Der Auflösungsantrag im Kündigungsschutzverfahren

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Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) dient in erster Linie dem Schutz der Arbeitsplätze (Bestandsschutz).

Dieser Grundsatz wird gesetzlich durch die Möglichkeit der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses durch ein Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) nach Maßgabe der §§ 9, 10, 14 KSchG durchbrochen (faktisch vielfach durch Abfindungsvergleiche).

Ein Auflösungsurteil ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich und kommt rechtstatsächlich nur in den eher seltenen Fällen zum Zuge, dass die Parteien sich nicht auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses einigen.

Dem Arbeitnehmer kann der gesetzliche Weg als taktisches Mittel dienen, sich vom Arbeitgeber gegen Abfindung zu trennen.

Dem Arbeitgeber kann es dazu dienen, sich vom Arbeitnehmer, der nicht einvernehmlich gehen will, zu trennen, obwohl eine ausgesprochene Kündigung unwirksam ist.

Auflösungsantrag bei der ordentlichen Kündigung: Wenn die Kündigung nach dem KSchG sozialwidrig ist, die Kündigung ist also unwirksam, besteht das Arbeitsverhältnis fort.

  • Der Arbeitnehmer kann nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG beim Arbeitsgericht (oder Landesarbeitsgericht) die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Festsetzung der Zahlung einer Abfindung durch das Gericht beantragen, wenn dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr „zumutbar“ ist
  • Der Arbeitgeber kann ebenfalls nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG dasselbe beantragen, wenn „eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit“ nicht mehr zu erwarten ist; im Fall leitender Angestellter im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG auch ohne Begründung

Auflösungsantrag bei der außerordentlichen Kündigung: Diesen kann nur der Arbeitnehmer stellen (§ 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG).

Wie wird der Antrag gestellt?

Ein Auflösungsurteil kann nur auf einen Auflösungsantrag hin ergehen. Ein vorsorglicher Antrag nach § 12 KSchG ist unschädlich.

Ebenso, dass evtl. der Arbeitnehmer schon eine neue Stelle hat.

Hat der Arbeitgeber sowohl eine außerordentliche als auch eine ordentliche Kündigung ausgesprochen, kann der Arbeitnehmer seinen Auflösungsantrag wahlweise auf die eine oder andere Kündigung beziehen.

Der Antrag kann bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht gestellt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 ArbGG) und auch wieder (ohne dass der Arbeitgeber einwilligen müsste) zurückgenommen werden.

Beispiel:

es wird beantragt, das Arbeitsverhältnis gemäß §§ 9, 10 KSchG ab dem … aufzulösen und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Abfindung i.H.v. x EURO nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtskraft des Abfindungsurteils zu zahlen.

Ein Auflösungsantrag kann auch dann aufrechterhalten oder erstmals gestellt werden, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung zurück nimmt.

Die Rücknahme der Kündigung lässt also nicht das Rechtsschutzbedürfnis für den Auflösungsantrag entfallen.

Wann ist die Fortsetzung unzumutbar?

Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses muss für den Arbeitnehmer „unzumutbar“ sein.

Unzumutbarkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist mehr als eine Sozialwidrigkeit nach § 1 KSchG:

„Dafür [für die Unzumutbarkeit] … genügt nicht allein die Sozialwidrigkeit der Kündigung. Es bedarf vielmehr zusätzlicher, vom Arbeitnehmer darzulegender Umstände. Diese müssen im Zusammenhang mit der Kündigung oder doch dem Kündigungsschutzprozess stehen.“

Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist mit anderen Worten dem Arbeitnehmer nicht schon deshalb unzumutbar, weil die Kündigung nach § 1 KSchG unwirksam ist.

Unzumutbarkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist etwas anderes als eine Unzumutbarkeit im Sinne § 626 Abs. 1 BGB:

„Für die Auflösung eines durch eine sozialwidrige Kündigung nicht beendeten Arbeitsverhältnisses durch Urteil muss kein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs 1 BGB vorliegen, der dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar machen würde. Es reicht aus, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Dauer unzumutbar ist.“ 

Da das KSchG nach dem gesetzlichen Anspruch dem Bestandsschutz und nur ausnahmsweise seiner Kapitalisierung dient, ist der Auflösungsantrag eines Arbeitnehmers kein „Selbstläufer“.

Letztlich kommt es auf den Einzelfall (und auf die jeweiligen Richter an).

Wann liegt ein Grund für einen Auflösungsantrag vor?

  • Der Arbeitgeber äußert während des Prozesses unzutreffende oder ehrverletzende Äußerungen
  • Der Arbeitgeber signalisiert den Arbeitnehmer um jeden Preis loswerden zu wollen und weitere Kündigungen auszusprechen
  • Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer leichtfertig ohne Grund einer Straftat verdächtigt

Wie hoch ist die Abfindung beim Auflösungsantrag?

Das Gericht hat unter Berücksichtigung des Normzwecks unter Wahrung der gesetzlichen Höchstgrenze nach seinem Ermessen die Höhe der Abfindung festzusetzen, ohne dabei an den Anträgen der Parteien gebunden zu sein.

Das Bundesarbeitsgericht führte dazu in einer Entscheidung aus:

„Die Abfindung ist zwar nicht ausschließlich und vornehmlich ein Ersatz für den künftig eintretenden Verdienstausfall. Sie ist aber eine Entschädigung eigener Art für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses (…). Sie soll einerseits den Arbeitgeber wegen der Unwirksamkeit der Kündigung belasten, andererseits aber auch dem Arbeitnehmer einen gewissen pauschalen Ausgleich für die Vermögens- und Nichtvermögensschäden gewähren, die sich aus dem Verlust des Arbeitsplatzes ergeben … und dient … auch dazu, dem Arbeitnehmer den Übergang in ein anderes Arbeitsverhältnis zu erleichtern, d. h. die in der Übergangszeit eintretenden Nachteile erträglicher zu gestalten. Die Gewährung einer Abfindung ist zwar nicht davon abhängig daß der Arbeitnehmer durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Verdienstausfall erleidet, aber wenn das der Fall ist, dann ist dieser Umstand bei der Bemessung der Höhe der Abfindung durchaus zu berücksichtigen“ 

Nach § 10 Abs. 1 KSchG darf eine Abfindung nur bis zu einem Betrag in Höhe von zwölf Monatseinkommen festgesetzt werden.

„Monatseinkommen“ wird dabei in § 10 Abs. 3 KSchG definiert.

Bei höherem Lebensalter (ab 50. Lebensjahr) ermöglicht § 10 Abs. 3 KSchG höhere Beträge.

Foto(s): Adobe Stock

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