Das „Nachschieben“ von Kündigungsgründen

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Kündigungsgründe können nachgeschoben werden

BAG, Beschluss vom 12. Januar 2021 – 2 AZN 724/20

Häufig kommen nach Ausspruch einer Kündigung weitere Kündigungsgründe ans Licht. Aber wie kann der Arbeitgeber sein neu erlangtes Wissen am besten nutzen? Sollte eine weitere Kündigung ausgesprochen werden? Besser: Die Kündigungsgründe werden nachgeschoben.

Was bedeutet Nachschieben?

Unter dem Begriff „Nachschieben“ von Kündigungsgründen werden die Fälle zusammengefasst, in denen der Arbeitgeber eine bereits ausgesprochene Kündigung nachträglich auf weitere, erst später bekannt gewordene, Kündigungsgründe stützt. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass eine „wackelige“ Kündigung „gerettet“ werden kann. Die Kündigungsfrist beginnt somit nicht neu zu laufen und das Annahmeverzugsrisiko des Arbeitgebers wird minimiert.

Nachschieben von Kündigungsgründen zulässig

Ob Kündigungsgründe überhaupt nachgeschoben werden können und unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist, war in Literatur und Rechtsprechung lange Zeit umstritten. Das Bundesarbeitsgerichtgericht (BAG) hat sich in seinem Beschluss vom 12 Januar 2021 erneut eindeutig für diese Möglichkeit ausgesprochen und zugleich die Voraussetzungen erläutert, die für ein wirksames Nachschieben erfüllt sein müssen.

Der Fall 

In dem vorliegenden Fall war der Kläger als Chefarzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (KJP) bei der Beklagten, einem Universitätskrankenhaus, beschäftigt. Die Beklagte kündigte den Kläger zunächst ausschließlich aufgrund einer behaupteten Tätlichkeit gegenüber einer Mitarbeiterin, konnte dies jedoch nicht beweisen. Während des laufenden Kündigungsschutzprozesses erfuhr die Beklagte allerdings von weiteren Kündigungsgründen, insbesondere wurde ein Gutachten erstellt, das gravierende Missstände in der KJP aufzeigte. Die Beklagte schob die „neuen“ Kündigungsgründe wirksam nach und gewann den Rechtsstreit in allen drei Instanzen.

Praxishinweise

Im Ergebnis betrachtet das BAG zwei Faktoren, zum einen den Zeitpunkt des Vorliegens von Kündigungsgründen, zum anderen den Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Arbeitgeber. Stammt der „neue“ Kündigungsgrund aus der Zeit vor Zugang der bereits ausgesprochenen Kündigung beim Arbeitnehmer, so kann dieser immer dann nachgeschoben werden, wenn der Arbeitgeber erst nach erfolgter Kündigung von ihm erfährt.

Der Arbeitgeber hat hierbei jedoch auch alle formellen Hürden zu nehmen. So musste die Beklagte in dem vorliegenden Fall die Mitarbeitervertretung (der Betriebsrat in dem kirchlich geführten Krankenhaus) zu jedem einzelnen Kündigungsgrund anzuhören. Wären ihr hierbei Fehler unterlaufen, hätte Sie den Rechtsstreit verloren und rund € 1000.000,00 Gehaltszahlungen und Lohnebenkosten erbringen müssen.

Eine ausführliche Besprechung des Beschlusses finden Sie unter https://www.ra-wittig.de/urteile-arbeitsgericht/nachschieben-von-kuendigungsgruenden/. Weitere Informationen zu dem Kündigungsschutz von Arbeitnehmern, die unter das KSchG fallen, finden Sie unter https://www.ra-wittig.de/ratgeber/ratgeber-arbeitsrecht/kuendigung/kuendigungsschutz/.

Foto(s): Wittig Ünalp Rechtsanwälte PartGmbB

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