Die Betriebsvereinbarung – Leitfaden für Arbeitgeber und Betriebsräte

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Betriebsvereinbarungen sind allgegenwärtig und nahezu jedem Arbeitnehmer ein Begriff. Sie haben Einfluss auf eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen und gehören zur gelebten Praxis im betrieblichen Arbeitsalltag. Auch im öffentlichen Dienst ist dieses arbeitsrechtliche Phänomen weit verbreitet. Hier werden sie zwar als Dienstvereinbarung bezeichnet. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind jedoch vergleichbar.

Dieser Rechtstipp klärt über die Betriebsvereinbarung auf und dient als Leitfaden für Arbeitgeber und Betriebsräte.

1. Die Bedeutung der Betriebsvereinbarung 

In der Kurzform bezeichnet man als Betriebsvereinbarung eine schriftliche, verbindliche Einigung zwischen Arbeitgeber und dem Betriebsrat. Diese bezieht sich auf solche Fragen, die in den Aufgabenbereich der Interessenvertretung der Arbeitnehmer fallen. Hierzu zählen nach der gesetzlichen Regelung des § 87 BetrVG insbesondere die sozialen Angelegenheiten des Betriebes. Um diese Aufgaben möglichst weitreichend und effizient wahrnehmen zu können, steht es dem Betriebsrat frei, für alle Arbeitnehmer verbindliche Regelungen auszuhandeln.

Im Lichte des Regelungsinhalts und der Art des Zustandekommens, kann zwischen erzwingbarer und freiwilliger Betriebsvereinbarung unterschieden werden. Von einer erzwingbaren Betriebsvereinbarung wird immer dann gesprochen, wenn eine fehlende Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat durch einen Spruch der Einigungsstelle ersetzt wird. Wann das der Fall ist, wird durch den Gesetzgeber vorgeschrieben. In allen anderen Fällen, in denen eine Einigung der Betriebsparteien gegeben ist, spricht man von einer freiwilligen Betriebsvereinbarung. Hier kann die Einigungsstelle nur auf Antrag oder mit dem Einverständnis beider Betriebsparteien aktiv werden.

2. Der Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung

Die Betriebsvereinbarung bezieht sich grundsätzlich auf sämtliche Arbeitnehmer mit Ausnahme der leitenden Angestellten. Ausnahmsweise kann auch nur eine ausgewählte Gruppe an Arbeitnehmern in den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung einbezogen sein. So lassen sich die Interessen von bestimmen Arbeitnehmern, wie beispielsweise den Auszubildenden, fördern. Wer genau von der Betriebsvereinigung profitieren soll, hängt davon ab, welche Einigungen die Betriebsparteien erzielen konnten. Hier ist der Inhalt der Betriebsvereinbarung ausschlaggebend. Hier wird deutlich, dass es im Sinne der Transparenz erforderlich ist, die Betriebsvereinbarung schriftlich festzuhalten. Das Schriftformerfordernis ist nach dem Willen des Gesetzgebers also eine Wirksamkeitsvoraussetzung.

Sobald der Arbeitgeber und der Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung wirksam geschlossen haben, gilt sie unmittelbar und zwingend. Daher wird sie auch als „Gesetz des Betriebes“ bezeichnet und findet unabhängig davon Anwendung, ob das Arbeitsverhältnis bei Abschluss der Vereinbarung bereits bestanden hat oder nicht. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass die Arbeitsverträge der Beschäftigten ausdrücklich auf die Betriebsvereinbarungen Bezug nehmen. Sie gelten, ohne dass es einen entsprechenden Verweis im Arbeitsvertrag benötigt.

Inhaltlich kann die Betriebsvereinbarung eine Vielzahl von Regelungsbereichen abdecken. Voraussetzung allerdings ist, dass der Betriebsrat bei der jeweiligen Angelegenheit ein gesetzliches Mitbestimmungsrecht hat. Praktische Anwendungsfelder von Betriebsvereinbarungen sind etwa:

  • Urlaubsplanung
  • Arbeitszeiterfassung
  • technische Überwachungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz
  • Arbeitskleidung
  • Sicherheitsvorkehrungen

Zu beachten ist jedoch, dass solche Angelegenheiten, für die es bereits abschließende, verbindliche Gesetzesvorgaben oder tarifvertragliche Regelungen gibt, nicht durch Betriebsvereinbarung geregelt werden können. Außerdem darf sie nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Hierzu zählt neben dem zwingenden Gesetzesrecht und der Verfassung auch das Recht der Europäischen Union.

Der Betriebsrat hat in seiner Funktion als Interessenvertretung der Arbeitnehmer darauf zu achten, dass die Beschäftigen nach den „Grundsätzen von Recht und Billigkeit“ behandelt werden. Hier kann also auch der Grundrechtsschutz der Arbeitnehmer eine tragende Rolle spielen und in den Betriebsvereinbarungen seinen Niederschlag finden.

3. Der Stellenwert der Betriebsvereinbarung

Die Pflichten der Arbeitnehmer sind nicht selten sowohl in dem Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag als auch in einer Betriebsvereinbarung geregelt. In diesem Spannungsverhältnis unterschiedlicher Rechtsquellen, kann es vorkommen, dass sich einzelne Regelungen widersprechen. Insbesondere in solchen Betrieben, in denen es seit jeher eine Vielzahl an Betriebsvereinbarungen gibt, die sich thematisch überschneiden, sind Widersprüchlichkeiten nicht auszuschließen.

Diese sogenannte Normenkollision wird im Arbeitsrecht folgendermaßen aufgelöst: Grundsätzlich geht die Betriebsvereinbarung dem Arbeitsvertrag im Range vor. Je nach Einzelfall gilt jedoch das Günstigkeitsprinzip, wonach abweichende Klauseln im Arbeitsvertrag nur dann zur Anwendung kommen, wenn sie für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen vorsehen. Sollten also der Arbeitsvertrag und die Betriebsvereinbarung widersprüchliche Regelungen enthalten, kommt es im Ergebnis auf die günstigere Rechtslage zu Gunsten des Arbeitnehmers an. Dieser aus Sicht des Arbeitnehmers begrüßenswerte Grundsatz ist jedoch innerhalb der Rechtsprechung nicht unbestritten und gilt nicht ausnahmslos. Hier ist anwaltliche Unterstützung einzuholen!

Was das Verhältnis zwischen Betriebsvereinbarung und Tarifvertrag anbelangt, so genießt der Tarifvertrag einen höheren Stellenwert. Das Günstigkeitsprinzip kommt hier also grundsätzlich nicht zur Anwendung.

4. Zusammenfassung

Die Betriebsvereinbarung hat innerhalb des Betriebes einen hohen Stellenwert. Bei deren Verhandlung kommt es auf fundierte Kenntnisse im Arbeitsrecht an. Sie ist nämlich nur wirksam, wenn sie nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht verstößt und im Einklang mit den arbeitsrechtlichen Bestimmungen steht. Daher ist den Betriebsräten zu empfehlen, frühzeitig einen Anwalt im Arbeitsrecht hinzuzuziehen, um die Rechtssicherheit zu steigern und in den Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auf Augenhöhe bleiben zu können.


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