Darf die Presse meinen Namen nennen? Der Name und Fotos des Beschuldigten in der Berichterstattung

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Was haben Christoph Metzelder, Uli Hoeneß, Jörg Kachelmann, Sebastian Edathy und Christian Wulf gemeinsam? Alle sind mehr oder weniger prominent und alle waren einmal Beschuldigte in einem Ermittlungsverfahren.

Strafrechtlich handelt es sich um wenig auffällige Sachverhalte, ähnliche Vorfälle sind täglich Gegenstand der Strafjustiz. Anders ist das in den Fällen, die aufgrund der besonderen Grausamkeit der Tatbegehung, der vielen Opfer oder wegen des außergewöhnlich hohen Schadens, Gegenstand der Presseberichterstattung geworden sind. 

Diese Beschuldigten sind erst durch den Tatvorwurf in das Licht der Öffentlichkeit gelangt, man denke an Beate Zschäpe, Anis Amri, Gustl Mollath, Hans-Jürgen Rösler und Dieter Degowski. Und dann gibt es noch die vielen, vielen Beschuldigten „ganz gewöhnlicher Alltagskriminalität“ (z. B. wegen Beleidigung, Betrugs, Diebstahls, Fahrens oder Führerschein o.ä.), die erstmals in das Fadenkreuz der Strafermittlungsbehörden gelangt sind, die noch nie Gegenstand einer Presseberichterstattung waren, von der Presse aber dankbar in der nächsten Lokalausgabe zum Lückenbüßer gemacht werden. 

Freund und Feind, Bekannte und Arbeitskollegen wissen nun von den kleinen Verfehlungen, den eigentlich belanglosen, vielleicht sogar unberechtigten Vorwürfen. Doch alle zerreißen sich bereits das Maul, der gute Ruf ist auf Dauer ruiniert. Ob Freispruch oder Schuldspruch: In den Augen der Öffentlichkeit, der Freunde und Bekannten wird man nach der Berichterstattung immer der mit dem Strafverfahren wegen ... bleiben. 

Denn irgend etwas muss ja schon dran gewesen sein, wenn die Staatsanwaltschaft ermittelt oder sogar Anklage erhoben hat. Selbst ein Freispruch kann den zu Unrecht Beschuldigten nicht rehabilitieren, da mit einem Freispruch nicht die Unschuld des Angeklagten festgestellt wird, sondern der Tatvorwurf mit den Mitteln der Strafprozessordnung nur nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden konnte.

Was haben alle Beschuldigten gemeinsam? 

Für alle gilt zunächst die Unschuldsvermutung gleichermaßen! Erst mit Rechtskraft eines Strafurteils ist die zugunsten des Beschuldigten sprechende, aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung entfallen. Denn erst mit der Rechtskraft eines Strafurteils entfällt – mit Wirkung allein für die Zukunft – die Unschuldsvermutung. 

Bis dahin gilt auch derjenige, der die Tat begangen hat, als unschuldig. Dies ist bei der Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit strafverfahrensbegleitender Berichterstattungen immer zugunsten des Beschuldigten in die Abwägung einzustellen (vgl. BGH Urt. v. 18.06.2019, VI ZR 80/18).

Wann ist eine Namensnennung in der Berichterstattung zulässig?

Es kommt dabei immer auf den Einzelfall an, da die Meinungs- und Pressefreiheit der Medien einerseits und das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen andererseits immer in einen angemessenen und verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen sind.

Es gibt von der Rechtsprechung aber klare Vorgaben, welche Spielregeln von der Presse dabei einzuhalten sind:

  1. Die Darstellung darf keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt.
  2. Zur Sicherstellung dieser Ausgewogenheit ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen.
  3. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von einem solchen Gewicht handeln, dass ein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit gerade auch an der Offenlegung der Identität des Betroffenen besteht.

Bei Verdachtsberichterstattungen muss ein Mindestbestand an belastbaren Beweistatsachen vorliegen. Geht es um eine Verdachtsberichterstattung im frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens oder sogar noch davor, ist von der Presse einer weitergehende Zurückhaltung geboten. 

Bei solchen bloßen Verdachtsberichterstattungen sind von der Presse hohe Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Insbesondere muss die Presse sorgfältig recherchieren – eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestbestand an belastbaren Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert“ verleihen.

Wann ist eine Bildveröffentlichung zulässig? Stichwort: Recht am eigenen Bild

Bei einer Bildberichterstattung ist eine noch weitergehende Zurückhaltung von der Presse geboten. Betroffenen steht gem. § 22 Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) das ausschließliche Recht zu, über die Veröffentlichung von Bildnissen selbst zu entscheiden (Recht am eigenen Bild). Die Veröffentlichung von Bildnissen ist dem Grundsatz nach nur mit Einwilligung des Abgebildeten zulässig. 

Ohne Einwilligung des Abgebildeten dürfen Bildnisse gem. § 23 Kunsturhebergesetz nur dann veröffentlicht werden, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt und durch die Verbreitung berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden.

Geht es um eine identifizierende Bildberichterstattung und den Verdacht einer Straftat, so ist darüber hinaus zu beachten, dass eine solche Berichterstattung in das Recht des Abgebildeten auf Schutz seiner Persönlichkeit eingreift, weil sie sein angebliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert (vgl. BGH vom 9. Februar 2010 – VI ZR 243/08, aaO Rn. 34; vom 7. Juni 2011 – VI ZR 108/10, aaO Rn. 19 ff.). 

Insbesondere ist auch in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die Unschuldsvermutung die Gefahr in den Blick zu nehmen, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und dass der Eindruck, der Abgebildete sei ein Straftäter, selbst bei einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht beseitigt wird.

Eine individualisierende Bildberichterstattung über den Beschuldigten eines Strafverfahrens scheidet aber nicht in jedem Fall aus. Vielmehr können es die jeweiligen Umstände rechtfertigen, dass sich der Betreffende nicht bzw. nicht mehr mit Gewicht auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht berufen kann. 

Dies gilt etwa dann, wenn er kraft seines Amtes oder wegen seiner gesellschaftlich hervorgehobenen Verantwortung bzw. Prominenz in besonderer Weise im Blickfeld der Öffentlichkeit steht und die Medienöffentlichkeit mit Rücksicht hierauf hinzunehmen hat (vgl. BVerfG, NJW 2009, 2117 Rn. 23).

Fazit

Wenn die Presse rechtswidrig den Namen oder das Bildnis eines Beschuldigten veröffentlicht, stehen dem von der Berichterstattung Betroffenen denkbare Ansprüche auf Unterlassung der fortgesetzten Verbreitung, Löschung der Berichterstattung, Schadenersatz wegen Rechtsanwaltskosten, Geldentschädigung wegen schwerer Persönlichkeitsrechtsverletzung und in geeigneten Fällen auch ein Anspruch auf Richtigstellung oder Gegendarstellung zu.

Damit die Presse über einen Beschuldigten identifizierend berichten darf, sind von ihr strenge Sorgfaltsanforderungen einzuhalten. Als groben Leitfaden sollte man sich folgendes merken:

  • Ist noch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet bzw. keine Anklage erhoben, ist die Presse grundsätzlich zur Zurückhaltung verpflichtet, eine identifizierende Berichterstattung ist regelmäßig zu unterlassen.
  • Nach Anklageerhebung und während der Durchführung der Hauptverhandlung ist auch von Pressevertretern jedenfalls bis zum Abschluss der ersten Instanz die Unschuldsvermutung strickt zu achten.
  • Sollte es nach der ersten Instanz zu einem Schuldspruch kommen, darf die Presse ggf. identifizierend berichten, wenn an der Tat und der Identität des Verurteilten ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Nach der Verurteilung kann das Persönlichkeitsrecht des Verurteilten aber auch mit zunehmendem zeitlichen Abstand unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung wieder überwiegen.

Prominente, insbesondere Politiker, müssen aufgrund ihrer Vorbildfunktion, die ihnen die Rechtsprechung beimisst, dabei mehr ertragen, als der in der Öffentlichkeit zuvor völlig unbekannte Beschuldigte.

Jetzt kann man sich die berechtigte Frage stellen, warum es täglich identifizierende Verdachts- und Gerichtsberichterstattungen in den Medien gibt. Die Antwort liegt auf der Hand, weil sich viel zu wenige Betroffene gegen eine rechtswidrige Presseberichterstattung verteidigen.

Kämpfen Sie für Ihren guten Ruf, kämpfen Sie für Ihr Persönlichkeitsrecht, denn sie haben nur das Eine.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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