der Gesetzesregelungen treten nicht automatisch per Gesetz ein. Wichtig dabei ist: Der jeweilige Schuldner, der sich auf diese neue temporäre Regelung beruft muss darlegen, dass der aktuelle Engpass, welcher zur Leistungsverweigerung führt, auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführen ist. Nur dann greift das Leistungsverweigerungsrecht. Bei anderen oder aber im Zweifel komplett selbstverschuldeten Engpässen trifft den Schuldner wie bisher seine Leistungspflicht.
- Bsp.: Wer im Januar und Februar 2020 keine Leistung erbracht hat, wird sich bei einer erneuten Leistungsverweigerung im März und April möglicherweise nur schwerlich auf die Auswirkung der Pandemie berufen können.
- Bsp.: wer ein günstiges Angebot für ein teures technisches Gerät findet, dieses kauft und sodann kein Geld mehr für die sonstige Zahlungspflichten wie etwa für Gas und Strom hat, der wird sich ebenso wenig auf die Auswirkung der Pandemie berufen können.
- Bsp.: Wer als Kleinstunternehmer allein tätig ist und zu einer regelmäßigen Zahlung verpflichtet ist, nun aufgrund der verordneten Beschränkungen mit einem de facto Berufsverbot konfrontiert ist, nicht seiner Arbeit nachgehen kann und daher keinerlei Einnahmen hat, der wird sich durchaus auf die Auswirkung der Pandemie berufen können.
Wie lange kann ich mich auf das Leistungsverweigerungsrecht berufen?
Die Regelungen sind zunächst bis zum 30.06.2020 befristet. Der Gesetzgeber behält sich aber vor, diese Regelungen zu verlängern, sollte sich die derzeitige Pandemie-Situation auch über den Zeitraum 30.06.2020 hinweg wesentlich auswirken. Die Regelungen zu den Leistungsverweigerungsrechten bei wesentlichen Dauerschuldverhältnissen sollen zum 01.04.2020 in Kraft treten. Es besteht jedoch auch eine Rückwirkung etwa für Leistungen, welche im März noch nicht erbracht worden sind und für die bereits Verzug eingetreten ist. Damit betrifft das Leistungsverweigerungsrecht effektiv etwaige Verpflichtungen der Monate März bis Juni 2020.
Was ist mit dem Gläubiger? Dem fehlen doch dann genauso mögliche Zahlungseingänge oder ähnliche Leistungen?
Das ist richtig und daher sind die Gläubigerrechte in Art. 240 § 1 Abs. 3 EGBGB geregelt. Die Weigerung die Leistung zu erbringen ist nur dann möglich, wenn der jeweilige Gläubiger nicht seinerseits in seiner Existenz gefährdet wird. Oder anders gesagt: Die Rettung des Schuldners soll nicht den Untergang des Gläubigers bewirken. Das scheint ein wenig der Knackpunkt und Pferdefuß der Regelung zu sein. Abgesehen von größeren Unternehmern als Gläubiger dürfte in der derzeitigen Situation jegliche Leistungsverweigerung schnell die Grenzen des Zumutbaren des Gläubigers ausreizen, etwa wenn die Leistung von einem kleinen regionalen Anbieter erbracht wird.
Wie das gelöst werden soll, lässt der Gesetzgeber ein wenig offen. Zwar sieht Abs. 3 vor, dass in diesem Fall dem Schuldner das Recht zur Kündigung zusteht. Begründet wird dies damit, dass dadurch der Gläubiger die Möglichkeit erhält, die für ihn notwendige Leistung von einem anderen zu erhalten. Allerdings dürfte der Haken sein, dass möglicherweise schlicht kein anderer existiert, der diese Leistung erbringen kann.
Muss ich die Leistungen, welche ich erst einmal verweigern kann, später nachholen oder entfällt meine Pflicht grundsätzlich?
Die Gesetzesbegründung drückt sich hier relativ klar aus: „Die primäre Leistungspflicht bleibt grundsätzlich bestehen und ist nach Ablauf des Moratoriums zu erfüllen.“ Mit anderen Worten: Nach Ablauf des 30.06.2020 oder alternativ nach Ablauf einer möglichen Verlängerung sind die nicht erbrachten Zahlungen bzw. Leistungen vorzunehmen. Das Gesetz bietet hierfür lediglich einen Aufschub, an den sich keine weiteren gravierende Folgen, wie etwa Schadensersatzansprüche, mögliche Vollstreckung usw. knüpfen.
Bis wann muss ich meinen Verpflichtungen später nachkommen?
Da hält sich der Gesetzgeber ein wenig bedeckt. Für Miet- und Pachtverträge ist die Rückzahlung der gestundeten Beträge halbwegs geregelt, ebenso für Darlehensverträge. Das bleibt für sonstige Dauerschuldverhältnisse also erst einmal abzuwarten. Sollte sich jedoch ab Jahresmitte die Situation langsam verbessern und es nicht zu einer Verlängerung über den 30.06.2020 hinauskommen, dann dürfte in jedem Fall klar sein, dass sich die maximale Geduld des jeweiligen Gläubigers an der regelmäßigen Verjährungsfrist messen wird.
Im Ergebnis ist der Gesetzesentwurf sicherlich zu begrüßen und gibt einiges an Sicherheit was Zahlungsschwierigkeiten für die Krisenzeit betrifft. Eine allumfassend zufriedenstellende Lösung konnte sicherlich nicht in der Kürze der Zeit erwartet werden. Die teilweisen Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten sind daher hinzunehmen. Wie so oft zeigt sich die Effektivität vermutlich erst im Rahmen der tatsächlichen Umsetzung. Für den Einzelnen ist zunächst wichtig, bei Bestehen der jeweiligen Voraussetzungen (erhebliche wirtschaftliche Engpässe aufgrund der Pandemie-Krise) sich auch tatsächlich auf das Leistungsverweigerungsrecht zu berufen, anderenfalls laufen alle Verpflichtungen mit den einhergehenden Konsequenzen ungehindert fort.
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