Das OLG Frankfurt am Main verbietet schlechte Unternehmensbewertung durch Auskunftei

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Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte am 07.04.2015 darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmen einen Anspruch darauf hat, dass eine Rating-Agentur bzw. eine Auskunftei (wie beispielsweise die Schufa Holding AG) es unterlässt, einen nach Ansicht des Unternehmens ungerechtfertigtes Rating oder Scoring zu veröffentlichen (Urt. v. 07.04.2015 – 24 U 82/14). Eine Unternehmerin wandte sich an das Gericht, da sie in der Veröffentlichung des schlechten Ratings oder Scorings einen rechtswidrigen Eingriff in ihren Betrieb sah. Das Oberlandesgericht gab der betroffenen Unternehmerin Recht. Dass ausgerechnet das OLG Frankfurt am Main, normalerweise für eine äußerst milde Rechtsprechung gegenüber Auskunfteien bekannt, derart entschied, ist bemerkenswert.

Was bedeutet Rating oder Scoring?

Ein Rating oder Scoring (auch „Score“, vom engl. (to) score – punkten, Punktestand) wird in der Gesetzessprache als ein Wahrscheinlichkeitswert angesehen und soll die Wahrscheinlichkeit angeben, mit der ein Vertrag erfüllt oder ein Kredit bedient wird. Je geringer der Wert ist, desto höher soll die Ausfallwahrscheinlichkeit sein. Der Wert bestimmt also die vermeintliche Vertragstreue einer Person oder dessen vermeintliche Kreditwürdigkeit. Die Problematik des Wahrscheinlichkeitswertes war schon häufig Gegenstand von Verfahren gegen Rating-Agenturen. Dabei ging es jedoch regelmäßig darum, ob solche Bewertungen verboten werden können oder ob die Rating-Agentur immerhin die Berechnungsgrundlagen mitteilen muss. Das OLG Frankfurt am Main hingegen hatte dagegen einen Unterlassungsanspruch zu prüfen.

Wovon handelte das Gerichtsverfahren?

Die Klägerin des Falles war ein im Handelsregister eingetragener Kaufmann und ohne Forderungsausfall schon seit 1996 in ihrer Branche tätig. Sie erfuhr durch Zufall von einem Geschäftspartner, dass ihr Unternehmen von der späteren Beklagten, einer Rating-Agentur, ein schlechtes Rating/Scoring erhalten habe. Dem ging die Klägerin nach und wandte sich an die Rating-Agentur mit der Aufforderung, diesen Wert zu ändern. Ihrer Ansicht nach gebe es für diese schlechte Bewertung überhaupt keine Tatsachengrundlage. Die Rating-Agentur erwiderte dabei, es handele sich um reine Werturteile, die sowohl durch das Bundesdatenschutzgesetz als auch durch das Grundgesetz im Rahmen der Meinungsfreiheit geschützt seien. Außerdem meinte die Rating-Agentur, dass ihre Basisdaten sowie die Score-Formel als Geschäftsgeheimnisse geschützt seien. Dies habe der BGH im Jahre 2014 so entschieden (BGH, Urt. v. 28.01.2014 – VI ZR 156/13, dagegen wurde Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht zum Az.1 BvR 756/14 eingelegt).

Wie hat das Gericht entschieden?

Das OLG Frankfurt am Main hat keinen Zweifel daran gelassen, dass es der Ansicht der Auskunftei bzw. der Rating-Agentur nicht folgt. Es teilte der Beklagten mit, dass, wenn sie die vom Bundesgerichtshof (BGH) erkannten Privilegien für sich in Anspruch nehmen wolle, sie ihre Werturteile dennoch auf die zutreffenden Tatsachengrundlagen aufbauen müsse. Das OLG Frankfurt am Main urteilte, „die von der Beklagten abgegebene äußerst negative Bewertung der Kreditwürdigkeit der Klägerin ist ohne jegliche sachliche Basis.“ Maßstab für eine sachgerechte Tatsachengrundlage sei das Bundesdatenschutzgesetz. Danach darf ein Rating oder Scoring nur aus Daten erstellt werden, die nachweisbar erheblich für die Berechnung eines Ratings seien. Alle anderen Daten müssen unberücksichtigt bleiben. Vorliegend hatte die Rating-Agentur aber auch ungeklärte Faktoren (beispielsweise die Branchenzugehörigkeit der Klägerin) in die Wertung einbezogen. Dies sei unzulässig, so das OLG Frankfurt am Main. Vielmehr bleibe als einzig relevanter Punkt für den schlechten Wahrscheinlichkeitswert, dass die Klägerin nicht als Kapitalgesellschaft, sondern als Kaufmann eingetragen sei. Dies genüge allerdings nicht den Kriterien des Bundesdatenschutzgesetzes. Aus diesem Grund sei es der Rating-Agentur auch nicht gestattet, sich auf den Schutz des Bundesdatenschutzgesetzes zu berufen. Das Werturteil verstoße somit gegen das Bundesdatenschutzgesetz, sei rechtswidrig und damit tauglicher Gegenstand eines Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs, so das OLG Frankfurt am Main.

Warum ist die Entscheidung außergewöhnlich?

Das OLG Frankfurt am Main war bisher aufgrund seiner äußerst milden Rechtsprechung gegenüber den Rating-Agenturen und Auskunfteien bekannt. Doch diesmal geht ausgerechnet das OLG Frankfurt am Main mit der Auskunftei hart ins Gericht. „Schon die Branchenzugehörigkeit des Unternehmens der Klägerin“ sei „widersprüchlich und“ könne, „weil inkonsistent, nicht zutreffend erfasst“ worden „sein“, so das OLG Frankfurt am Main in dem Urteil vom 07.04.2015. Die „Tatsachengrundlage für das „Scoring“ der Auskunftei wird vom Gericht als „in mehreren wesentlichen Punkten offensichtlich falsch“ gewürdigt. Die Rechtsargumentation der Auskunftei sei „jeder Logik widersprechend“, so die harten Worte des Gerichtes. Das „begründungslose Heraufstufen“ der betroffenen Unternehmerin erwecke „den Eindruck“, die Auskunftei „vergebe ihre Bewertungen willkürlich“, sind ungewohnt deutliche Worte von einem Gericht, welches ansonsten eher vom Geschäftsgeheimnis der Auskunfteien beim Rating spricht.

Fazit

Das OLG Frankfurt am Main hat sich nicht mit der schon häufig diskutierten Frage der Freigabe der Score-Formel beschäftigt, sondern damit, ob die Rating-Agentur sich bei der Berechnung des Scores innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Grenzen bewegt hat. Ein Werturteil einer Ranking-Agentur, welches nicht mit dem Bundesdatenschutzgesetz im Einklang steht, kann somit einen Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung begründen.

Dr. Ulrich Schulte am Hülse


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