Diabetes: Krankenkasse muss Kind in der Grundschule Schulbegleitung zahlen

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Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass ein an Diabetes mellitus Typ 1 erkranktes Grundschulkind Anspruch auf Kostenübernahme für eine Schulbegleitung durch die gesetzliche Krankenversicherung für die gesamte Grundschulzeit hat. Diese Entscheidung beruht auf der Notwendigkeit einer speziellen Krankenbeobachtung während der Schulzeit, um lebensgefährliche Über- und Unterzuckerungen zu vermeiden, die durch die klassische Insulintherapie allein nicht ausreichend kontrolliert werden können. Die Schulbegleitung wird als notwendig erachtet, da regelmäßige Blutzuckermessungen und Insulingaben zu festgelegten Zeiten nicht ausreichen, um den variablen Blutzuckerwerten und der ständigen Interventionsnotwendigkeit gerecht zu werden. Das Gericht stellte klar, dass die Kosten für die Schulbegleitung von der ersten bis zur vierten Klasse als einheitlicher Leistungsfall zu betrachten sind, ohne dass die Zuständigkeit der Krankenkasse jedes Schuljahr erneut festgestellt werden muss. Die Entscheidung entspricht dem Grundsatz der Leistungserbringung „aus einer Hand“ nach § 4 Abs. 2 Satz 2 SGB IX und sieht vor, dass der ursprünglich leistende Träger weiterhin für die Kosten aufkommen muss. Zuständige Rehabilitationsträger für die Übernahme der Kosten können die Krankenkasse und der Träger der Eingliederungshilfe sein, wobei derjenige Träger endgültig zuständig ist, der den Antrag nicht innerhalb von zwei Wochen an einen anderen Träger weiterleitet. Kontaktinformationen für weitere Beratung durch Rechtsanwalt Markus Karpinski werden ebenfalls bereitgestellt.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschied, dass die gesetzliche Krankenkasse einem an Diabetes erkrankten Grundschüler die Kosten einer Schulbegleitung für die gesamte Grundschulzeit zahlen muss (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. März 2021 – L 4 KR 3741/20 ER-B ).

Worum ging es in dem Urteil?

Der 9-jährige Kläger, der an Diabetes mellitus leidet, war mit der alleinigen Bewältigung seiner Insulintherapie in der Grundschule überfordert. Die Insulintherapie erfolgt dabei nicht nur durch regelmäßige Messungen bzw. Ablesungen des Blutzuckers vor und nach den Mahlzeiten, die Errechnung der erforderlichen Insulindosis anhand des Kohlenhydratgehalts der Mahlzeit und des aktuellen Blutzuckers, die Abgabe der errechneten Insulinmenge über die Insulinpumpe, sondern durch zusätzliche Interventionen/Eingriffe bei Symptomen einer Über- oder Unterzuckerung. Die Gewährung regelmäßiger Blutzuckermessungen und Insulingaben während des Schulbesuchs zu im Voraus bestimmten Zeiten z.B. zu den Mahlzeiten genügt insoweit nicht. Aufgrund der alterstypisch schwankenden Blutzuckerwerte infolge wechselnder körperlicher Aktivitäten, unregelmäßigem Tagesrhythmus und Infekten besteht die Notwendigkeit einer jederzeitigen Interventionsmöglichkeit, so dass der Schulbegleiter während des gesamten Unterrichts anwesend sein muss. Nur so können täglich drohende, lebensgefährliche Über- und Unterzuckerungen vermieden werden. Daher ist bei an Diabetes Typ 1 erkrankten Grundschulkindern eine spezielle Krankenbeobachtung im Sinne des § 37 SGB V notwendig.

Bereits für die zweite Klasse leistete die gesetzliche Krankenversicherung Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege für den Besuch der Grundschule gem § 37 Abs 2 S 1 Hs 1 SGB V.

Nun entschied das Gericht, dass die gesetzliche Krankenkasse die zukünftigen Kosten für das dritte und vierte Schuljahr nicht an einen anderen Rehabilitationsträger abwälzen kann, da es sich bei der Grundschuldzeit, um einen einheitlichen Leistungsfall handelt. Die gesetzliche Krankenkasse ist mithin weiter zuständiger Rehabilitationsträger.

Muss jedes Schuljahr erneut die Zuständigkeit der Krankenkasse festgestellt werden?

Nein. Die Zahlungen für die Schulbegleitung zur Grundschulzeit sind von der ersten bis zur vierten Klasse als einheitlicher Leistungsfall zu betrachten. Es findet gerade keine Zersplitterung der Leistung pro Schuljahr statt, sodass es sich bei dem Kostenantrag für die Schulbegleitung im dritten Schuljahr nicht um einen neuen Antrag, sondern vielmehr um einen Verlängerungsantrag handelt.  Die Zuständigkeit ist daher nicht erneut zu erörtern.

Dies entspricht dem Rechtsgedanken des § 4 Abs. 2 Satz 2 SGB IX und dem Grundsatz der Leistungserbringung „aus einer Hand“. Danach erbringen die Leistungsträger die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalls so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.

Der ursprünglich leistende Träger, muss also über den Verlängerungsantrag entscheiden. Eine Weitergabe nach § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX scheidet in diesem Fall aus.

Wenn die Leistungen zur Teilhabe weiterhin benötigt werden, muss also der ursprünglich leistende Träger weiter die Kosten tragen.

Wer ist zuständig für die Übernahme der Kosten einer erforderlichen Schulbegleitung?

In Betracht kommen zwei Rehabilitationsträger: Die Krankenkasse und der Träger der Eingliederungshilfe. Es ist der Rehabilitationsträger zuständig, welcher nicht innerhalb von zwei Wochen den Antrag an den nach seiner Meinung zuständigen Rehabilitationsträger weiterleitet. Findet eine solche Weiterleitung statt, ist dieser Rehabilitationsträger endgültig zuständig (vgl § 14 I SGB IX).

Was ist ein Rehabilitationsträger?

Die Rehabilitationsträger (auch: Reha-Träger) sind Institutionen, die gemäß SGB IX die Kosten für die Hilfen und Leistungen zur sozialen, medizinischen oder beruflichen Rehabilitation (auch: Leistungen zur Teilhabe) übernehmen. Für die Leistungen zur Teilhabe ist nicht nur ein Träger zuständig, sondern jeder Rehabilitationsträger hat neben seinen sonstigen Aufgaben seinen spezifischen Bereich der Rehabilitation und Teilhabe (Definition von REHADAT-Das Portal zu Arbeitsleben und Behinderung). Rehabilitationsträger sind zum Beispiel: Die Bundesagentur für Arbeit, die gesetzliche Krankenversicherung, die gesetzliche Rentenversicherung, die Eingliederungshilfe.


Kontaktieren Sie mich, Rechtsanwalt Markus Karpinski, Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Sozialrecht von der Kanzlei für Pflegerecht in Lüdinghausen unter 0 25 91 – 20 88 58 und Dortmund unter  02 31 - 22 25 568 .



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