Der vom Gutachter ermittelte Restwert eines Pkw - Der Haftpflichtversicherer als Obergutachter?

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Immer wieder stellt sich für den Geschädigten eines Verkehrsunfalls die Frage, ob er seinen Pkw nach dem vom Sachverständigen ermittelten Restwert veräußern darf oder zunächst ein Angebot vom gegnerischen Haftpflichtversicherer abwarten muss.

Die obergerichtliche Rechtsprechung war insoweit uneinheitlich, so dass Geschädigten bislang zu empfehlen war, ein Restwertangebot des Haftpflichtversicherers abzuwarten, weil andernfalls zu befürchten war, dass der Haftpflichtversicherer unter Berücksichtigung des von ihm ermittelten Restwertes reguliert und letztendlich weniger erstattet.

Als Begründung wird von den Haftpflichtversicherungen in der Regel angeführt, der Geschädigte sei im Rahmen seiner Schadenminderungspflicht gehalten, ein (höheres) Angebot abzuwarten und anzunehmen. Doch was bedeutet das in der Praxis?

Der Geschädigte, der unverschuldet einen Totalschaden erlitten hat, lässt sein oftmals nicht mehr fahrbereites Fahrzeug abschleppen und unterstellen. Um den Schaden an seinem Fahrzeug zu ermitteln, beauftragt er einen Sachverständigen mit der Erstattung eines Gutachtens. Der Sachverständige ermittelt dabei im Rahmen der Begutachtung auch den Restwert des verunfallten Fahrzeugs.

Es stellt sich nunmehr die Frage, ob der Geschädigte nunmehr verpflichtet sei, das Gutachten des Sachverständigen dem Haftpflichtversicherer zu übersenden um ein eventuell höheres Restwertangebot abzuwarten. Der Haftpflichtversicherer bedient sich dabei aus Angeboten der überregionalen Restwertbörse. Der Geschädigte hat hingegen ein Interesse, das Fahrzeug schnellstmöglich zu veräußern um von dem Erlös ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen. Zudem fallen Standgebühren an, so lange das verunfallte Fahrzeug untergestellt ist.

Insbesondere wurde bislang von den Haftpflichtversicherern gerne ein Beschluss des OLG Köln vom 16.07.2012 (13 U 80/12) zitiert. Danach verletze der Geschädigte seine Pflicht zur Schadensminderung, wenn er das Fahrzeug zum Restwert veräußert, bevor er dem Schädiger bzw. dessen Versicherung die Möglichkeit gegeben habe, ihm ein besseres Restwertangebot zu unterbreiten.

Mit abweichendem Urteil vom 30.07.2015 (3 U 46/15) stellt das OLG Köln nunmehr unmissverständlich dar, dass der Unfallgeschädigte nicht verpflichtet sei, dem Haftpflichtversicherer vor dem Verkauf des Unfallfahrzeugs die Möglichkeit zu geben, ein höheres Restwertangebot abzugeben. Die insoweit abweichende Entscheidung des OLG Köln vom 16.07.2012 habe die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht hinlänglich berücksichtigt. Eine derartige Verpflichtung würde die Ersetzungsbefugnis des Geschädigten unterlaufen. Nur, wenn die Versicherung dem Geschädigten vor der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs einen höheren Restwert nachweist, sei der Geschädigte verpflichtet, dieses Restwertangebot aufzugreifen, wenn es sich um ein uneingeschränkt annahmefähiges Angebot handele.

Der Entscheidung ist vollumfänglich zuzustimmen. Der Geschädigte ist Herr des Restitutionsverfahrens. Alles andere würde im Ergebnis zu einer Verunsicherung und Überforderung des Unfallgeschädigten führen. In diesem Sinne entschieden jüngst auch das AG Ravensburg mit Urteil vom 27.03.2014 (9 C 1213/13) und das AG Freising mit Urteil vom 26.01.2016 (5 C 1393/15).

Um Ihre Ansprüche beim Haftpflichtversicherer geltend zu machen und erfolgreich durchzusetzen, ist die Beauftragung eines Fachanwalts für Verkehrsrecht zu empfehlen.


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