Coronavirus: zehn Fragen und Antworten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

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Das neuartige Coronavirus greift zunehmend in das öffentliche Leben ein. Universitäten, Schulen und Kindergärten werden geschlossen und es ist zu erwarten, dass bei einer weiteren Ausbreitung des Virus Unternehmen und Arbeitsverhältnisse noch stärker als jetzt betroffen sein werden. 

Google hat z. B. zehntausenden Mitarbeitern zur Heimarbeit geraten. Da die Arbeitsrechtskanzlei Dzerek bereits jetzt diverse Anfragen zu Corona erreichen, wollen wir die zehn wichtigsten Fragen beantworten.

Muss der Arbeitgeber den Betrieb schließen, wenn ein Arbeitnehmer positiv auf Corona getestet wurde?

Der Arbeitgeber muss den Betrieb bei behördlicher Anordnung schließen. Die behördlichen Anordnungen können aufgrund des Infektionsschutzgesetzes oder gar des allgemeinen Ordnungsrechts erfolgen, um Gefahren von geschützten Rechtsgütern wie der Gesundheit abzuwenden. 

Um es nicht zu einer solchen behördlichen Anordnung kommen zu lassen, die u. U. auch ohne Anhörung des betroffenen Unternehmens erfolgen kann, ist es für Unternehmen ratsam, im Vorfeld bereits zu handeln und Schutzmaßnahmen zur Minimierung von Ansteckungsrisiken anzuwenden.

Ist ein Arbeitnehmer positiv auf Corona getestet worden, kann es für den Arbeitgeber u. U. ratsam sein, die Arbeitnehmer, soweit vertraglich möglich, zu Home-Office-Tätigkeiten anzuweisen, entsprechende Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern zu treffen oder Freistellungen zu erklären und 14 Tage abzuwarten, ob Corona-Erkrankungen ausbrechen. 

Muss der Arbeitgeber Präventionsmaßnahmen einleiten?

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit für seine Beschäftigten am Arbeitsplatz zu beurteilen und hieraus die entsprechenden Maßnahmen abzuleiten. 

Wie weit bei dem Coronavirus die konkreten Fürsorgepflichten des Arbeitgebers gehen, die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen, hängt vom Einzelfall ab. Die Bereitstellung von Desinfektionsmittel, Hinweise zu der Benutzung sowie ein Hinwirken auf die Einhaltung von Hygienevorschriften dürften insbesondere derzeit zu der grundsätzlichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gehören.

Bei besonderen Arbeitsplätzen wie bspw. im Gesundheitswesen, Verkauf kann sich auch die Verpflichtung ergeben, weitergehende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wie bspw. die Bereitstellung von Handschuhen oder Mundschutz. 

Der Betreiber eines Duty-Free-Shops am Berliner Flughafen hatte den Arbeitnehmern das Tragen von Mundschutz und Handschuhen während der Arbeitszeit, insbesondere bei ankommenden Flügen aus China, untersagt.

Hiergegen wandte sich der Betriebsrat im einstweiligen Rechtsschutz, weil er seine Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG verletzt sah. Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 BetrVG steht dem Betriebsrat das Recht zu, bei bestimmten Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes mitzubestimmen. 

Der Arbeitgeber hat vor einer Entscheidung des Arbeitsgerichts eingelenkt und sich dahingehend erklärt, dass er das Tragen von Handschuhen und Mundschutz nicht verboten habe und dies den Arbeitnehmern gestattet sei (ArbG Berlin, 4.3.2020, 55 BVGa 2341/20). 

Bei konkreten oder abstrakten Verdachtsmomenten drängt sich die Frage auf, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer freistellen und nach Hause schicken kann, während der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch behält. Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich einen arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch. 

Liegen dem Arbeitgeber aber sachliche Gründe vor, ist eine Freistellung des Arbeitnehmers denkbar. Dies könnte bspw. der Fall sein, wenn ein Arbeitnehmer Kontakt zu infizierten Personen hatte, der Arbeitnehmer sich in einem Risikogebiet aufgehalten hat oder einzelne Krankheitssymptome auftreten. 

Muss der Arbeitgeber Home-Office anbieten?

Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber keinen Anspruch auf eine Tätigkeit im Home-Office. Der Arbeitnehmer kann nicht einseitig entscheiden, seine Arbeitsleistung aus Angst vor der Ansteckung mit Corona von zu Hause zu erbringen. In einem solchen Fall droht der Ausspruch von Abmahnungen und Kündigungen. 

Umgekehrt kann der Arbeitgeber Home-Office-Tätigkeiten unter Außerachtlassung von gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen an Arbeitsplätze, Arbeitsmittel und Datenschutz nicht einseitig anordnen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können sich aber darauf einigen, vorerst von zu Hause zu arbeiten. 

Kann der Arbeitnehmer eine Dienstreise in ein Gefahrengebiet wie bspw. China, Norditalien verweigern?

Der Arbeitnehmer muss einer Anweisung des Arbeitgebers, eine Dienstreise in ein Gefahrengebiet durchzuführen, nicht folgen, wenn es eine offizielle Reisewarnung des Auswärtigen Amts gibt. 

In solchen Fällen dürfte davon ausgegangen werden, dass das Interesse des Arbeitnehmers an seinem Gesundheitsschutz dem Interesse des Arbeitgebers zur Durchführung der Dienstreise in ein Gefahrengebiet überwiegt. Doch empfiehlt es sich, mit dem Arbeitgeber zu sprechen und sich im Einzelfall fachanwaltlich beraten zu lassen.

Kann der Arbeitgeber Kurzarbeitergeld wegen des Coronavirus erhalten?

Beschließt der Arbeitgeber, den Betrieb zur Risikominimierung zu schließen, bleibt er den Arbeitnehmern zur vollen Gehaltszahlung verpflichtet. Derzeit gibt es für den Fall keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. 

Kommt es jedoch zu Lieferengpässen oder behördlichen Betriebsschließungen, die im Zusammenhang mit dem Coronavirus entstehen, sodass die Produktionen eingeschränkt oder gar eingestellt werden müssen, kann ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld für die betroffenen Beschäftigten entstehen. 

Der Arbeitgeber muss die Kurzarbeit zuvor bei der zuständigen Agentur für Arbeit anzeigen und das Kurzarbeitergeld beantragen. Die Agentur für Arbeit prüft sodann die Anspruchsvoraussetzungen Weitere Angaben zur Beantragung des Kurzarbeitergeldes sind unter folgendem Link abrufbar: www.arbeitsagentur.de/news/kurzarbeit-wegen-Coronavirus

Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, Überstunden zu leisten, wenn wegen des Coronavirus Kollegen ausfallen oder wenn es aus anderen Gründen deshalb zu Mehrarbeit kommt?

Arbeitnehmer sind grundsätzlich nicht verpflichtet, Überstunden zu leisten. Etwas anderes gilt, wenn sich eine Verpflichtung zur Leistung von Überstunden aus dem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Arbeitsvertrag ergibt. 

Resultierend aus den Grundsätzen von Treu und Glauben kann der Arbeitnehmer aber dann zur Erbringung von Überstunden herangezogen werden, wenn dem Arbeitgeber ein erheblicher und nicht anders abwendbarer Schaden droht. Da es infolge des Coronavirus zu massiven Personalengpässen kommen kann, wird eine entsprechende Rücksichtnahme des Arbeitnehmers erwartet werden können. 

Muss der Arbeitnehmer zur Arbeit, wenn der Kindergarten oder die Schule des Kindes geschlossen wird, und muss der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt fortzahlen?

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um eine Kinderbetreuung zu organisieren, und muss hierbei auf den Partner, nahe Angehörige etc. zurückgreifen. 

Erst wenn alle zumutbaren Anstrengungen gescheitert sind und der Arbeitnehmer eine Kinderbetreuung nicht sicherstellen kann, wird er von der Erbringung seiner Leistungspflicht frei, weil ihm diese nicht zumutbar ist. Doch knüpft hieran die Folgefrage, ob der Arbeitgeber dann verpflichtet ist, das Arbeitsentgelt fortzuzahlen. 

Bei persönlichen Hinderungsgründen des Arbeitnehmers kann u. U. § 616 BGB einen Entgeltanspruch für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit begründen.

Doch gilt es zu berücksichtigen, dass ein Entgeltanspruch aus § 616 BGB arbeits- oder tarifvertraglich ausgeschlossen sein kann. Dem Arbeitnehmer bietet sich aber auch die Möglichkeit, Urlaub zu beantragen und bei Gewährung über diesen Wege Urlaubsentgelt zu beziehen. 

Was passiert, wenn der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit kann, weil der öffentliche Nahverkehr eingestellt wird?

Das sog. Wegerisiko trägt der Arbeitnehmer. Kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht erbringen, weil er seinen Arbeitsplatz mit dem öffentlichen Nahverkehr nicht erreichen kann, erhält er für den Ausfall grundsätzlich keine Vergütungszahlung. 

Wer zahlt, wenn der Arbeitnehmer nicht erkrankt ist, ein Tätigkeitsverbot ausgesprochen oder der Arbeitnehmer unter Quarantäne gestellt wurde und nicht arbeiten darf?

Nach dem Infektionsschutzgesetz kann u. a. bei einem Krankheits- und Ansteckungsverdächtigen ein behördliches Tätigkeitsverbot ausgesprochen, § 31 IfSG oder eine Quarantäne verhängt werden, § 30 IfSG. 

Der Arbeitnehmer, der nicht an dem Coronavirus erkrankt ist, hat in der Folge auch keinen Entgeltfortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber. Der nicht erkrankte Arbeitnehmer hat in dem Fall aber einen Entschädigungsanspruch gegen den Staat für die Dauer von sechs Wochen in Höhe des Verdienstausfalls, § 56 IfSG. 

Nach Ablauf der sechs Wochen leistet der Staat eine Entschädigung in Höhe des Krankengeldes. Der Arbeitgeber tritt für die Dauer von sechs Wochen in der Regel mit der Auszahlung für den Staat in Vorleistung und erhält die ausgezahlten Beträge vom Staat auf Antrag erstattet. 

Der Antrag ist in Nordrhein-Westfalen je nach Sitz des Betriebes beim LVR oder LWL  innerhalb einer Frist von drei Monaten zu stellen. Verstößt der Arbeitgeber gegen seine gesetzliche Vorleistungspflicht, kann der Arbeitnehmer den Antrag selbst stellen.

Wer zahlt, wenn der Arbeitnehmer an dem Coronavirus erkrankt ist?

Wenn der Arbeitnehmer mit dem Coronavirus infiziert und arbeitsunfähig erkrankt ist, hat er wie bei jeder anderen Erkrankung auch einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen. Nach Ablauf der sechs Wochen erhalten Arbeitnehmer, die gesetzlich krankenversichert sind, Krankengeld.

Das Coronavirus kann arbeitsrechtlich zahlreiche weitere Fragen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufwerfen und zu neuen, zum Teil rechtlich nicht entschiedenen Problemstellungen führen. Besonnenheit ist angesagt, wenn es um das Arbeitsverhältnis geht. Bei Fragen kontaktieren Sie uns per E-Mail.


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