Der Versicherungsfall "Überschwemmung" in der Elementarschadenversicherung

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Im Nachgang zu der Flutkatastrophe vom 14./15.7.2021 hatten die Versicherer öffentlich erklärt, dass sie alles tun, um pragmatisch und effizient zu helfen, damit die Schadenfälle schnell und unkompliziert bearbeiten werden können. Inzwischen zeigt sich aber in der Beratungspraxis, dass eine Vielzahl von Fallstricken für die Versicherungsnehmer bestehen und dass der Frust bei den Betroffenen wächst. In diesem und in weiteren Beiträgen möchte ich daher jeweils kurz auf die in meiner Beratungspraxis auftauchenden Probleme eingehen, die in der Regulierung der Versicherer oftmals zu kurz kommen. 

Grundvoraussetzung für eine Einstandspflicht des Versicherers ist, dass ein „Versicherungsfall“ vorliegt. Denn die üblichen Wohngebäudeversicherungsverträge definieren sehr genau, unter welchen Voraussetzungen Leistungsansprüche des Versicherungsnehmers bestehen. Nur, wenn alle Voraussetzungen gegeben sind, ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet. Dabei gehen die Vorstellungen der Kunden und die Vertragslage häufig weit auseinander. Während die Kunden – gestützt auf die Beratung während des Vermittlungsgesprächs und der Medienberichtserstattung – davon ausgehen, alles getan zu haben und mit einer Elementarschadenversicherung für den eingetretenene Schaden versichert zu sein, prüfen die Versicherer die Voraussetzungen sehr penibel.

Häufig erlebe ich dabei die Konstellation, dass die Betroffenen sich keine Gedanken machen, auf welchem Weg das Wasser in ihr Haus gelangt ist, sondern dass sie dem Versicherer bei der Schadenanzeige nur melden, dass sie „Wasser im Keller“ oder „Wasser im Haus“ hätten. Häufig wissen sie auch nicht, wie das Wasser gekommen ist, denn viele wurden evakuiert oder waren nicht im Haus, als das Wasser kam.

Wenn man dann aber auf Nachfrage des Versicherers Vermutungen anstellt, kann dies im Ergebnis schnell zu Problemen in der weiteren Regulierung führen.

Denn nach den Versicherungsbedingungen ist der Wasserschaden im Haus nur dann versichert, wenn er durch eine „versicherte Gefahr“ verursacht wurde. In der Elementarschadenversicherung zum Risiko „Überschwemmung“ ist dies nicht einheitlich definiert, sondern variiert von Versicherer zu Versicherer.

Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft („GdV“) hat sog. Musterbedingungen veröffentlicht, die die meisten Versicherer zur Grundlage ihrer Versicherungsbedingungen machen, dann aber ggf. noch abändern. Die Definition des Versicherungsfalls lautet in den Musterbedingungen  wie folgt:

„A 5.4.1 Überschwemmung

Überschwemmung ist die Überflutung von Grund und Boden des Versicherungsgrundstücks mit erheblichen Mengen von Oberflächenwasser. Dies gilt nur, wenn

A 5.4.1.1 eine Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern,

A 5.4.1.2 Witterungsniederschläge oder

A 5.4.1.3 ein Austritt von Grundwasser an die Erdoberfläche als Folge von A 5.4.1.1 oder A 5.4.1.2

die Überflutung verursacht haben.“

Wann eine „Überflutung von Grund und Boden des Versicherungsgrundstücks“ vorliegt, wird nicht näher definiert.

Der BGH hat in einem Urteil vom 20.4.2005 (Az. IV ZR 252/03) entschieden, dass nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers eine -in den Bedingungen nicht näher definierte -"Überflutung von Grund und Boden" dann anzunehmen ist, wenn sich erhebliche Wassermengen auf der Geländeoberfläche ansammeln (so auch: Dietz, Wohngebäudeversicherung 2. Aufl. J 4.1; van Bühren/Tiedgens, Handbuch des Versicherungsrechts § 4 Rdn. 97).

Diese Definition verlangt also nicht, dass das Grundstück vollständig oder zum Großteil überflutet sein muss, sie regelt aber auch nicht, wie wenig Fläche für eine „Überflutung“ ausreicht. Fraglich wäre dann z.B. schon, ob man von einer „Überflutung von Grund und Boden des Versicherungsgrundstücks“ sprechen kann, wenn Regenwasser sich nur auf einer tiefergelegene Terrasse oder nur in den Lichtschächten zum Keller sammelt und von dort in das Haus eindringt.

Manche Versicherer haben die Definition daher ergänzt und setzen voraus, dass das gesamte Grundstück oder ein Großteil des Grundstücks überflutet gewesen sein muss. Das bringt dann zwar mehr Klarheit, engt den Versicherungsschutz für die Kunden aber unter Umständen extrem ein.

Alle Definitionen setzen soweit ersichtlich voraus, dass sich erhebliche Mengen von Wasser an der Oberfläche gesammelt haben.

Da somit eine Ansammlung von Oberflächenwasser auf dem Grundstück Voraussetzung für die Leistung ist, verlangen viele Versicherer im Rahmen der Regulierung Fotos von den Versicherungsnehmern, um die Überflutung nachzuweisen. Viele Versicherungsnehmer haben jedoch keine Fotos gefertigt oder waren zu dem Zeitpunkt der Überflutung nicht vor Ort, hätten also auch keine Fotos machen können.

Damit ergibt sich eine Problemlage. Die Versicherer setzen im Rahmen ihrer Regulierung voraus, dass die Überflutung nachgewiesen wird und akzeptieren nach ihren internen Vorgaben nur Fotos und keine „Zusicherungen des Versicherten“ oder ähnliches. Wenn der Versicherungsnehmer dies nicht vorlegen kann, stockt die Regulierung oder wird abgelehnt, weil der Versicherungsfall nicht nachgewiesen werden konnte.

Richtigerweise steht dem Versicherungsnehmer aber in einem gerichtlichen Verfahren frei, die Voraussetzungen auch mit anderen Beweismitteln wie z.B. der Aussage von Nachbarn als Zeugen, der Auskunft von Behörden oder dem  Sachverständigenbeweis nachzuweisen. Wenn also die Regulierung nur wegen des vermeintlich fehlenden Fotobeweises abgelehnt wird, kann es sich lohnen, den Klageweg zu bestreiten, um den Nachweis des Versicherungsfalls zu erbringen. Oft genügt in diesem Fall aber auch die Einschaltung eines Rechtsanwalts, um eine erneute Prüfung durch den Versicherer herbeizuführen.

Ein weiteres Problemfeld ergibt sich, wenn der Versicherer (ob berechtigt oder nicht) verlangt, dass das gesamte oder ein Großteil des Grundstücks überflutet gewesen sein muss. Dies kann abhängig von den Örtlichkeiten ein Problem darstellen, wenn das Grundstück zum Beispiel am Hang liegt und die versicherten Gebäude sich im Tal befinden. Dann ist es nahezu ausgeschlossen, dass sich auf dem gesamten Grundstück Oberflächenwasser ansammelt, weil es vom Hang Richtung Tal fließen wird.

In dieser Situation stellt sich die Frage, ob die Versicherungsbedingungen in dieser Form wirksam sind, entweder, weil eine Auslegung eine Einschränkung des Wortlaut ergibt oder weil sie nach einer AGB-rechtlichen Prüfung als unwirksam anzusehen sind. Hierbei kommt es immer auf den Einzelfall an und man sollte sich an einen spezialisierten Rechtsanwalt wenden.

Unter Umständen stellt sich aber auch die Frage, ob dem Versicherer nicht der Vorwurf eines Beratungsverschuldens gemacht werden kann, aus dem er auf Schadenersatz haftet. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass der Versicherer sein Produkt und damit auch die Voraussetzungen seiner Einstandspflicht kennt. Wenn ein Versicherungsnehmer nun ein Objekt gegen Überschwemmung versichern möchte, das z.B. wegen der Handlage niemals „überschwemmt“ im Sinne der Versicherungsbedingungen werden kann, hätte der Versicherer dem Versicherungsnehmer entweder eine andere Lösung anbieten müssen oder ihn auf einen anderen Versicherer verweisen. Denn es gibt Versicherer, die in ihren Versicherungsbedingungen die Überschwemmung eines Teils des Grundstücks ausreichen lassen.

Dies führt mitunter zu berechtigtem großen Unmut der Versicherungsnehmer. So ist mir in der Beratung z.B. eine Konstellation bekannt geworden, in der der Versicherer zuerst die Versicherungsleistung abgelehnt hat, weil nicht das gesamte Grundstück überflutet wurde, dann aber zeitgleich den Abschluss eines neuen Vertrags angeboten hat, in dem auch nur teilweise Überflutungen versichert sind.

Mit eines der häufigsten Probleme, dass aber auch berechtigt zu vielen Ablehnungen führt, ist die Frage der Abgrenzung von Oberflächenwasser zu Grundwasser. Denn in sehr vielen Fällen führten die Niederschläge dazu, dass sich das Wasser im Boden angesammelt hat und dann „an den Kellerwänden stand“. Wenn die Kellerwände nicht gegen stehendes Wasser abgedichtet waren (was sie häufig nicht sind), drückte das Wasser sich durch die Wände in den Keller. Solches gestiegene Grundwasser ist grundsätzlich erst einmal nicht versichert, auch dann nicht, wenn es auf Starkregen zurückzuführen ist.

Problematisch ist aber, wenn gleichzeitig eine Überschwemmung auf dem Grundstück gegeben ist und (!) sich Wasser durch die Wände gedrückt hat.

Die meisten Versicherer gehen dann davon aus, dass nur die direkte Einwirkung des Oberflächenwassers versichert sei, dass also nachgewiesen werden muss, dass das Wasser oberflächlich in das Gebäude eingedrungen ist.

Dem liegt die Auffassung zugrunde, dass das Oberflächenwasser alleine unmittelbar den Schaden verursacht haben muss. Dies ist zwar im ersten Moment nachvollziehbar, der BGH hat aber in der oben zitierten Entscheidung vom 20.4.2005 (Az. IV ZR 252/03) auch zu dieser Frage Stellung genommen, sie allerdings auch nicht abschließend entschieden.

In dem damaligen Sachverhalt hatten die dortigen Kläger vorgetragen, dass ein an ihrem Grundstück gelegener See über die Ufer getreten ist, ihren Garten teilweise überflutet hat und dann durch die Kellerwände in das Gebäude eingedrungen sei. Das Wasser sollte also allein von der Überflutung herrühren. Der Versicherer hingegen hat behauptet, dass unabhängig von der Überflutung das Grundwasser gestiegen sei, und dass nur das Grundwasser durch die Kellerwände ins Haus eingedrungen sei.

Der BGH sah wohl die von den Klägern vorgetragene Situation als für den Anspruch ausreichend an und hat das Verfahren zur Beweisaufnahme und Entscheidung zurückverwiesen. Das spricht dafür, dass im Falle einer Überflutung des Grundstücks durch Starkregen auch drückendes Wasser im Erdreich versichert sein kann, wenn es nicht allein Grundwasser wäre. Wie das zu beweisen ist, dürfte dann ein technisches Problem sein.

Damit nicht geklärt ist allerdings, wie die Frage zu lösen ist, wenn beide Ursachen tatsächlich zusammentreffen. Zivilprozessual wäre dies m.E. so zu lösen, dass der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, den Versicherungsfall nachzuweisen, also, dass eine Überflutung vorgelegen hat und dass „dieses“ Wasser in das Gebäude eingedrungen ist. Der Versicherer müsste dann nach weisen, dass „Grundwasser“ – wie auch immer man das dann noch unterscheidet, da die Versicherungsbedingungen dies in der Regel nicht definieren – den Schaden verursacht hat. Dies dürfte faktisch schwer bis unmöglich sein.

Sollten Sie zu einem der vorstehenden Punkte oder zu einem anderen Problem im Zusammenhang mit der Elementarschadenversicherung Fragen haben, können Sie den Autor während der Bürozeiten per Telefon oder per Email/Nachricht erreichen.

RA Heiko Effelsberg, LL.M., Düsseldorf/Essen

Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht. Er ist Absolvent des Masterstudiengangs „Versicherungsrecht“ an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster des Jahrgangs 2005 und beschäftigt sich seit 2002 mit Fragen des Versicherungs- und Haftungsrechts. Seit 2021 ist er Honorarberater der Verbraucherzentrale NRW e.V. an den Standorten Köln und Duisburg zu Themen des Versicherungsrechts. Seit den Starkregenereignissen im Sommer 2021 hat er Versicherungsnehmer zu einer Vielzahl von Konstellationen beraten. 


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