Das betriebliche Eingliederungsmanagements (BEM) hat kein „Mindesthaltbarkeitsdatum“

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LAG Düsseldorf, Urteil vom 09.12.2020 - 12 Sa 554/20

In der Praxis zeigt sich immer wieder, wie wichtig die fehlerfreie Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) für die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer krankheitsbedingten Kündigung ist. Doch wie fällt das Urteil aus, wenn der betreffende Mitarbeiter nach erfolgter Durchführung eines BEM noch einmal länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt? Gilt das durchgeführte BEM für ein Jahr oder ist ein weiteres BEM erforderlich?

Der Fall

Der Kläger war seit dem 16.03.2001 bei der Beklagten als Produktionshelfer beschäftigt. Weil der Kläger seit 2010 häufig arbeitsunfähig erkrankte, zahlte ihm die Beklagte bis einschließlich 2019 rund € 60.000,00 Entgeltfortzahlung. Nachdem mehrere Kündigungsversuche in den Jahren 2015 und 2017 aus verschiedenen Gründen gescheitert waren, nahm die Beklagte im Jahr 2019 einen neuen Anlauf und lud den Kläger am 18.02.2019 zu einem BEM ein, welches mit Zustimmung des Klägers am 05.03.2019 durchgeführt wurde. Nach Abschluss des BEM hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 23.10.2019 zu der beabsichtigten Kündigung an, der der Kündigung zustimmte.  Der Kläger beantragte jedoch den Zuspruch eines höheren Grades der Behinderung (GdB). Aufgrund dieses Antragsverfahrens war eine erneute Anhörung des Betriebsrats erforderlich, die am 25.02.2020 erfolgte. Am 26.02.2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger – ohne ein weiteres BEM durchzuführen – fristgerecht zum 31.08.2020.  Nachdem das Arbeitsgericht Düsseldorf dem Kläger in erster Instanz Recht gegeben hatte, legte die Beklagte vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) Berufung gegen das Urteil ein.

Das Urteil

Auch das LAG sah die Klage als begründet an. Zwar lag eine negative Gesundheitsprognose vor und erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen waren zu befürchten. Die Kündigung sei jedoch unverhältnismäßig. Die Beklagte sei nämlich verpflichtet gewesen, vor Ausspruch der Kündigung ein weiteres BEM durchzuführen, weil der Kläger erneut länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt sei. Ein BEM habe eben kein „Mindesthaltbarkeitsdatum“.

Hinweis für die Praxis

Für Arbeitgeber bedeutet das Urteil des LAG Düsseldorf einen straffen Zeitplan. Soll nach Durchführung des BEM an der Kündigungsabsicht festgehalten werden, sind umgehend alle notwendigen Schritte – wie beispielsweise die Anhörung des Betriebsrats – in die Wege zu leiten. Unterlaufen hier Fehler oder wird an anderer Stelle Zeit vergeudet und ist der betreffende Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung erneut länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt, hat eine Kündigung ohne erneute Durchführung eines BEM in den meisten Fällen keine Aussicht auf Erfolg.

Weitere interessante Einblicke rund um das betriebliche Eingliederungsmanagement erhalten Sie in unserer ausführlichen Urteilsbesprechung unter https://www.ra-wittig.de/urteile-arbeitsgericht/bem-hat-kein-mindesthaltbarkeitsdatum/ und in unserem „Ratgeber Arbeitsrecht“ unter https://www.ra-wittig.de/ratgeber/ratgeber-arbeitsrecht/arbeitsunfaehigkeit/betriebliches-eingliederungsmanagement/.

Foto(s): Wittig Ünalp Rechtsanwälte PartGmbB

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