Das Absehen vom Fahrverbot im Bußgeldverfahren

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Ausgangssituation

Von den möglichen Sanktionen im Bußgeldverfahren trifft ein Fahrverbot die Betroffenen oftmals am härtesten. Ist der Betroffene auf die Fahrerlaubnis beruflich angewiesen, droht der Verlust des Arbeitsplatzes. Bei Selbstständigen kann ein Fahrverbot existenzgefährdend sein. Manchmal ist es aber auch die Pflege von Angehörigen, weshalb Betroffene auf ihre Fahrerlaubnis angewiesen sind.

Dabei ist eine effektive und frühzeitige Verteidigung (ggf. schon vor der Verwaltungsbehörde) gegen ein drohendes Fahrverbot sinnvoll. Grundsätzlich ist es besser, es erst gar nicht zur Verhängung eines Fahrverbotes kommen zu lassen, als später zu versuchen, das Absehen von einem verhängten Fahrverbot zu erreichen. Folgende Vorgehensweise hat sich dabei bewährt:

Vorgehensweise

Erhält der Betroffene einen Anhörungsbogen oder einen Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde, ist zunächst mit Hilfe des Anwalts Einsicht in die Bußgeldakte zu nehmen. Erst danach kann der Anwalt feststellen, ob die Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbotes überhaupt vorliegen. Zu prüfen ist, 

ob der Betroffene anhand des Fotos als Fahrer ermittelt werden konnte (Fahreridentität), 

ein etwaiger Bußgeldbescheid aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft ist (Zustellung/Verjährung etc.) 

und die Messung einer rechtlichen Überprüfung standhält. 

Bestehen insoweit keine vernünftigen Zweifel, sollte man sich inhaltlich mit einem etwaigen Fahrverbot auseinandersetzen und gemeinsam mit dem Mandanten Überlegungen anstellen, weshalb im konkreten Fall von der Anordnung eines Fahrverbotes abzusehen ist. Dabei ist zu beachten:

Die gesetzliche Grundlage für ein Fahrverbot

Nach § 25 Abs. 1 StVG kann gegen den Betroffenen bei Begehung einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 bzw. nach § 24a StVG neben einer Geldbuße ein Fahrverbot angeordnet werden. Dabei kommt die Verhängung des Fahrverbots nach § 25 StVG dann in Betracht, wenn es sich um eine „grobe“ oder „beharrlicheVerletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers handelt. Diese Regelung wird ergänzt durch § 4BKatV.

Nach § 4 Abs. 1 BKatV kommt die Anordnung eines Fahrverbots wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel dann in Betracht, wenn es sich um einen der dort unter den Nr. 1 bis 4 genannten Fälle handelt.

Das bedeutet konkret...

Das Vorliegen einer der Fälle des § 4 BKatV genügt nicht bereits als solches für die Anordnung des Fahrverbots oder macht dies gar zwingend. Vielmehr müssen zusätzlich auch die Merkmale des § 25 Abs. 1 StVG erfüllt sein. Es muss also in objektiver und subjektiver Hinsicht eine grobe Pflichtwidrigkeit bzw. ein beharrlicher Verstoß vorliegen. Ist das der Fall, greift die sogenannte Regelwirkung der Katalogtat ein, die dann aber im Einzelfall widerlegt werden kann, was dann zum Absehen vom Fahrverbot führt. 

Augenblicksversagen

Liegt ein Regelfall bzw. eine Katalogtat nach § 4 BKatV vor, ist zu prüfen, ob dennoch objektiv und subjektiv eine grobe Pflichtwidrigkeit ausscheidet. Das ist zum Beispiel der Fall beim sogenannten "Augenblicksversagen"Kann der Betroffene der Verwaltungsbehörde oder dem Gericht glaubhaft darlegen, dass er den Verkehrsverstoß lediglich leicht fahrlässig verübt hat, dann kann die Verwaltungsbehörde oder das Gericht von der Verhängung des Fahrverbots absehen. Hier ist der Verteidiger gefordert und er hat mit dem Mandanten die konkrete Verkehrssituation zu beleuchten. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung ist zu überprüfen, wie waren die Sichtverhältnisse, die Straßenführung und die Beschilderung? Beim Rotlichtverstoß ist zu überprüfen, ob ggf. ein sogenannter Nachzieheffekt vorlag. Ist der Betroffene deshalb trotz Rotlicht in die Kreuzung eingefahren, weil die LZA für eine benachbarte Fahrspur auf Grünlicht wechselte?

Wichtig: Sollte in einem solchen Fall die Verwaltungsbehörde oder das Gericht von der Anordnung eines Fahrverbotes absehen, darf auch die Geldbuße nicht erhöht werden.

Zuletzt kann die Anordnung eines Fahrverbotes dennoch unterbleiben, weil es nicht erforderlich ist oder für den Betroffenen in seiner Folge unangemessen wäre.

Erforderlichkeit

Die Anordnung eines Fahrverbotes ist dann nicht erforderlich, wenn feststeht, dass die mit dem Fahrverbot gewünschte Erziehungswirkung auch mit einer empfindlicheren Geldbuße erreicht werden kann. In der Regel wird die Geldbuße verdoppelt oder verdreifacht, jedoch kommen vom Einzelfall abhängig auch höhere Geldbußen in Betracht.

Zum Teil ist anerkannt, dass dann, wenn der Betroffene eine anerkannte verkehrspsychologische Maßnahme in Anspruch genommen hat, vom Fahrverbot abgesehen werden kann und aufgrund der mit dieser Maßnahme verbundenen Kosten aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ggf. auch von der Erhöhung der Regelbuße abgesehen werden kann. Wichtig ist, diese Maßnahme frühzeitig zu absolvieren, damit spätestens in der Hauptverhandlung der Betroffene eine entsprechende Maßnahme nachweisen kann.

Möglich ist ferner, nach einem erheblichen Zeitablauf seit der Tat von der Anordnung eines Fahrverbotes abzusehen. Es kann also durchaus sinnvoll sein, nach einer Verurteilung durch das Gericht in die Rechtsbeschwerde zu gehen, allein um Zeit zu gewinnen. Allgemein werden Zeiträume zwischen der Tat und der rechtskräftigen Verurteilung von 1 Jahr und 9 Monaten bzw. ab 2 Jahren als ausreichend anerkannt. Auch in diesem Fall darf die Geldbuße nicht erhöht werden. Allerdings darf der Betroffene die Verzögerung nicht verschuldet haben oder zwischenzeitlich erneut straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten sein. 

Angemessenheit

Auch aus beruflichen Gründen kann von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden, wenn das Fahrverbot zu einer Existenzgefährdung führt. Bei Arbeitnehmern ist hierfür eine konkret drohende Kündigung des Arbeitsplatzes (mit Nachweis) erforderlich, die nicht durch die Verbüßung des Fahrverbots im Urlaub abgewendet werden kann. Bei Selbstständigen bzw. Freiberuflern ist eine konkrete Existenzbedrohung darzulegen, die nicht durch eine Vollstreckung im Urlaub oder die Einstellung eines Fahrers abgewendet werden kann.

§ 25 Abs. 1 S. 1 StVG sieht zudem die Möglichkeit vor, das Fahrverbot auf eine bestimmte Kraftfahrzeugart zu beschränken. Als Beispiele soll hier das Krad oder der Pkw genannt werden, so dass der Betroffene ggf. noch einen Lkw oder landwirtschaftliche Maschinen führen kann.

Es kommen aber auch andere gravierende persönliche Gründe in Betracht, zum Beispiel die Pflege naher Angehöriger, sofern hierfür notwendig ein Fahrzeug erforderlich ist. 

In allen Fällen der Unangemessenheit ist beim Absehen vom Fahrverbot die Geldbuße angemessen zu erhöhen.

Wenn alles nicht hilft...

Kann das Fahrverbot nicht abgewendet werden, besteht die Möglichkeit, den Beginn des Fahrverbots innerhalb von vier Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung selbst zu bestimmen. Das gilt allerdings nur für Ersttäter, also diejenigen, gegen die seit zwei Jahren kein Fahrverbot verhängt worden ist. Dadurch besteht in vielen Fällen die Möglichkeit, das Fahrverbot in einen für den Betroffenen günstigen Zeitraum (Urlaub) "zu verschieben".

Rechtsanwalt Dr. Detlef Vetter, Fachanwalt für Verkehrsrecht


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