Kurzarbeit in der Corona-Krise

  • 6 Minuten Lesezeit

Der Staat versucht, die für Arbeitgeber und Arbeitnehmer existenzgefährdenden Auswirkungen der Corona-Krise mit neuen gesetzlichen Regeln v. 13.03.2020 zum Kurzarbeitergeld abzuwehren. Diese sind zunächst bis zum 31.12.2020 befristet. Da unsere Arbeitsrechtskanzlei viele Fragen zur Kurzarbeit erreichen, sollen hier die 14 wesentlichen Antworten gegeben werden. 

1. Kann der Arbeitgeber in der Corona-Krise einseitig Kurzarbeit anordnen?

Nein. Kurzarbeit kann nicht einseitig angeordnet werden. Es muss dafür eine Rechtsgrundlage geben. So enthalten z. B. Tarifverträge entsprechende Ermächtigungsgrundlagen. Diese finden nur Anwendung, wenn sie für allgemeinverbindlich erklärt wurden, Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden sind oder die Geltung eines bestimmten Tarifvertrages einzelvertraglich vereinbart wurde. 

Findet ein Tarifvertrag keine Anwendung, müssen Arbeitgeber und Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit treffen. Diese muss die Rechte und Pflichten für die Zeit der Kurzarbeit eindeutig regeln. 

Es müssen daher der Beginn und die Dauer, der Umfang der Reduzierung, die Lage und Verteilung der Arbeitszeit, die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer oder Abteilungen und auch die Zeiträume, in denen die Arbeit vollständig ausfallen soll (sog. Kurzarbeit Null), geregelt sein. 

Kommt keine Vereinbarung zustande, können beide Seiten die Einigungsstelle anrufen. Deren Spruch ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Fehlt ein Betriebsrat, kann eine einzelvertragliche Regelung die Ermächtigungsgrundlage für Kurzarbeit sein. Diese kann bereits im Arbeitsvertrag enthalten sein. Fehlt diese, können individuelle Regelungen getroffen werden. Da solche Klauseln der gerichtlichen Wirksamkeitskontrolle unterliegen, ist zwingend darauf zu achten, dass eine Ankündigungsfrist, der Umfang und das Ausmaß sowie der betroffene Personenkreis für Kurzarbeit aufgenommen werden. Sonst sind die Regelungen unwirksam. 

2. Unter welchen Voraussetzungen wird Kurzarbeitergeld gezahlt?

Einen Anspruch haben Arbeitnehmer, wenn ein erheblicher Arbeits- und Entgeltausfall vorliegt, die betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Arbeitsausfall der Arbeitsagentur angezeigt worden ist.

Die Bundesagentur für Arbeit (BfA) hat am 28.02.2020 mitgeteilt, dass betroffene Beschäftigte Kurzarbeitergeld erhalten, wenn Unternehmen aufgrund der weltweiten Krankheitsfälle durch das Corona-Virus Kurzarbeit anordnen und es dadurch zu Entgeltausfällen kommt. 

Voraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld ist, dass die üblichen Arbeitszeiten vorübergehend wesentlich verringert sind. Die BfA bejaht diese Voraussetzung, wenn aufgrund des Corona-Virus Lieferungen ausbleiben und dadurch die Arbeitszeit verringert werden muss oder staatliche Schutzmaßnahmen dafür sorgen, dass der Betrieb vorrübergehend geschlossen wird.

3. Welche Erleichterungen gibt es aktuell für das Kurzarbeitergeld? 

Das gesetzliche Neuregelung vom 13.03.2020 sieht Erleichterungen für das Kurzarbeitergeld rückwirkend ab dem 01.03.2020 und befristet bis zum 31.12.2020 vor. Folgende Maßnahmen sind vorgesehen: 

  • Die Schwelle der vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer wird auf 10 Prozent abgesenkt. 
  • Auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes wird vollständig verzichtet. 
  • Leiharbeitnehmer haben nunmehr auch einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld 
  • Sozialversicherungsbeiträge, die Arbeitgeber für ihre kurzzeitbeschäftigten Arbeitnehmer zahlen, werden vollständig von der Bundesagentur für Arbeit erstattet

4. Wer muss Kurzarbeitergeld wo und wie beantragen?

Das Verfahren zur Kurzarbeit ist zweistufig gestaltet. In einem ersten Schritt muss der Arbeitgeber oder der Betriebsrat bei der zuständigen Agentur für Arbeit den Arbeitsausfall schriftlich oder elektronisch anzeigen. 

Die Anzeige ist eine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung. Mit der Anzeige muss das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls und die Erfüllung der betrieblichen Voraussetzungen glaubhaft gemacht werden. 

Die Agentur für Arbeit entscheidet sodann unverzüglich, ob die Voraussetzungen für die Zahlung von Kurzarbeitergeld vorliegen. Der Arbeitgeber zahlt das Kurzarbeitergeld nach erfolgter Berechnung an die Arbeitnehmer aus.

In dem zweiten Schritt muss der Arbeitgeber oder der Betriebsrat einen Antrag auf Erstattung des verauslagten Kurzarbeitergeldes für die einzelnen Arbeitnehmer stellen, damit die Agentur für Arbeit die persönlichen Voraussetzungen über die einzelnen Ansprüche prüft, entscheidet und erstattet.

5. Gibt es eine Frist zur Beantragung von Kurzarbeitergeld?

Ja. Der Antrag auf Kurzarbeitergeld muss innerhalb von 3 Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem ersten Kalendermonat, für den in einem Betrieb Kurzarbeitergeld vom Arbeitgeber gezahlt wird. Ein Fristsäumnis kann nicht geheilt werden. Der Arbeitnehmer kann bei Fristversäumnis Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen. 

6. Für welche Dauer wird Kurzarbeit gewährt? 

Die Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld beträgt 12 Monate. Die gesetzliche Bezugsdauer kann durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf bis zu 24 Monate verlängert werden.

7. Wie wird Kurzarbeit berechnet?

Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitgeber bei Kurzarbeit die Höhe der Vergütung, die dem reduzierten Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers entspricht. Für die Berechnung wird der Nettoentgeltausfall herangezogen. 

Das Kurzarbeitergeld beträgt grundsätzlich 60 % des pauschalierten Nettoentgeltausfalls. Ist auf der Lohnsteuerkarte ein Kinderfreibetrag eingetragen, erhöht sich das Kurzarbeitergeld auf 67 %. 

8. Werden Einkünfte aus einer weiteren Beschäftigung auf das Kurzarbeitergeld angerechnet?

Einkünfte aus einer Nebenbeschäftigung werden nicht berücksichtigt, sofern diese bereits vor der Kurzarbeit ausgeübt wurde. Etwas anderes gilt, wenn eine Beschäftigung während des Bezugs von Kurzarbeitergeld aufgenommen wird. Es kommt dann durch die Einkünfte zu einer Erhöhung des Ist-Entgelts und zu einer Anrechnung in voller Höhe. 

9. Erhalten Minijobber auch Kurzarbeitergeld und muss der Arbeitgeber vor Anordnung der Kurzarbeit in der Corona-Krise diese erst einmal kündigen? 

450-Euro-Minijobber, erhalten kein Kurzarbeitergeld. Dieses kann nur für Arbeitnehmer beantragt werden, die in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig sind. Minijobber sind in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei. 

10. Kann der Arbeitgeber während der Kurzarbeit in der Corona-Krise Kündigungen aussprechen? 

Ja. Der Arbeitgeber kann personen-, verhaltens- und betriebsbedingten Kündigungen aussprechen. Eine betriebsbedingte Kündigung ist jedoch nur dann gerechtfertigt ist, wenn ein dringendes betriebliches Erfordernis besteht. Dabei müssen für die betriebsbedingte Kündigung Umstände vorliegen, die über die zur Anordnung der Kurzarbeit „verbrauchten“ Gründe (z. B. ein temporärer Lieferengpass) hinausgehen.

11. Muss der Arbeitgeber vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung zunächst Kurzarbeit anbieten? 

Die Kündigung muss verhältnismäßig sein. Da sie im Arbeitsverhältnis immer das letzte Mittel (Ultima-Ratio-Prinzip) ist, muss der Arbeitgeber prüfen, ob sie durch mildere Mittel verhindert werden kann. 

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang sicher, ob eine Legitimationsgrundlage zur Anordnung von Kurzarbeit vorhanden ist, ein Betriebsrat von seinem Initiativrecht Gebrauch gemacht hat und der Arbeitsmangel vorübergehend oder dauerhaft ist. Soll die betriebsbedingte Kündigung rechtssicher sein, ist wegen der vielen Einzelaspekte eine fachanwaltliche Beratung empfehlenswert. 

12. Erhält der Arbeitnehmer während des Laufs der Kündigungsfrist Kurzarbeitergeld?

Nein. Denn mit Ausspruch der Kündigung erfüllt der Arbeitnehmer die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug des Kurzarbeitergeldes nicht. Der Arbeitgeber muss während der Kündigungsfrist das volle Arbeitsentgelt zahlen. 

13. Bleibt die soziale Absicherung für Arbeitnehmer in der Kurzarbeit unverändert bestehen? 

Arbeitnehmer in der Kurzarbeit bleiben in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig beschäftigt. Der betroffene Arbeitnehmer ist auch in der Kurzarbeit in der Rente-, Pflege, Unfall- und Arbeitslosenversicherung weiter sozial abgesichert.

14. Was passiert, wenn Kurzarbeit und Krankheit zusammentreffen?

Fall 1: Die Arbeitsunfähigkeit besteht schon vor der Kurzarbeit. Der Entgeltfortzahlungsanspruch gilt ab dem Zeitpunkt der Kurzarbeit nur noch für die verkürzte Arbeitszeit. Zusätzlich erhält der Arbeitnehmer bis zum Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums Krankengeld. 

Fall 2: Die Arbeitsunfähigkeit und der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers besteht vor der Kurzarbeit und die Bezugsdauer des Arbeitnehmers von 6 Wochen auf Entgeltfortzahlung ist noch vor der Kurzarbeit ausgelaufen. Dann erhält der Arbeitnehmer fortan Krankengeld, das 70 Prozent des regelmäßigen Arbeitsentgelts beträgt. 

Fall 3: Die Arbeitsunfähigkeit und der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers besteht vor der Kurzarbeit und die Bezugsdauer des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung läuft erst in der Zeit der Kurzarbeit aus. Dann erhält er ebenfalls Krankengeld. 

Fall 4: Die Arbeitsunfähigkeit entsteht in der Zeit der Kurzarbeit. Der Arbeitgeber hat dann eine Entgeltfortzahlungspflicht für die verkürzte Arbeitszeit. Zusätzlich hat er für den kurzzeitbedingten Arbeitsausfall für die Dauer der Entgeltfortzahlung einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. 

Fall 5: Die Arbeitsunfähigkeit ist in der Zeit der Kurzarbeit entstanden und die Bezugsdauer von 6 Wochen in der Kurzarbeit ausgelaufen. Dann erhält der Arbeitnehmer Krankengeld. 

Das Thema Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld ist für alle Beteiligten komplex. Sprechen Sie uns an, bevor es zu teuren Fehlern kommt. Als erfahrene Arbeitsrechtsexperten unterstützen wir Sie gerne. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechts- und Fachanwältin Silvana Dzerek

Beiträge zum Thema