„Das Strafverfahren ist eine belastende Ausnahmesituation für einen Beschuldigten“

  • 4 Minuten Lesezeit
Anwalt Dr. Jonas Hennig: „Das Strafverfahren ist eine belastende Ausnahmesituation für einen Beschuldigten“
Theresa Höfle anwalt.de-Redaktion

Als Strafverteidiger arbeitet Rechtsanwalt Dr. Jonas Hennig, Partner der Kanzlei H/T Defensio, mit Mandanten in emotionalen Ausnahmesituationen. Wie er in seinem Beruf mit Menschen umgeht, bei denen alles auf dem Spiel steht, und was bei der Krisenkommunikation für beide Seiten am besten ist, erzählt er im Interview.  

In Ihren Bewertungen auf anwalt.de werden besonders Ihre Transparenz und Ihr Einfühlungsvermögen gelobt. Muss man das als Strafverteidiger einfach mitbringen? Oder haben Sie eine spezielle Fortbildung für den Umgang mit Menschen in Krisensituationen gemacht?

Ich habe ein Studium der Mediation (Streitschlichtung) erfolgreich absolviert und in diesem Rahmen zahlreiche Kommunikationsstrategien erlernt, aber was zählt, ist Lebenserfahrung. Ein Strafverfahren ist ein Schock. Insbesondere, wenn es mit einer Hausdurchsuchung beginnt. Egal ob schuldig oder unschuldig. Es ist wichtig, zuzuhören, alle Chancen, aber auch ein realistisches Bild aufzuzeigen. Viele meiner Mandanten sagen, dass sie schon nach dem Erstgespräch und nicht erst nach der erlösenden Einstellungsnachricht wieder besser schlafen konnten. 

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Worauf haben Sie bei der Formulierung Ihres Profiltexts geachtet, damit Ratsuchende sich abgeholt fühlen? 

Auf eine hohe Spezialisierung und meine Erfahrung. Ich verteidige fast ausschließlich im Sexual- und Medizinstrafrecht sowie in der strafrechtlichen Revision. Zudem verurteile ich Menschen nicht. Mit mir können meine Mandanten über alles offen sprechen. Das stelle ich auch klar. 

Können Sie in Erstanfragen, die Sie z. B. über Ihr anwalt.de-Profil erhalten, bereits Hinweise erkennen, ob der Ratsuchende unter besonderem emotionalen Stress steht? 

Ja, das lässt sich manchmal erkennen, aber das kann ich verstehen. Das Strafverfahren ist eine belastende Ausnahmesituation für einen Beschuldigten. 

In Ihren Rechtstipps geben Sie Ratsuchenden ganz konkrete Ratschläge, wie sie sich z. B. bei einer Vorladung verhalten sollen. Warum ist Ihnen eine solche erste Handreichung wichtig? 

Wer zu einer polizeilichen Vorladung geht und dort eine Aussage macht, zerstört in aller Regel Verteidigungschancen, selbst wenn er unschuldig ist. Diesen Fehler soll niemand machen, unabhängig davon, ob die Menschen später bei mir oder einem Kollegen/einer Kollegin Mandant werden. Ich möchte Menschen vor diesem Fehler bewahren. 

Bei welchen Mandaten sind die emotionalen Belastungen für Mandanten Ihrer Erfahrung nach am größten und weshalb? 

Bei Mandanten, denen eine Sexualstraftat vorgeworfen wird, ist die Belastung in der Regel am höchsten, weil es in vielen Fällen um alles geht: die Freiheit. Zudem sind die Vorwürfe häufig schambesetzt und führen zu einer Vorverurteilung im sozialen Umfeld. 

Worauf achten Sie im Umgang und in der Kommunikation mit Mandanten, die sich in einer emotionalen Ausnahmesituation befinden? 

Zuzuhören, Verständnis zu zeigen, ein klares, aber auch realistisches Bild aufzuzeigen und natürlich die Vertraulichkeit der Kommunikation. Vertrauen im Mandatsverhältnis ist essenziell. 

Wie stellen Sie sicher, dass Ihnen gestresste oder aufgeregte Mandanten wichtige Informationen nicht vorenthalten? 

In der Regel können wir sogar nach Aktenlage eine Einstellung erwirken. Aber manchmal gibt es in der Tat entscheidende Informationen durch Mandanten. Meine Mandanten sprechen offen mit mir. Ich denke, dass man sich dieses Vertrauen verdienen muss. In aller Regel bekomme ich dieses Vertrauen aber bereits im ersten Gespräch entgegengebracht, wofür ich dankbar bin. 

Wie gehen Sie mit Mandanten um, die Ihnen nicht die (ganze) Wahrheit sagen? 

Damit kann ich umgehen. Man kann mit mir über alles sprechen, aber man muss das nicht. 

Welche Unterstützungsmöglichkeiten können Sie als Anwalt und Strafverteidiger Mandanten anbieten, die sich in einer Ausnahmesituation befinden? 

Als Strafverteidiger geht es um den Kampf für die Rechte des Beschuldigten. In meinem Verständnis gehört es auch dazu, darüber hinaus immer ein offenes Ohr zu haben und bei Sorgen erreichbar zu sein. Ich bin kein Therapeut, aber ich kann im Verfahren den Menschen helfen, mit der Belastungssituation umzugehen. 

Wie finden Sie die Balance zwischen Empathie und professioneller Distanz? 

Die Grenze ist ein therapeutischer Ansatz. Das kann und will ich nicht leisten, aber ich kann gute Therapeuten empfehlen. 

Hat die psychische Verfassung des Mandanten Auswirkungen auf Ihre Verteidigungsstrategie? 

Das ist selten der Fall, aber nicht ausgeschlossen. Unabhängig von der psychischen Verfassung ist es für viele Mandanten ein wichtiges Ziel, einen öffentlichen Strafprozess abzuwenden. Wann immer das möglich ist, kämpfen wir dafür und können dies in der Regel auch erreichen. Das ist insbesondere wichtig für Menschen, die sich in einer labilen psychischen Situation befinden. In Einzelfällen kann ein entsprechendes Krankheitsbild sogar ein zusätzliches Argument für eine Einstellung des Verfahrens liefern. 

Rechtsanwalt Dr. Jonas Hennig ist Fachanwalt für Strafrecht und Gründungspartner der überregionalen Kanzlei H/T Defensio Strafverteidiger. Er ist als Experte im Sexualstrafrecht und Medizinstrafrecht bundesweit gefragt und zudem als Dozent für Straf- und Strafprozessrecht tätig. 

(THH; ZGRA) 

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Foto(s): ©privat/Dr. Jonas Hennig; ©Adobe Stock/4Max

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